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"Der praktische Fall"Dürfen Ärzte die Behandlung von bestimmten Patienten ablehnen?

Die Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) von drei Ärzten wächst stetig. Allerdings sorgt sich Hausarzt H, da sich plötzlich vermehrt aggressiv fordernde Menschen vorstellen. Er und sein Kollege möchten solche Personen nicht behandeln, der dritte Arzt hat jedoch Bedenken. Wie sieht die Rechtslage aus?

Ärztinnen und Ärzte sollten von der Ablehnung eines Patienten nur nach sorgfältiger Abschätzung Gebrauch machen.

Die Behandlung basiert auf gegenseitigem Vertrauen und bringt für die Ärztinnen und Ärzte viele Pflichten sowie ein hohes Maß an Verantwortung mit sich. Bereits deswegen liegt die Antwort nahe, dass sie eine Behandlung nur in Ausnahmen – rechtmäßig – ablehnen dürfen. Dies wiederum steht im Gegensatz zu dem “Gedankenspiel” in der BAG von H, A und B (s. Box).

Der Behandlungsvertrag zwischen Hausarzt H und seinen Patientinnen und Patienten ist – unabhängig davon, ob sie gesetzlich oder privat krankenversichert sind – zivilrechtlicher Natur. Er ist als besonderer Dienstvertrag gesetzlich in Paragraf 630a BGB geregelt und sein Zustandekommen folgt den allgemeinen zivilrechtlichen Regeln für Vertragsschlüsse.

Wie bei jedem anderen Vertrag gelten grundsätzlich die Vertragsautonomie und die Abschlussfreiheit. Das bedeutet, dass ein Patient sich seinen Arzt oder Ärztin frei wählen kann. Auch für einen “Kassenpatienten” ist dieses Recht durch Paragraf 76 Abs. 3 Satz 1 SGB V nur teilweise eingeschränkt.

Insoweit stellt sich mithin die Frage, ob auch Hausarzt H spiegelbildlich – entsprechend seiner Patienten – dieselbe Wahlfreiheit zusteht; anders ausgedrückt: Wann besteht für H keine Behandlungspflicht?

Hierzu lassen sich verschiedene “Fallgruppen” bilden, wobei das Ob der Behandlungspflicht stets von dem konkreten Einzelfall abhängt.

Notfallbehandlung heißt “nicht aufschiebbare Maßnahmen”

Ärztinnen und Ärzte sehen sich bei ihrer Berufsausübung mit Situationen konfrontiert, in denen sie die Abweisung eines Notfallpatienten in Betracht ziehen müssen, beispielsweise bei einem hohen Andrang von Notfällen und daraus folgender Überlastung des niedergelassenen Arztes.

Ein medizinischer Notfall liegt vor, wenn bei Personen gesundheitliche Schäden zu befürchten sind, sofern sie nicht unverzüglich medizinische Hilfe erhalten. In einer solchen Situation trifft einen Arzt zunächst einmal – wie jeden anderen Menschen im Übrigen auch – die allgemeine Pflicht zur Hilfeleistung gemäß Paragraf 323 c Strafgesetzbuch (StGB).

Der Straftatbestand stellt keine exklusive Pflicht für Ärztinnen und Ärzte auf, der Umfang der Hilfemaßnahmen richtet sich jedoch nach den individuellen Fähigkeiten und Kenntnissen. Daher wird Ärzten mit Spezialwissen oder ärztlichen Instrumenten in der Regel ein höheres Maß an Hilfe zumutbar sein, als Laien.

Auch aus dem ärztlichen Berufsrecht (Paragraf 7 Abs. 2 Satz 2 MBO-Ä) wird ersichtlich, dass Ärztinnen und Ärzte im Notfall zur Behandlung verpflichtet sind. Sie müssen jedoch nur die unaufschiebbaren Maßnahmen ergreifen. Zu einer über die konkrete Notfallsituation hinausgehenden medizinischen Versorgung sind sie – jedenfalls aus dieser Sichtweise – nicht verpflichtet.

Notfalldienst: Jedem Notruf gewissenhaft nachgehen

Niedergelassene Ärzte (auch “reine” Privatärzte) sind zudem verpflichtet, am sogenannten Bereitschaftsdienst teilzunehmen (Paragraf 26 MBO-Ä). Der Notdienst ist Teil der ambulanten Versorgung und soll diese auch außerhalb der gewöhnlichen Sprechzeiten sichern.

In seinem Rahmen sollen bei akuten gesundheitlichen Beschwerden Sofortmaßnahmen erbracht werden. Es wird öffentlich bekannt gegeben, welcher Arzt Notfalldienst hat und die Erreichbarkeit anderer Ärzte ist außerhalb der Sprechzeiten stark eingeschränkt. Deshalb gelten für den diensthabenden Arzt strengere Pflichten.

Er muss jedem Notruf gewissenhaft nachgehen und darf sich hierbei nicht auf Ferndiagnosen verlassen. Nur, wenn für eine Behandlung offensichtlich keine Indikation besteht oder sie missbräuchlich gefordert wird, darf der Arzt im Bereitschaftsdienst die Behandlung verweigern.

Vertragsarzt: Nur In wenigen Fällen Behandlung ablehnen

Auch außerhalb einer Notsituation sehen sich Ärztinnen und Ärzte mit Personen konfrontiert, deren Behandlung sie aus unterschiedlichen Gründen nicht übernehmen möchten. Für Vertragsärzte gelten in einem solchen Fall strengere Regeln, als für die rein privatärztlich Tätigen.

Infolge einer vertragsärztlichen Zulassung besteht grundsätzlich die (vertragsärztliche) Pflicht, gesetzlich Versicherte zu behandeln. Sie sind bezogen auf die konkrete Person jedoch in bestimmten Situationen berechtigt, die Behandlung abzulehnen. Etwa wenn ein volljähriger “Kassenpatient” seine elektronische Gesundheitskarte nicht vorlegt (Paragraf 13 Abs. 7 Satz 1 BMV-Ä).

Darüber hinaus kann die Behandlung von Kassenpatienten nur in begründeten Fällen abgelehnt werden (Paragraf 13 Abs. 7 Satz 2 BMV-Ä). Ein solcher Grund kann in einem fehlenden Vertrauensverhältnis, fehlenden fachlichen Fähigkeiten oder dem ungebührlichen Verhalten von Versicherten liegen.

Auch im Falle medizinisch nicht indizierter Maßnahmen – vor allem bei Schönheitseingriffen – besteht kein Kontrahierungszwang (also die Pflicht zum Abschluss eines Behandlungsvertrages), was daraus folgt, dass die Pflicht zur Behandlung der Gesundheit des Erkrankten dient; Schönheitseingriffe zum Erhalt der Gesundheit sind regelhaft nicht erforderlich.

Besonders zu beachten ist, dass ein wichtiger Grund nicht in der alleinigen Überschreitung von Budget- oder Fallzahlobergrenzen liegt. Erst, wenn aufgrund nicht vorhandener Sachmittel oder eines Übermaßes an Patientinnen und Patienten eine Behandlung nach dem gebotenen Standard nicht mehr möglich ist, kommt die Ablehnung der Behandlung in Betracht. Bei einer unberechtigten Ablehnung hat der Vertragsarzt ein vertragsärztliches Disziplinarverfahren zu befürchten.

Auch Privatärzte sollten nicht willkürlich ablehnen

Privat abrechnenden Ärztinnen und Ärzten steht die Ablehnung einer Behandlung nach Paragraf 7 Abs. 2 Satz 2 MBO-Ä grundsätzlich frei. Allerdings sollten auch sie dafür wichtige Gründe anführen können, weshalb von einem willkürlichen Vorgehen abzuraten ist.

Gerade diskriminierende Behandlungsverweigerungen sind im Hinblick auf Art. 3 Abs. 3 Grundgesetz und Paragrafen 19, 20 AGG zu unterlassen. Auch wenn sich durch eine langjährige Behandlungsdauer ein besonderes Arzt-Patienten-Verhältnis entwickelt hat, sollte eine Ablehnung nur in Ausnahmen in Betracht gezogen werden. Es entsteht insoweit ein besonderes Vertrauensverhältnis und ein berechtigtes Interesse der Erkrankten, darauf vertrauen zu können, dass der Arzt oder die Ärztin sie auch bei künftigen Krankheiten behandeln wird.

Sofern durch die Ablehnung von Patienten der Verstoß eines Arztes gegen seine Berufspflicht angenommen wird, kann dies im Wege der Disziplinargerichtsbarkeit nach Maßgabe der Kammer- und Heilberufsgesetze geahndet werden.

Kündigung einer laufenden Behandlung

Besteht bereits ein Behandlungsvertrag, richten sich die Möglichkeiten seiner Beendigung nach den Normen für das Dienstvertragsrecht (Paragrafen 630b i.V.m. 620 ff. BGB). Neben dem Erreichen des Behandlungszwecks in Form der Genesung der Erkrankten, besteht bei der ärztlichen Behandlung als “Dienst höherer Art kraft besonderen Vertrauens” grundsätzlich die Möglichkeit der sofortigen, grundlosen Kündigung gemäß Paragraf 627 BGB.

Patienten können das Kündigungsrecht aus Paragraf 627 Abs. 1 BGB uneingeschränkt ausüben. Für die Behandelnden wird das Recht durch Paragraf 627 Abs. 2 BGB an eine weitere Voraussetzung geknüpft: Danach dürfen sie nicht zur Unzeit kündigen, was bedeutet, dass Patienten sich die ärztliche Behandlungsleistung anderweitig beschaffen können müssen.

Kündigen Ärzte zur Unzeit, obwohl kein wichtiger Grund vorliegt, sind sie den Patienten nach Paragraf 627 Abs. 2 Satz 2 BGB zum Schadenersatz verpflichtet. Für den wichtigen Grund gelten auch hier die zuvor aufgestellten Regeln zur ärztlichen Hilfspflicht bezogen auf Notfälle, Kassenärzte und Privatärzte.

Fazit

Ärztinnen und Ärzte sollten von der Ablehnung eines Patienten nur nach sorgfältiger Abschätzung Gebrauch machen, da die Gefahr besteht, sich Schadensersatzforderungen, disziplinarrechtliche Maßnahmen oder sogar strafrechtlichen Sanktionen ausgesetzt zu sehen.

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