Berlin. Angesichts einer bisher noch geringen aktiven Nutzung der neuen elektronischen Patientenakten (ePA) bei Millionen Versicherten werden Rufe nach mehr Informationen und einem leichteren Zugang laut. Der Hausärztinnen- und Hausärzteverband warnt vor einer “Bruchlandung” des Projektes und forderte von den Krankenkassen bessere Aufklärung.
“Die Zahl der aktiven Nutzer ist ernüchternd”, sagte Bundesvorsitzender Dr. Markus Beier. Wenn die Verantwortlichen weitermachten wie bisher, werde eines der wichtigsten versorgungspolitischen Projekte “langsam, aber sicher scheitern”. “Das wäre insbesondere für die Patientinnen und Patienten eine schlechte Nachricht, denn eine gut umgesetzte ePA hätte zweifellos das Potenzial, die Versorgung spürbar zu verbessern und zu vereinfachen.”
Beier wies auf einen komplizierten Registrierungsprozess und störanfällige Technik hin. “Die ePA ist in ihrer aktuellen Form schlichtweg nicht alltagstauglich.” Es vergehe kaum eine Woche, in der die Praxen keine Probleme mit dem Zugriff auf die ePA hätten.
Zudem hätten die meisten Patienten auch noch kaum etwas von der ePA mitbekommen, so Beier. Wichtige Fragen seien offen und müssten von den Kassen strukturiert beantwortet werden.
Aktive Nutzer in noch geringer Zahl
Hintergrund ist, dass Millionen Versicherte für sie eingerichtete E-Akten bisher noch nicht aktiv nutzen, um eigene Gesundheitsdaten anzusehen oder auch sensible Inhalte zu sperren.
Nach einer Reform der Ampel-Koalition haben zwar 70 Millionen der gut 74 Millionen gesetzlich Versicherten seit Januar eine ePA von der Kasse angelegt bekommen. Aber: Bisher nutzen Millionen Versicherte ihre ePA noch nicht für sich selbst, wie es auf Anfrage bei großen Kassen hieß. Bei der Techniker Krankenkasse sind elf Millionen E-Akten angelegt, aktiv nutzen sie 750.000 Versicherte. Die Barmer hat 7,8 Millionen angelegte ePAs und etwa 250.000 aktive Nutzer.
Zur ersten Verwendung der App muss man sich generell zunächst identifizieren und freischalten lassen.
Bei den elf Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) mit 25,8 Millionen bestehenden E-Akten haben bisher 200.000 Versicherte dafür eine persönliche Gesundheits-ID angelegt, die ihnen den Zugriff ermöglicht.
Ärzte können ePA schon nutzen
Der Betrieb in Praxen und Kliniken wird derzeit bundesweit ausgedehnt. Dabei können Ärzte die ePA mit Dokumenten füllen, auch wenn Versicherte sich noch nicht selbst per App eingeloggt haben. Nur dann können Patienten aber online für sich festlegen, welche Ärzte welche Daten sehen können und was nicht.
Tipp: Hausarzt Dr. Heiner Pasch erklärt, worauf es bei der Abrechnung der ePA-Befüllung ankommt.
Der Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Stefan Schwartze, forderte Nachbesserungen: “Mich erreichen Zuschriften von Bürgerinnen und Bürgern, die Probleme bei der Einrichtung der ePA beklagen”, sagte der SPD-Politiker Ippen Media etwa mit Blick auf ungeeignete Smartphones oder andere Zugangsprobleme. “Das muss sich dringend verbessern.” Die ePA müsse auch anwendungs- und patientenorientierter werden – für jede Altersgruppe.
Hausärzte: Kassen müssen gezielt informieren
Hier sehen die Hausärztinnen und Hausärzte die gesetzlichen Krankenkassen in der Pflicht. “Die Krankenkassen sind gesetzlich dazu verpflichtet, ihre Versicherten über die elektronische Patientenakte zu informieren”, erinnert Beier. “Notwendig wäre eigentlich eine große und koordinierte Informationskampagne gewesen. Stattdessen haben die Krankenkassen sich darauf beschränkt, vereinzelt Briefe mit allgemeinen Informationen zu versenden. Anders gesagt: Sie legen bei der Aufklärung ihrer Versicherten die Hände in den Schoß.”
Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen betonte, jetzt gehe es darum, die Akzeptanz und den praktischen Nutzen weiter zu erhöhen, damit die ePA in der Breite der Versorgung ankomme. Vorstand Martin Krasney sagte, er sei zuversichtlich, dass es einen wichtigen Schub gebe, wenn alle Ärztinnen und Ärzte ab 1. Oktober verpflichtet seien, neue Diagnosen und Befunde in der E-Akte abzulegen.
Die Praxen könnten fehlende Informationen jedoch nicht kompensieren, so Beier. “Die Krankenkassen sind aufgefordert, ihre riesigen Verwaltungsbudgets dafür zu nutzen, endlich eine vernünftige Aufklärung ihrer Versicherten sicherzustellen.” – dpa/red