Berlin. Die neue Bundesgesundheitsministerin Nina Warken hat “informell” angekündigt, beim 129. Deutschen Ärztetag (DÄT) vor Ort zu sein, erklärte Dr. Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer, bei einer Vorab-Pressekonferenz zum DÄT am Dienstag (13.4.).
Der DÄT wird vom 27. Bis 30.5.2025 in Leipzig stattfinden. Dies sei eine gute Gelegenheit für Warken, auf erste Tuchfühlung mit der Ärzteschaft zu gehen.
Er sei gespannt, wie man die großen Herausforderungen des Deutschen Gesundheitssystems in den nächsten Jahren gemeinsam angehen werde – und die Herausforderungen seien definitiv schwer zu lösen, betonte Reinhardt.
Gut, dass Primärarztsystem kommt
Um die Kosten zu reduzieren, gebe es nur unattraktive Maßnahmen wie etwa Reduzierungen von Leistungen oder die Einführung von Zuzahlungen. Auch müsse die Effizienz des Gesundheitssystem gesteigert werden. Dabei begrüßte Reinhardt die im Koalitionsvertrag vorgesehene Einführung eines Primärarztsystems.
Auf die Frage, ob ein Nebeneinander eines Systems in der Regelversorgung und der HZV für einen guten Weg halte, meinte Reinhardt: “Wir müssen aufpassen”, dass es nicht zu komplex werde. Die HZV sei eine Versorgung, die sich dabei bereits etabliert habe.
HZV als Trendsetter
In Baden-Württemberg, bei der auch die Fachärzte in die HZV eingebunden seien, gebe es eine gute Evidenz. Die HZV sei dabei trendsetzend gewesen und könne in diesem Kontext auch Innovationsmotor sein.
Ein weiterer wichtiger Punkt sei die Entbürokratisierung; bereits von der vergangenen Regierung sei ja bereits ein Bürokratieentlastungsgesetz geplant gewesen. In diesem Zusammenhang verwies Reinhardt auf einen Katalog der BÄK von vor anderthalb Jahren, in dem 40 Entbürokratisierungs-Maßnahmen geliefert worden seien.
iMVZ: Keine Rosinenpickerei
Dass auch die Regulierung von iMVZ im Koalitionsvertrag explizit enthalten ist, begrüßte Reinhardt. Es gebe bereits 54 Praxisketten mit rund 50.000 Beschäftigten in Deutschland. Es müsse eine Verpflichtung auch für iMVZ geben, das gesamte Spektrum eines Facharztgebietes abzudecken.
Auch wenn der Deckungsbeitrag einer Leistung nicht so gut sei, unterstrich Reinhardt: “Die Spielregeln der Versorgung sollten in der Fläche eingehalten werden.”
Drei große Lücken im Koalitionsvertrag
Zusätzlich wies Reinhardt auch auf – aus ärztlicher Sicht – drei Lücken im Koalitionsvertrag hin. So sei die weitere Unterstützung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD) nicht im Vertrag vorgesehen. Schließlich habe man in der Pandemie bemerkt, wie sehr der ÖGD kaputtgespart worden sei. So weit dürfte es nicht wieder kommen.
Außerdem komme das Thema Klimawandel im Bereich Gesundheit nicht vor. “Wir weisen an dieser Stelle darauf hin, dass Klimawandel und Gesundheit immer miteinander gedacht werden müssen”, betonte Reinhardt.
Weiterhin sei die Resilienz des Gesundheitswesens außen vor geblieben: Krisen und Kriege würden nicht erwähnt.
GOÄneu: Sinneswandel bei Lauterbach
Auch wenn die GOÄneu nicht explizit im Koalitionsvertrag erwähnt worden sei, “gehen wir davon aus, dass die Erneuerung der GOÄ unter einer CDU-geführten Regierung als dringend nötig angesehen wird”, so der BÄK-Präsident.
Er gehe davon aus, dass das vorliegende Konsenspapier zur GOÄneu von der Ärzteschaft in Leipzig mehrheitlich angenommen werde. Die neue GOÄ sei aus Rechtsicherheits-, Transparenz- und Verlässlichkeits-Gründen längst überfällig.
“Es wäre peinlich, wenn wir das weiter auf die lange Bank schieben”, unterstrich Reinhardt. Der ehemalige Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) habe noch auf dem Neujahrsempfang der Ärzteschaft im Januar betont, dass er die GOÄneu bei seiner Wiederwahl auf den Weg bringen würde, sagte Reinhardt. Umso leichter müsse es der neuen Bundesgesundheitsministerin Warken fallen, die GOÄneu abzunicken.
DÄT-Thema: KI in der Medizin
Großes Thema in Leipzig werde die Künstliche Intelligenz (KI) in der Medizin sein, zu der Reinhardt auch diverse Vorträge ankündigte. „Wir sind der festen Überzeugung, dass die KI das Behandeln von Patienten in Zukunft in erheblichem Maß beeinflussen wird.”
Es gebe viele Chancen. So könne die KI einen Teil dazu beitragen, den wachsenden Anteil der Menschen mit gesundheitlichen Problemen auch qualitativ gut zu versorgen. In Leipzig könne eine Art KI-Guideline entstehen.
Auf die elektronische Patientenakte (ePA) angesprochen und ob die Einführung zu schnell geplant sei, erklärte Reinhardt: Die ePA sei einer der letzten Handlungen Lauterbachs gewesen. Er habe den Eindruck, Lauterbach habe einen Punkt zum Abschluss seiner Ministerzeit setzen wollen. Sollte alles zu rasch geplant sein, müsse Warken eingreifen.
PVS-Hersteller endlich aktiv
Ob die Sanktionen für Ärztinnen und Ärzte, wenn sie bis Januar nicht teilnehmen, vernünftig sind, bleibe abzuwarten und sei von der Entwicklung abhängig zu machen. Ein gewisser Druck, so Reinhardt, sei für das Weiterkommen nötig.
Das sehe man auch an den PVS-Herstellern. Diese würden sich nun unter wirtschaftlichem Druck endlich bemühen, dass Handling der ePA in Bezug auf ihr System anzupassen. Das hätten die Hersteller schon vor drei bis vier Jahren in Angriff nehmen können, kritisierte Reinhardt.