Leipzig. “Die Gesundheitsversorgung in Deutschland steht vor massiven Herausforderungen, die mutige Reformen in allen Leistungsbereichen des Gesundheitssystems erfordern”, erklärte Dr. Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), am Dienstag (27.5.) zur Eröffnung des 129. Deutschen Ärztetags in Leipzig.
Lob gab es von Reinhardt für den Koalitionsvertrag, der eine gute Grundlage für die notwendigen Reformen biete und gleichzeitig zeige, dass die neue Regierung offen sei, neue und unkonventionelle Wege zu gehen.
Ein Beispiel dafür sei das Bekenntnis der neuen Regierung zur Einführung eines Primärarztsystems. Entscheidend sei nun die konkrete Ausgestaltung.
Reinhardt: “Bürokratie-Irrsinn” beenden
Ausdrücklich begrüßte Reinhardt auch, dass die neue Regierung sich das Ziel der längst überfälligen Entbürokratisierung auf die Fahnen geschrieben hat.
61 Tage verwendeten Praxen im Jahr für Bürokratie, in Kliniken seien es pro Arzt drei Stunden täglich.
“Machen Sie Schluss mit diesem Irrsinn”, richtete sich Reinhardt an die neue Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU). Er bot ihr die Bildung einer gemeinsamen Entbürokratisierungs-Taskforce im Gesundheitswesen an, die Formular für Formular, Prozess für Prozess auf Notwendigkeiten überprüfe.
Warken: Herausforderungen “gewaltig”
Warken erklärte in Leipzig eine “Kommunikation auf Augenhöhe mit den Leistungserbringern im Gesundheitswesen” halte sie für entscheidend. Der Austausch sei wichtig für die weiteren Reformprozesse. Die Herausforderungen seien “gewaltig”.
Ihr sei es ernst mit der Entbürokratisierung – dieser sei im Koalitionsvertrag ein ganzer Abschnitt gewidmet, erinnerte sie. Dazu gehöre etwa die Einführung einer Bagatellgrenze bei Wirtschaftlichkeitsprüfungen bis hin zur Überprüfung der Verwaltungsverfahren in Krankenhäusern.
Warken versprach, sie werde die Entbürokratisierungsvorschläge der Selbstverwaltung aufgreifen. “Wir wollen nicht nur eine neue Vertrauenskultur etablieren, sondern die Eigenständigkeit und Eigenverantwortlichkeit der Gesundheitsberufe ausbauen”.
Idee: Schnellere Facharzttermine
Es sei wichtig, “besonders achtsam” mit ärztlicher Arbeitszeit umzugehen – dies sei eine der kostbarsten Ressourcen in der Versorgung, die den Patienten zu Gute kommen müsse.
Um die ambulante Versorgung auf dem Land und der Stadt sicherzustellen, seien ganz neue Wege nötig. Die Einführung einer zielgerichteten Patientensteuerung durch Hausärzte als erste Ansprechpartner sei eine große Aufgabe. Diese sollen für eine schnellere Terminvergabe bei Fachärzten sorgen und so auch Doppeluntersuchungen vermeiden, so Warken. Es sei wichtig, diesen Reformprozess von Anfang an gemeinsam zu gehen.
Zuvor hatte Reinhardt die Termingarantie im Koalitionsvertrag als „weniger gut gelungene Passage im Koalitionsvertrag” kritisiert. Dies sei „Behandlungskoordination mit der Brechstange“.
Letzte Chance für neue GOÄ
Dass eine neue GOÄ auf der Agenda des Deutschen Ärztetags steht, begrüßte Warken. Es sein an der Zeit, dass eine GOÄ vorliege, die den neuesten Stand der Medizin abbilde. Konkret, sagte Warken, brauche man einen vollständig durchkalkulierten GOÄ-Vorschlag.
Am Donnerstag (29.5.) sollen die Delegierten des Deutschen Ärztetags über die zwischen BÄK und PKV-Verband konsentierte GOÄ-Novelle abstimmen. Am Dienstag (27.5.) appellierte der Hausärztinnen- und Hausärzteverband erneut eindringlich, dem Entwurf der neuen GOÄ zuzustimmen.
“Dieser Ärztetag ist unsere letzte Chance auf eine moderne GOÄ! Wenn wir als Ärzteschaft jetzt nicht ein klares Zeichen senden, werden weder die PKV noch die Politik handeln – dann wäre die GOÄ-Reform de facto gescheitert! Jetzt liegt es an uns, die Weichen für eine moderne und transparentere privatärztliche Versorgung zu stellen”, mahnten die beiden Bundesvorsitzenden des Verbandes, Dr. Markus Beier und Prof. Dr. Nicola Buhlinger-Göpfarth.