Wir schreiben das Jahr 2008. Das deutsche Gesundheitssystem ist geprägt von gleichzeitiger Über-, Unter- und Fehlversorgung. Dass ein “Weiter so” nicht mehr geht, ist bereits heute vielen klar. In Baden-Württemberg sucht man nach einer Lösung: Es ist die Geburtsstunde der Hausarztzentrierten Versorgung (HZV).
Seit Beginn der HZV in besagtem Mai 2008 haben sich bundesweit mehr als zehn Millionen Versicherte für die Teilnahme an dieser besonderen Versorgungsform entschieden. “Die HZV ist schon lange kein Regionalprojekt mehr”, betont Prof. Nicola Buhlinger-Göpfarth, Bundesvorsitzende des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes.
Die Hausärztin aus Pforzheim hat die Anfänge der HZV im Landesverband eng begleitet. “Heute ist die HZV eine bundesweite Erfolgsstory, die aus der Versorgung nicht mehr wegzudenken ist.”
Evaluation belegt Vorteile
Mit dem Paragrafen 73b im Sozialgesetzbuch V hat die Politik die gesetzliche Grundlage für die HZV geschaffen. Darin werden die gesetzlichen Krankenkassen dazu verpflichtet, ihren Versicherten die Teilnahme an der HZV anzubieten.
Wissenschaftliche Evaluationen zeigen die Versorgungsvorteile, die sich dadurch für Praxen und Versicherte bieten [1]. So wird die HZV seit ihrem Start durch die Universitäten Frankfurt und Heidelberg begleitet und evaluiert.
Hierbei zeigt sich, dass Patientinnen und Patienten, die an der HZV teilnehmen, von einer besseren und koordinierten Versorgung profitieren, während teilnehmende Hausärztinnen und Hausärzte fair vergütet und von Bürokratie entlastet werden – eine Blaupause für die Versorgung von morgen.
Weiteres Wachstum in Sicht
“Die HZV ist der Rettungsanker der hausärztlichen Versorgung”, sagt Buhlinger-Göpfarth. “Und nicht nur das: Sie ist auch der wichtigste Innovationsmotor, den wir in unserem Gesundheitssystem haben.”
Ein Beispiel ist der Zuschlag für klimaresiliente Versorgung, den die AOK Baden-Württemberg seit Oktober 2023 entsprechend fortgebildeten Praxen zahlt, oder das Konzept HÄPPI – Hausärztliche Primärversorgung Interprofessionell (siehe Artikel “HZV über Generationen“).
Nicht nur bei den mehr als 16.000 teilnehmenden Praxen, sondern auch in der Politik ist die HZV mittlerweile eine feste Größe. Sowohl der Sachverständigenrat als auch der Deutsche Ärztetag empfehlen ihren Ausbau [2, 3].
Nicht zuletzt mit dem Vorhaben der neuen Regierung, ein verpflichtendes Primärarztsystem zu schaffen, wird dies neue Relevanz gewinnen: Denn damit haben Versicherte künftig die Wahl zwischen einem Primärarztsystem, das in einem bis dato unerprobten Kollektivvertrag neu aufgesetzt wird, und der HZV, die bereits heute erfolgreich gelebt wird.
Aus den zehn Millionen HZV-Versicherten könnten damit schon bald deutlich mehr werden.