Zur Steuerung der Arzneimittelausgaben werden regelmäßig Zielquoten (Wirtschaftlichkeitsziele) zwischen den Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) und den gesetzlichen Krankenkassen vereinbart.
Mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz wurde die bundeseinheitliche Richtgrößenprüfung im Arznei- und Heilmittelbereich zum 1. Januar 2017 durch regionale Vereinbarungen abgelöst. Seither gewinnen Zielquoten zur Steuerung der Arzneimittelausgaben zunehmend an Bedeutung.
So erfolgt in einigen KV-Regionen (z. B. Bayern, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern) die statistische Auffälligkeitsprüfung auf Basis der Zielquoten [1-3].
In anderen KV-Regionen wird zwar weiterhin eine Richtgrößenprüfung durchgeführt, die Einhaltung der zusätzlich vereinbarten Zielquoten wirkt sich jedoch günstig auf eine mögliche Wirtschaftlichkeitsprüfung aus. So kann beispielsweise in Sachsen-Anhalt die Einhaltung der Zielquoten zur Befreiung von der Richtgrößenprüfung führen [4].
Auch bei anderen statistischen Auffälligkeitsprüfungen – wie z. B. der Durchschnittswerteprüfung der KVen Niedersachsen und Nordrhein – wirkt sich die Einhaltung der Zielquoten prüfbefreiend aus [5, 6].
Ärzte orientieren sich weitgehend an den Zielquoten
Nach einer Umfrage des DeutschenArztPortals gehen Ärzte sehr unterschiedlich mit den Zielquoten in ihrer KV-Region um. Während einige Teilnehmer angaben (14 Prozent), dass ihnen die für sie geltenden Zielquoten gar nicht bekannt seien, nimmt ein großer Teil der Befragten (41 Prozent) Zielquoten bei ihren Verordnungen zur Orientierung.
Ein nicht unerheblicher Anteil der Teilnehmer (12 Prozent) strebt sogar eine Übererfüllung der Zielquoten an (Abb. 1).
Welche Verordnungen sind betroffen?
Die Vereinbarung von Wirtschaftlichkeitszielen ist gemäß § 84 Abs. 1 SGB V in allen KV-Regionen verpflichtend. Die Zielquoten können sich nicht nur in ihrer Relevanz bezüglich einer möglichen Wirtschaftlichkeitsprüfung, sondern auch in ihrer Höhe und den betroffenen Arzneimittelgruppen deutlich unterscheiden.
In den meisten KV-Regionen gelten fachgruppenspezifische Zielquoten (s. Tab. 1), während in nur wenigen KV-Regionen allgemeine Zielquoten für alle Ärzte vereinbart wurden (z. B. Bremen, Hessen) [7,8].
Zielquoten werden vorrangig für besonders kostenintensive oder häufig verordnete Arzneimitteltherapien festgelegt. So gelten bei Biologika in vielen Fällen bereits kurz nach der Einführung eines Biosimilars entsprechende Mindestquoten (s. Tab. 2).
Insbesondere für den hausärztlichen Versorgungsbereich werden vielfach allgemeine Generika-Mindestquoten (s. Tab. 1) und Quoten zum KBV-Medikationskatalog vereinbart. Zielquoten zum KBV-Medikationskatalog gibt es beispielsweise in Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Sachsen und Thüringen [5, 9-11].
Darüber hinaus sind auch Maximalquoten möglich. Sie gelten z. B. für Verordnungen mit Aut-idem-Kreuz oder bei der Verordnung von Opioiden (z. B. für Hausärzte in Rheinland-Pfalz) [12].
Zielquoten und ihre Relevanz in den einzelnen KV-Regionen
Die Bedeutung der Zielquoten unterscheidet sich in den verschiedenen KV-Regionen erheblich (Tab. 3).
Dies soll im Folgenden genauer erläutert werden:
Zielquoten als Prüfgegenstand
In einigen KV-Regionen, wie z. B. Bayern, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern, erfolgt die statistische Auffälligkeitsprüfung nach Zielquoten (in Bayern und Hamburg als “Wirkstoffprüfung” bezeichnet) [1-3].
Ihre Einhaltung ist demzufolge von entscheidender Bedeutung. Nicht erreichte Ziele können teilweise durch Übererfüllung anderer Ziele ausgeglichen werden. Dies ist beispielsweise in Bayern der Fall [1].
Für bestimmte Arztgruppen findet auch in Sachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen eine Prüfung nach Zielquoten statt:
- In Sachsen wird diese beispielsweise bei Allgemeinmedizinern und hausärztlichen Internisten durchgeführt. Andere Fachgruppen (z. B. Gynäkologen und Dermatologen) werden nach Richtgrößen geprüft [10].
- In Schleswig-Holstein wird nach Zielquoten geprüft, sofern von der Zielvereinbarung ein ausreichender Anteil der Verordnungen abgedeckt wird. Andernfalls wird eine Prüfung auf der Basis von Morbidity Related Groups (MRG) durchgeführt. Werden die Zielquoten erfüllt, findet keine weitere Auffälligkeitsprüfung statt [13].
- In Thüringen werden die meisten Arztgruppen (u. a. Allgemeinmediziner) nach Zielquoten geprüft. Nur bei wenigen Arztgruppen – mit geringen Verordnungsanteilen innerhalb der Arzneimittelgruppen mit Zielquoten – wird stattdessen eine Gesamtreferenzfallwert-Prüfung durchgeführt [11, 14].
Zielquoten zur Prüfbefreiung
In bestimmten KV-Regionen kann die Erfüllung der Zielquoten zur Befreiung von einer statistischen Auffälligkeitsprüfung führen, sodass ihre Einhaltung auch dort besonders empfehlenswert ist. Diese Regelung gilt für Niedersachsen, Nordrhein, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Westfalen-Lippe [4-6, 12, 13, 15, 16].
In Sachsen-Anhalt und Westfalen-Lippe ist beispielsweise zur Prüfbefreiung bereits die Einhaltung eines definierten Anteils der Zielquoten ausreichend.
So müssen Hausärzte in Sachsen-Anhalt nur sieben von zehn Zielquoten erfüllen, um sich von der Richtgrößenprüfung zu befreien [4]. In Westfalen-Lippe handelt es sich dabei um vier von sechs Zielquoten [16].
Abzug der Arzneimittelgruppe vom Verordnungsvolumen
Bei genauer Betrachtung lohnt sich die Einhaltung der Zielquoten auch in anderen KV-Regionen: So kann beispielsweise ein Abzug der Kosten der jeweiligen Arzneimittelgruppe vom Verordnungsvolumen erreicht werden, sodass das Arzneimittelbudget entlastet wird.
Diese Regelung gilt für bestimmte KV-Regionen, in denen nach Richtgrößen, Richtwerten oder Durchschnittswerten geprüft wird. Dazu gehören Berlin, Brandenburg, Saarland sowie Sachsen bei den Arztgruppen, die nach Richtgrößen geprüft werden, und Thüringen bei den Arztgruppen, die nach Gesamtreferenzfallwerten geprüft werden [10, 14, 17-19].
Zielquoten als Orientierung
Nur in wenigen KV-Regionen dienen Zielquoten vorrangig als Orientierung bzw. wird ihre Bedeutung nicht genau definiert:
- In Baden-Württemberg unterliegt die Einhaltung der Zielquoten keiner gesonderten Prüfung. Die Zielquoten dienen aber als Hilfestellung zur Einhaltung der Arzneimittel-Richtwerte [20].
- Ähnlich verhält es sich in Bremen: Zwar sind Zielquoten vereinbart, geprüft wird jedoch nach wirkstoffbezogenen Durchschnittswerten. Die Auswirkungen der Zielerreichung werden dabei nicht eindeutig thematisiert [7, 21].
- In Hessen wird aktuell nach Durchschnittswerten geprüft, wobei auf die Einhaltung der Zielquoten nicht genauer eingegangen wird. Langfristig ist aber der Übergang zu einer Prüfung nach Zielquoten geplant [22].
Fazit
Zielquoten bestehen in allen KV-Regionen, unterscheiden sich aber zum Teil deutlich in Art, Umfang und Höhe. Laut einer Umfrage des DeutschenArztPortals nehmen 41 Prozent der Ärzte Zielquoten bei ihren Verordnungen als Orientierung.
Dies ist durchaus zu empfehlen, da Zielquoten in vielen KV-Regionen den Prüfgegenstand darstellen, für eine Prüfbefreiung sorgen oder zumindest das Arzneimittelbudget entlasten können.
Literatur:
- Kassenärztliche Vereinigung Bayerns: Wirkstoffvereinbarung 2020 inklusive Nachträge
- Kassenärztliche Vereinigung Hamburg: Wirkstoffvereinbarung 2022
- Kassenärztliche Vereinigung Mecklenburg-Vorpommern: Prüfvereinbarung 2018
- Kassenärztliche Vereinigung Sachsen-Anhalt: Arzneimittelvereinbarung 2022
- Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen: Arzneimittelvereinbarung 2022
- Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein: Arzneimittelvereinbarung 2022
- Kassenärztliche Vereinigung Bremen: Arzneimittelvereinbarung 2022
- Kassenärztliche Vereinigung Hessen: Arzneimittelvereinbarung 2022
- Kassenärztliche Vereinigung Mecklenburg-Vorpommern: Arzneimittelvereinbarung 2021
- Kassenärztliche Vereinigung Sachsen: Arzneimittelvereinbarung 2022
- Kassenärztliche Vereinigung Thüringen: Arzneimittelvereinbarung 2022
- Kassenärztliche Vereinigung Rheinland-Pfalz: Arzneimittelvereinbarung 2022
- Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein: Prüfvereinbarung 2017
- Kassenärztliche Vereinigung Thüringen: Prüfvereinbarung 2021
- Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein: Zielvereinbarung 2022
- Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe: Arzneimittelvereinbarung 2022
- Kassenärztliche Vereinigung Berlin: Prüfvereinbarung 2020
- Kassenärztliche Vereinigung Brandenburg: Prüfvereinbarung 2019
- Kassenärztliche Vereinigung Saarland: Arzneimittelvereinbarung 2022
- https://www.kvbawue.de/praxis/verordnungen/arzneimittel/zielvereinbarungen/; abgerufen am 19.05.2022
- Kassenärztliche Vereinigung Bremen: Prüfvereinbarung 2020
- Kassenärztliche Vereinigung Hessen: Prüfvereinbarung 2017
