Berlin. Über 100 Milliarden Euro verschlingt der Krankenhaussektor, im Finanzhaushalt des Bundes sind für 2026 noch mehr Milliarden für Kliniken vorgesehen. Dabei übernimmt der stationäre Sektor nur einen Bruchteil der Versorgung, erinnerte KBV-Vorstandsvorsitzender Dr. Andreas Gassen am Freitag (12.9.25) vor der KBV- Vertreterversammlung (VV).
Obwohl der ambulante Bereich derjenige sei, in dem 97 Prozent der Versorgung stattfinde, sei die niedergelassene Ärzteschaft einem stetigen “Bashing” ausgesetzt.
Mit der jüngsten Forderung des GKV-Vorstandsvorsitzenden Oliver Blatt, der etwa eine Rückkehr zur Budgetierung sämtlicher vertragsärztlicher Untersuchungen und Behandlungen vorgeschlagen hatte, sei eine “weitere Eskalationsstufe” erreicht, kritisierte Gassen.
Honorarverhandlungen “hart, aber fair”
“Ist wirklich kein Geld da oder wird es nur falsch ausgegeben?”, fragte Gassen provokant und erinnerte daran, dass der Anteil an den GKV-Gesamtausgaben für die ambulante Versorgung lediglich bei 16 Prozent liege.
Für die Krankenhäuser hingegen würden mittlerweile über 100 Milliarden Euro zu Buche schlagen und damit rund ein Drittel der GKV-Gesamtausgaben, so Gassen weiter.
Auf der anderen Seite lobte Gassen die derzeit laufenden Honorarverhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband unter der Leitung von Stefanie Stoff-Ahnis, die bislang hart, aber sachlich verlaufen seien.
Einigung am 17.9. erwartet
Die KBV habe für 2026 eine Erhöhung des Orientierungspunktwertes von 5,52 Prozent gefordert, geboten hätten die Krankenkassen zunächst lediglich 1,06 Prozent. Gassen zeigte sich zuversichtlich, dass kommende Woche Mittwoch (17.9.) im Bewertungsausschuss eine Einigung ohne Schlichterspruch erzielt werden könne.
Die kontinuierlichen Benachteiligungen, die dem ambulanten Sektor zugemutet würden, zeigen sich auch darin, so KBV-Vorstandsmitglied Sybille Steiner, dass ausgerechnet die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte mit Sanktionen rechnen müssten, wenn sie zum Beispiel ab Oktober nicht die elektronische Patientenakte (ePA) befüllen würden.
Dies sei teils aber gar nicht möglich, weil einige PVS-Hersteller immer noch nicht in der Lage seien, den Praxen ein ePA-Modul zu liefern.
Keine Sanktionen für Kliniken
Ein Großteil der Praxen sei dennoch ePA-ready – ganz im Gegensatz zu den Kliniken. Nur neun Prozent haben angegeben, ab Oktober die ePA befüllen zu können, erklärte Steiner.
Größtenteils müssten Praxen sogar noch Faxgeräte vorhalten, weil die Krankenhäuser nicht in der Lage seien, auf digitalem Wege zu kommunizieren. Sanktionen müssten Krankenhäuser oder Pflegeheime ab 2026 deswegen nicht fürchten – ganz im Gegensatz zu den Praxen.
Während die Niedergelassenen die Digitalisierung mit großen Schritten vorantreiben und viel Zeit und Geld dafür investieren, sollen Kliniken weitere Milliarden Euro für die Digitalisierung erhalten, kritisierte Steiner.
TI: Nach wie vor Störungsmeldungen
Dabei lasse die Betriebsstabilität der Telematikinfrastruktur (TI) in den Praxen nach wie vor zu wünschen übrig, so Steiner weiter. Kontinuierlich gebe es Störungsmeldungen aus den Praxen, weil einzelne Komponenten oder gar die ganze TI nicht funktioniere. Die Gematik dürfe bei der Betriebsverantwortung nicht nur moderieren und sich aus der Verantwortung stehlen.
Beim Bürokratieabbau müsse die Bundesregierung nun ebenfalls endlich ins Handeln kommen. Das Urteil des Bundessozialgerichts, nach dem ein Arzt wegen eines Formfehlers zu einem Regress in Höhe von knapp einer halben Millionen Euro verurteilt wurde, nannte Steiner “empörend”.
Der Arzt hatte über mehrere Quartale die Sprechstundenverordnungen nicht selbst unterschrieben, sondern mit einem eigens angefertigten Stempel versehen.
Urteil schreckt Nachwuchs ab
“Solche Entscheidungen erweisen jedem Werben um junge Ärztinnen und Ärzte für die Niederlassung einen Bärendienst”, erklärte Steiner, die forderte: “Kein finanzieller Schaden – kein Regress!”
Auch die im Koalitionsvertrag versprochene Bagatellgrenze für Wirtschaftlichkeitsprüfungen müsse nun endlich kommen.
Diesen Sommer, erklärte Steiner, habe ein großes Pharmaunternehmen erstmals einen vertraulichen Erstattungsbeitrag mit dem GKV-Spitzenverband vereinbart. Bei derartigen Verordnungen dürften Ärztinnen und Ärzte, die die Preise nicht kennen, nicht mehr für die Kosten haftbar gemacht werden.
Einstimmig angenommen
Entsprechende Anträge dazu stimmte die KBV-VV ab: etwa “Kein Regress ohne Schaden” des KBV-Vorstands, der sich auf das BSG-Urteil bezog, oder die “Abschaffung von Regressverfahren bei Arzneimittelverordnungen” der Bundesvorsitzenden des Hausärztinnen- und Hausärzteverbands Prof. Dr. Nicola Buhlinger-Göpfarth gemeinsam mit Dr. Michael Hubmann, Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte. Die Anträge wurden einstimmig angenommen.