Berlin/Köln. Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) kommt in einer aktuellen Bewertung zu dem Schluss: Ein Zusatznutzen von Lecanemab (Handelsname Leqembi®) gegenüber dem bisherigen Therapiestandard in Deutschland ist nicht belegt.
Für Betroffene mit leichter kognitiver Störung hatte der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) „beobachtendes Abwarten“ als zweckmäßige Vergleichstherapie festgelegt, auch weil es für diese Gruppe noch keine zugelassenen Arzneimittel gibt. Für Betroffene mit leichter Alzheimer-Demenz ist die Behandlung mit Acetylcholinesterase-Inhibitoren der derzeitige Therapiestandard.
Anderes statistisches Verfahren
Kritik gibt es aber an der Auswahl der Daten, auf denen die Bewertung des Instituts beruht: Er schätze das IQWiG sehr, sehe den aktuellen Report aber kritisch, sagte beispielsweise der Neurologe Prof. Jörg Schulz von der Uniklinik der RWTH Aachen. So hatte das Institut ein anderes Berechnungsverfahren als die EU-Zulassungsstudie verwendet, um den Nutzen von Lecanemab zu ermitteln, das Schulz als nicht geeignet für diesen Fall ansieht. Er kritisierte zudem Aspekte der Gruppeneinteilung.
“Unsere Bewertung stützt sich auf bislang unveröffentlichte Daten, die der Hersteller in seinem Dossier vorlegen musste”, so Daniela Preukschat vom IQWiG-Ressort Arzneimittelbewertung. “Die Daten lassen allerdings noch einige Fragen offen, da weitere relevante Informationen im Dossier fehlten”, räumt sie ein.
Preukschat betonte, dass die Fragestellung der Zulassung eine andere sei als die der Nutzenbewertung: Das IQWiG habe sich nur die Patienten in der Studie angeschaut, die auch gemäß dem deutschen Therapiestandard behandelt wurden. Die positiven Effekte von Lecanemab in der Gesamtpopulation der zur Zulassung genutzten Studie “gehen vor allem auf Patienten und Patientinnen zurück, die eben nicht nach deutschem Therapiestandard behandelt wurden”.
Laut IQWiG ist zudem auffällig, dass die Lecanemab-Zulassungsstudie CLARITY AD “die wichtige Frage einer Überlegenheit von Lecanemab gegenüber den Acetylcholinesterasehemmern bei leichter Alzheimer-Demenz gar nicht untersucht hat.” Durch das Studiendesign sei lediglich die Zusatztherapie von Lecanemab bei bereits bestehender Behandlung mit Acetylcholinesterasehemmern untersucht worden, nicht aber die Monotherapie von Lecanemab im Vergleich mit Acetylcholinesterasehemmern. Eine wesentliche Frage der Versorgung werde daher von der CLARITY-AD-Studie gar nicht adressiert.
G-BA-Entscheidung zu Lecanemab im Februar geplant
Die EU-Kommission hatte Lecanemab im April für die Therapie der Alzheimerkrankheit im Frühstadium zugelassen, seit 1. September ist es in Deutschland auf dem Markt. Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen bis zu sechs Monate nach Markteintritt den Herstellerpreis für das Medikament.
Ab Markteintritt läuft ein Nutzungsbewertungsverfahren, bei dem der IQWiG-Report eine bedeutende Rolle spielt. Die maßgebliche Bewertung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) über das Ausmaß des Zusatznutzens ist für Februar geplant. Diese ist die Entscheidungsgrundlage dafür, wie viel die gesetzlichen Krankenversicherungen für ein neues Arzneimittel mit einem neuen Wirkstoff zahlen.
In Deutschland ist neben Lecanemab ein zweites Medikament zur Therapie bei leichter Alzheimerdemenz oder milden kognitiven Einschränkungen (MCI) zugelassen: Der Antikörper Donanemab. Die Nutzenbewertung des IQWiG für Donanemab läuft derzeit. Beide Antikörper kommen aber nur für sehr wenige Alzheimer-Patientinnen und -Patienten infrage. Zu einer Heilung führen weder Lecanemab noch Donanemab, sie können lediglich das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen.
Quelle: dpa/red
