AbrechnungAgoraphobie: DiGA unterstützt während Wartezeit auf Psychotherapie

Dr. Heiner Pasch

2 Min.
1. Juni 2025
HA 10/25

Ob Ernährung, Gewichtsabnahme, psychotherapeutische Erkrankungen: Zur Unterstützung der Betroffenen gibt es diverse Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA). So wird abgerechnet.

DiGA können helfen, Wartezeiten auf Therapieplätze zu überbrücken.

Kasuistik

Anamnese: Frau A.*, 29 Jahre alt, leidet seit Jahren unter Agoraphobie mit Schweißausbruch und Herzrasen. Nachdem sie sich viele Jahre mit der Situation arrangiert hatte, hat sie jetzt beschlossen, dagegen etwas zu unternehmen. Der Grund ist ein Jobwechsel, wobei sie in Zukunft häufiger an Großveranstaltungen in geschlossenen Räumen teilnehmen muss. Nachdem viele Versuche, einen Termin bei einem Psychologen zu bekommen, fehlgeschlagen sind, sucht sie deshalb zunächst ihre Hausärztin auf. Bei Frau A. ist seit acht Jahren eine Hypothyreose nach Hashimoto-Thyreoiditis bekannt, die mit L-Thyroxin behandelt wird; ansonsten keine chronischen Erkrankungen. Frau A. ist gelernte Betriebswirtin mit Schwerpunkt Personalentwicklung; sie joggt regelmäßig, ist Nichtraucherin und trinkt nur selten Alkohol.

Befund: Normgewichtige Patientin in gutem AZ (BMI 22,4 kg/m2 KOF). Blutdruck 125/75 mmHg, Herzfrequenz 72/min. Neurologisch keine Reiz- oder Ausfallserscheinungen, allseits orientiert. Psychisch ist Frau A. stabil, im Gespräch keine Wahnvorstellungen. Stimmung unauffällig, Antrieb ungestört. Lediglich bei Ansprechen ihrer Angstsymptomatik zeigen sich rote Flecken am Hals.

Diagnose, Therapie und weiteres Procedere: Die Hausärztin, die eine Genehmigung zur Verhaltenstherapie besitzt, diagnostiziert nach ausführlicher Anamnese und Untersuchung das klassische Bild einer Agoraphobie (ICD-10-GM: F40.00G). Auch sie hatte bei der Terminsuche für ihre Patientin bei einem Psychologen nur wenig Erfolg – ein erster Termin wurde in drei Monaten vereinbart. Um ihrer Patientin dennoch zu helfen, empfahl sie Frau A., es zunächst mit einer Digitalen Gesundheitsanwendung (DiGA) zu versuchen, und sie verordnete die DiGA “Invirto”. Bei weiteren Konsultationen nach vier und acht Wochen berichtete die Patientin, dass die Anwendung der DiGA erste Erfolge zeige und die Ängste rückläufig seien. Sie wolle aber dennoch den Termin beim Psychologen in Anspruch nehmen. Sechs Monate nach dem ersten Kontakt berichtete sie ihrer Ärztin, dass die Ängste bei den letzten Veranstaltungen nicht mehr aufgetreten seien.

* fiktive Person

DiGA können helfen, Wartezeiten auf Therapieplätze zu überbrücken (s. Kasten oben). Bei der Abrechnung ist auch entscheidend, ob sie dauerhaft oder vorübergehend ins DiGA-Verzeichnis aufgenommen wurden.

EBM

Beim ersten Kontakt Abrechnung der 03000 sowie der 03220. In weiteren Kontakten dann mehrfach die 03230, nachdem eine psychosomatische Störung ausgeschlossen wurde (35100). Beim Kontakt nach acht Wochen konnte die Hausärztin dann die 01474 für die Verlaufsbeobachtung der DIGA “Invirto” abrechnen.

GOÄ

Nach Abrechnung der Nrn. 3, 800 und 7 GOÄ in der ersten Sitzung rechnete die Hausärztin dann beim nächsten Termin die Erhebung des aktuellen psychischen Befundes analog mit der Nr. 801 ab und der Empfehlung einer psychotherapeutischen Behandlung. Die Verordnung der DiGA “Invirto” war mit der Nr. A 804 abrechenbar.

HZV

In keinem der Hausarztverträge in Westfalen-Lippe (AOK, BKK/IKK, EK, IKKclassic, Knappschaft, LKK, TK) sind die Positionen der DiGA-Verlaufskontrollen (EBM 01471 bis 01478) enthalten. Sie müssen somit gesondert über die zuständige KV abgerechnet werden.

Schwerpunkt: Abrechnung von DiGA – Verordnung und Verlaufsbeobachtung

Während im ersten Jahr (2020) ca. 10.000 DiGA verordnet wurden, stieg die Zahl 2024 auf geschätzt über 450.000. Circa 28 Prozent der hausärztlich verordneten DiGA betrafen dabei solche bei psychischen Indikationen.

GKV-Abrechnung

Bei GKV-Versicherten ist inzwischen bis auf eine Ausnahme nur die Verlaufskontrolle abrechenbar; lediglich bei der DiGA “Mawento” (Indikation: Krankheiten der Patella) ist nur die Auswahl und Individualisierung von Übungen abrechenbar. Die Abrechnung erfolgt bei dauerhaft ins DiGA-Verzeichnis aufgenommenen DiGA mit den EBM-Nrn. 01471 bis 01478, bei aktuell drei vorübergehend ins Verzeichnis aufgenommenen DiGA mit der Pauschale 86700.

Die Bewertung ist bei den EBM-Nrn. mit 64 Punkten immer dieselbe (aktuell 7,93 Euro), die Pauschale 86700 wird ebenfalls mit 7,93 Euro honoriert.

GOÄ-Abrechnung

Zur Abrechnung bei Verordnung von DiGA gibt es in der GOÄ inzwischen zwei analoge Möglichkeiten:

Zum einen seit Mai 2020 die analoge Abrechnung der Nr. A 76 (70 Punkte) für die Verordnung und Einweisung von DiGA und
zweitens seit Juli 2024 die analoge Abrechnung der Nr. A 804 (150 Punkte) bei Einsatz einer DiGA bei psychotherapeutisch-psychiatrischer Indikation.

Quellen: