Hausärzte können die Versorgung ihrer Patienten in der Hausarztzentrierten Versorgung (HZV) ohne unnötige und die Versorgung belastende Einschränkungen fortsetzen. Dafür sorgen Änderungen am Fairer-Kassenwettbewerb-Gesetz (FKG), die nur wenige Tage vor dessen Verabschiedung Mitte Februar aufgenommen wurden. Nach dem Willen des Gesetzgebers bleibt es damit bei dem schon 2017 mit dem Gesetz zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung (HHVG) eingeführten Grundsatz: kein Geld für bestimmte Diagnosen. Über Monate hatte der Deutsche Hausärzteverband betont, dass die seither geltenden Regelungen zur Unzulässigkeit von Diagnosevergütungen ausreichen und in der Vertragspraxis wirken; einer Verschärfung dieser Regelungen bedürfe es nicht.
Diagnosen bleiben aber Gegenstand der Abrechnung von erbrachten Leistungen, so wie es auch an anderer Stelle im Fünften Sozialgesetzbuch vorgeschrieben ist (Paragraf 295 SGB V). Sie können auch als sogenannte Einschlusskriterien für die Teilnahme von Patienten an bestimmten Vertragsbestandteilen vereinbart werden. Gleiches gilt für die Verträge zur besonderen Versorgung nach Paragraf 140a SGB V.
Darüber hinaus konnte in der letzten Stufe der Gesetzgebung abgewendet werden, dass Zuweisungen aus dem Morbi-RSA nach hausärztlicher Diagnose im Vergleich zur fachärztlichen herabgestuft werden. Während des gesamten parlamentarischen Verfahrens – bereits im Oktober gab das Kabinett grünes Licht für das FKG – hat sich der Deutsche Hausärzteverband gegen diese vorgesehenen Neuregelungen gestemmt. Das Gesetz sollte letzten Angaben zufolge im Frühjahr 2020 in Kraft treten, die neuen Auflagen für die Kassen könnten ab 2021 wirksam sein.
Ziel: Fairer Morbi-RSA
Zur Erinnerung: Die Grundidee des FKG ist, einen gerechteren Wettbewerb zwischen den Kassen sicherzustellen. Dazu soll unter anderem der Finanzausgleich unter ihnen – der morbiditätsorientierte Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA), der die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds regelt – besser vor Manipulationen geschützt werden. Zwischenzeitlich war dafür eine Formulierung im Gesetz zu finden, dass “bestimmte Diagnosen als Voraussetzung für Vergütungen” unzulässig seien. Das hätte auch Haus- und Facharztverträge nach den Paragrafen 73 b und 140 a SGB V betroffen, was vor allem der Deutsche Hausärzteverband sowie einige Kassen deutlich kritisiert haben.
Denn: In der HZV und in Selektivverträgen müssen zur zielgenauen Behandlung Diagnosen möglichst genau beschrieben werden. Auch der AOK-Bundesverband warnte daher, das Totalverbot einer Verknüpfung von Diagnose und Vergütung beschädige nicht zuletzt den Wettbewerb zwischen selektiv- und kollektivvertraglicher Versorgung. Ulrich Weigeldt, Bundesvorsitzender des Deutschen Hausärzteverbands, attestierte dem Gesetzentwurf zuletzt in einer Anhörung im Gesundheitsausschuss des Bundestags im Dezember “handwerkliche Mängel”.
Feinschliff für mehr Praxisnähe
Dieser “stete Tropfen” hatte schließlich Erfolg: Kurz vor der Verabschiedung des Gesetzes haben sich Union und SPD auf praxistaugliche Nachjustierungen geeinigt. In dem finalen Änderungsantrag haben sich die Koalitionäre darauf verständigt, es beim Status quo zu belassen. “Die bislang enthaltenen Regelungen zur Neuformulierung des Verbots der Diagnosevergütung werden gestrichen”, hieß es. Den Status Quo geschaffen hatte das HHVG, was der Deutsche Hausärzteverband begrüßte.
Das FKG ist dabei ein Paradebeispiel, wie fließend Gesetzgebung sein kann: Bereits die Kabinettsfassung hatte deutliche Änderungen im Vergleich zum ersten Referentenentwurf gezeigt. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte im vergangenen Jahr damit auf den Widerstand aus den Ländern reagiert und war von seinem Vorhaben, die Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) bundesweit zu öffnen, abgewichen. Zudem konnte im letzten Schritt der Gesetzgebung eine weitere “Belastung” für die HZV abgewendet werden: So hatte das Ministerium die Weichen für unterschiedlich hohe Zuweisungen aus dem Morbi-RSA für haus- und fachärztliche Diagnosen gestellt und zwar in Form eines entsprechenden Prüfauftrags an das Bundesamt für Soziale Sicherung, vormals Bundesversicherungsamt. Das Ziel: Zuweisungen aus dem Morbi-RSA nach hausärztlicher Diagnose im Vergleich zur fachärztlichen herabzustufen. Auch diese Formulierung wurde letztlich aus dem Gesetz gestrichen. Unterdessen sieht das Gesetz ein neues Instrument in Sachen HZV und Selektivverträge vor: Eine bundesweite Vergabetransparenzstelle soll künftig Daten aus dieser sammeln und speichern, um den Finanzausgleich zwischen den Kassen mit ihrer Hilfe zielgenauer zu gestalten. Hier könnten sich künftig – neben der bestehenden universitären Evaluation der HZV – auch positive Versorgungseffekte nachweisen lassen.
Neues bei Rabatt-Arzneien
Angedockt an das FKG will die Koalition auch Lieferengpässe bei Arzneimitteln angehen (s. oben).
Wichtig für Hausärzte: Das Ärgernis nicht lieferbarer rabattierter Medikamente soll gemildert werden, indem Apotheker künftig berechtigt sind, in solchen Fällen ein wirkstoffgleiches Arzneimittel auch dann abzugeben, wenn dieses nicht rabattiert ist. Das soll auch dann gelten, wenn das Präparat nicht zum Festbetrag verfügbar ist. Die Mehrkosten, für die bisher der Versicherte aufkommen musste, soll künftig die Krankenkasse tragen.
Lieferengpässe im Visier
Das FKG adressiert auch das in Hausarztpraxen immer öfter aufschlagende Problem der Arzneimittel-Lieferengpässe (“Der Hausarzt” 1/20). Dazu sieht es folgende Schritte vor:
- Verbindliche Meldepflicht von Lieferengpässen in der ambulanten Versorgung: Bislang besteht die Meldepflicht nur im Krankenhausbereich.
- Mehr Transparenz im Arzneimittelmarkt: Die beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) stattfindenden „Jour fixes“ sollen gestärkt und erweitert werden.
- Feste Definition versorgungsrelevanter Wirkstoffe: Hier soll das BfArM erweiterte Kompetenzen erhalten. Langfristiges Ziel ist es, ein System für eine nationale Arzneimittelreserve zu finden.
- Änderungen bei Rabattarzneien: Apotheken sollen, wenn rabattierte Arzneimittel nicht verfügbar sind, automatisch ein nicht-rabattiertes Arzneimittel an den Patienten abgeben können. An den umstrittenen Rabattverträgen jedoch sind keine Änderungen vorgesehen.
Mitarbeit: Jana Kötter