Berlin. Der EU-Rat der Innen- und Justizminister wollte eigentlich am kommenden Dienstag (14. Oktober) final über neue Durchsuchungsregeln für Online-Plattformen wie WhatsApp oder Signal abstimmen – doch dazu wird es nun nicht kommen. Die dänische EU-Ratspräsidentschaft habe Abstand von der Abstimmung über ihren Vorschlag genommen, erklärten Vertreterinnen aus dem Bundesinnen- und dem Bundesjustizministerium am Mittwochnachmittag (8. Oktober) im Digitalausschuss des Bundestags.
Beide Häuser tragen den dänischen Vorschlag – ebenso wie viele andere EU-Staaten – in der Form nicht mit, erklärten beide Vertreterinnen und sprachen auch die in den vergangenen Tagen massenhaft versendeten E-Mails an Entscheidungsträger zu dem Thema an.
So hatte unter anderem der Innovationsverbund Öffentliche Gesundheit (InÖG), ein gemeinnütziger Verein, der sich für sichere digitale Infrastruktur im Bereich der öffentlichen Gesundheit einsetzt, gewarnt, dass durch das Vorhaben auch die Vertraulichkeit der digitalen Kommunikation mit Patientinnen und Patienten gefährdet sein könne.
IT-Experten: Kommunikation im Gesundheitswesen auch betroffen?
Denn die sogenannte Chatkontrolle würde mit einer entsprechenden Software auf dem Smartphone oder Computer den Inhalt von Nachrichten, Fotos und Videos direkt scannen, bevor diese verschlüsselt und verschickt werden. Der diskutierte Vorschlag sah vor, Bilder, Videos und URLs zu prüfen – reine Textnachrichten wären ausgenommen gewesen. Viele Fragen blieben dabei jedoch offen oder waren nicht eindeutig formuliert.
So war einzelnen IT-Experten zufolge etwa unklar, inwiefern Kommunikationsdienste im Gesundheitswesen wie KIM und TIM auch gescannt werden könnten, lautete eine Sorge. Bei TIM handelt es sich um einen Sofortnachrichtendienst innerhalb der TI, mit dem Ärzte in Echtzeit mit Patienten kommunizieren können.
Die Verordnung sah zwar Ausnahmen von der Überwachung vor, etwa wenn Nachrichten im Kontext der inneren Sicherheit verschickt werden oder das Berufsgeheimnis gefährdet ist – wie bei der Schweigepflicht von Ärztinnen und Ärzten. IT-Experten warnten an verschiedenen Stellen jedoch vor einem Dammbruch, der diese Grenzen dann womöglich nicht mehr einhalten würde.
Absage aus Deutschland
Als Grund für das Scheitern des Vorhabens gilt auch die deutsche Position. Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD) hatte dem Vorhaben eine klare Absage erteilt. Eine „anlasslose Chatkontrolle“ müsse in einem Rechtsstaat tabu sein, sagte sie. Auch die Union im Bundestag stellt sich gegen das Vorhaben.
Grundlage für die Verhandlungen auf EU-Ebene ist ein Vorschlag der EU-Kommission aus dem Jahr 2022. Ziel ist es, sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche im Netz zu bekämpfen.
Ob das Vorhaben zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal aufgegriffen wird – möglicherweise auch in modifizierter Form -, ist aktuell noch nicht klar.