© Tom Weller / HÄV BW Der Verband stellt für Praxen einen Leitfaden bereit, wie man HÄPPI wird.
Das Konzept hat eine patientenzentrierte hausärztliche Versorgung zum Ziel und setzt auf die interprofessionelle Zusammenarbeit mit anderen Gesundheitsberufen wie Primary Care Managerinnen (PCM) oder Physician Assistants (PA) unter dem Dach der Hausarztpraxis. Es bindet die Patientenperspektive, digitale Instrumente und die Kooperation mit weiteren Akteuren ein.
Von Juli bis Dezember 2024 haben zehn hausärztliche Praxisteams unterschiedlicher Größe die Wandlung in ein HÄPPI vollzogen und dabei wissenschaftlich evaluiert. Die Ergebnisse dieser Machbarkeitsstudie stellten die Co-Vorsitzenden des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes Baden-Württemberg sowie Prof. Attila Altiner vom Uniklinikum Heidelberg am Freitag (14.3.) in Stuttgart vor.
Drei Voraussetzungen
Die Befragungen haben demnach gezeigt, dass jede Praxis ein HÄPPI werden kann. „Der Wandel der Strukturen – also der Change etwa im Mindset – bedeutet aber Aufwand und muss begleitet werden“, ergänzt Buhlinger-Göpfarth. Damit das Konzept auch in der Fläche erfolgreich sein kann, braucht es aus Verbandssicht mehrere Voraussetzungen:
Praxen müssen finanziell befähigt werden, beispielsweise durch Zuschläge auf die Pauschalen in den Hausarztverträgen; eine wichtige Umstellung habe man in Baden-Württemberg mit der Definition des Praxis- statt des Arzt-Patienten-Kontakts bereits erreicht
Praxisteams müssen befähigt werden, die Vorgaben umzusetzen, zum Beispiel durch Fortbildungen zu Teamkommunikation, eine arbeitspsychologische Begleitung, ein Netzwerk zum Austausch mit anderen HÄPPI
Zudem braucht es in den Praxisteams selbst Motivation zur Veränderung. Das berichteten etwa drei der Pilotpraxen bei der Vorstellung der Studienergebnisse auf dem Hausärztinnen- und Hausärztetag.
Gespräche mit Kassen gestartet
Erleichternd wäre zudem, wenn die diversen Ausbildungsberufe und Studiengänge etwa für PA vereinheitlicht würden, damit Ärztinnen und Ärzte besser die Kompetenzen für die Delegation von Leistungen abschätzen können, ergänzte Bublitz. „Wo PA draufsteht, muss auch PA drin sein.“ Den Delegationsrahmen könnte ein Papier der Bundesärztekammer zur interprofessionellen Zusammenarbeit, das derzeit erarbeitet werde, genauer abstecken, kündigte Buhlinger-Göpfarth an.
Zur Finanzierung führe der Verband mit fast allen Kassen bereits „gute Gespräche“, sagten die Co-Vorsitzenden. „Jede HZV-Praxis soll sich zu einer HÄPPI-Praxis entwickeln können“, unterstrich auch Johannes Bauernfeind, Vorstand der AOK Baden-Württemberg, die die Pilotstudie zusammen mit dem Verbraucherministerium gefördert hat. Aber es komme auf die Ausgestaltung an, „wo man Effizienzreserven heben kann“ und wo sich Praxen für HÄPPI begeistern ließen.
Praxen werden effizienter
Die Interviews mit den zehn Pilotpraxen, aber auch die Rückmeldungen von über 2.000 Patientinnen und Patienten hätten insgesamt gezeigt: Dass beide Seiten – Praxen wie Betreute – von einem HÄPPI profitieren, fasste Wissenschaftler Altiner zusammen. Gleichwohl, fügte er einschränkend hinzu, habe es sich um zehn sehr motivierte Praxen gehandelt und die Ergebnisse der explorativen Analyse seien nur belastbare Hypothesen. „Man kann daraus keine generellen Schlüsse ziehen.“ Es brauche Folgestudien.
Die Befragungen räumen aber mit der oft geäußerten Befürchtung auf, dass Patientinnen und Patienten nur ärztlich betreut werden wollten, ergänzte Buhlinger-Göpfarth. Dies sei nicht der Fall, sondern Patientinnen und Patienten bewerteten die Betreuung durch das ganze Praxisteam positiv. Unter anderem können im HÄPPI „durch neue Strukturen und Prozesse mehr Menschen besser versorgt werden“, sagte Altiner.
Kürzere Wartezeit
In acht von zehn Praxen waren Mitarbeitende wie Patienten durch die neue Aufgabenverteilung zufriedener. Mit HÄPPI analysierten die Teams zunächst ihre Praxisabläufe und bildeten dann Kompetenzteams, in denen sie Aufgaben neu zuschnitten, berichteten die Pilotpraxen.
Laut Studie übernahmen PCM mehr Hausbesuche, den Erstkontakt mit Neupatienten, die Nachbetreuung bei Klinikentlassungen, Infektsprechstunden oder auch Anträge sowie Gesundheitsuntersuchungen (s. Abb). Das steigerte die Zufriedenheit im Team und verkürzte etwa die Wartezeiten für Patientinnen und Patienten.
Machbarkeitsstudie mit 10 HÄPPI-Praxen; Quelle: UK Heidelberg
Mehr Menschen betreut
Aber die Praxen wurden auch leistungsfähiger: So behandelten fünf von zehn Praxen mehr Menschen als vorher. Die anderen fünf Teams konnten dies noch nicht einschätzen. In neun Praxen wurden Hausärztinnen und -ärzte zeitlich entlastet und konnten sich auf komplexe Fälle konzentrieren.
Ebenso wurde die Einführung digitaler Instrumente als zeitliche Entlastung empfunden. Das gaben neun Praxen an. Die Administration sei beschleunigt worden, wodurch das Personal zufriedener und weniger gestresst wurde. Im Pilotzeitraum nutzten die Teams deutlich häufiger Online-Terminbuchungen, Messenger zur Kommunikation mit Patienten, Videosprechstunden sowie die digitale Dokumentation von Haus- und Heimbesuchen. Auch Patientinnen und Patienten bewerteten etwa die Onlineterminvergabe positiv, berichteten Praxen.
Die Studie konnte hier aber auch Hürden identifizieren: Als herausfordern wurden die Schnittstellen zur Praxissoftware (PVS) angesehen oder auch die Zusammenarbeit mit anderen Akteuren, weil diese unterschiedlich weit digitalisiert sind. „Wir haben letztlich dem Heim ein Tablet mit unserem Messenger zur Verfügung gestellt, um digital kommunizieren zu können“, berichtete Testarzt Dr. Michael Reiche. „Jetzt ist das Tablet wieder weg – und das Heimpersonal trauert dem hinterher.“
Als Fazit resümierte Forscher Altiner: „HÄPPI beschleunigt eine sinnvolle Digitalisierung, braucht aber finanzielle und zeitliche Ressourcen.“ Der generelle Ansatz von HÄPPI – also „nicht vorzugeben, was genau zu tun ist, sondern die Veränderung zu begleiten“ – scheine zu funktionieren.