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Ständige ImpfkommissionZwei neue Impfempfehlungen für die Hausarztpraxis

Die Ständige Impfkommission hat kürzlich zwei neue Impfempfehlungen zu Meningokokken und Herpes zoster veröffentlicht. Was bedeuten die Empfehlungen in der Praxis?

Vorsorgeimpfung in der Hausarztpraxis

1. Impfung gegen MenACWY, Impfung gegen MenC entfällt

Die STIKO empfiehlt jetzt allen Kindern zwischen 12 und 14 Jahren, unabhängig von vorherigen Meningokokken-Impfungen, eine Impfung gegen Meningokokken der Serogruppen A, C, W und Y mit einer Dosis (aktuell verfügbar: MenQuadfi®, Menveo® und Nimenrix®). Nachholimpfungen sollten bis zum 25. Geburtstag erfolgen [1].

Die Empfehlung zur MenACWY-Impfung bei gesundheitlich gefährdeten Personen (einschließlich Säuglingen und Kleinkindern) mit Immundefizienz bleibt bestehen. Laut STIKO sind alle Impfstoffe gut verträglich, relevante Sicherheitssignale seien in Post-Marketing-Analysen nicht beobachtet worden.

Gleichzeitig entfällt die Standardimpfempfehlung gegen MenC für Kleinkinder im zweiten Lebensjahr einschließlich der bislang empfohlenen Nachholimpfungen bis zum Alter von 18 Jahren.

Begründung: 15- bis 19-Jährige haben neben Säuglingen das höchste Risiko für invasive MenACWY-Erkrankungen. Der Impfzeitpunkt der neuen Impfempfehlung sei so gewählt, dass die Kinder und Jugendlichen geimpft werden, bevor dieser Krankheitsgipfel auftritt, äußerte sich STIKO-Mitglied Prof. Alexander Dalpke [2].

Ein zweiter Punkt: Da Jugendliche die höchste Meningokokken-Besiedlung aller Altersgruppen aufweisen, wird durch ihre Impfung der größte indirekte Effekt auf die Reduzierung von invasiven MenACWY-Erkrankungen erwartet. Bei Kleinkindern hingegen empfiehlt die STIKO keine allgemeine MenACWY-Impfung, da invasive MenACWY-Erkrankungen in dieser Altersgruppe selten sind. Durch die neu eingeführte Empfehlung für 12- bis 14-Jährige werde zudem bei einer angemessen hohen Impfquote der Bevölkerungsschutz verbessert, der auch jüngere Kinder indirekt schützen kann.

Wegen der geänderten epidemiologischen Lage wird auch die Meningokokken-C-Standardimpfung für Kleinkinder nicht mehr empfohlen: In Deutschland sind die Serotypen B und Y mittlerweile am weitesten verbreitet. MenC-Infektionen seien extrem selten geworden, so Dalpke.

Das sagt der Experte

von Dr. Wolfgang Schneider-Rathert, Hausarzt in Braunschweig und Mitglied der Sektion Prävention der DEGAM

Die ehrenamtlichen STIKO-Mitglieder haben es nicht einfach im Spannungsfeld zwischen öffentlicher Erwartung und gleichzeitig fehlender Evidenz zur Meningokokkenimpfung. Würden Sie nicht auch gerne die schweren Verläufe einer invasiven Meningokokken-Erkrankung (IME) verhindern?

Ob mit der aktuellen Empfehlung Meningokokken-Erkrankungen verhindert werden können, ist aber unklar: “Eine MenACWY-Impfung könnte einen hohen Schutz gegen ACWY-IME bieten, die Evidenz ist jedoch sehr unsicher”, schreibt die STIKO [1]. Und ob schwere Verläufe durch die Impfung verhindert werden, ist sogar völlig offen: “Der Endpunkt wurde in keiner der identifizierten Studien berichtet” [1].

Woran liegt das? IME sind glücklicherweise sehr, sehr selten. Jährlich erkranken hierzulande rund 300 Menschen, circa jeder 10. stirbt [1]. Erkrankungen mit den von der Empfehlung abgedeckten Serotypen ACWY traten 2023 und 2024 bei 10–29-Jährigen jeweils rund 30 Mal auf, leider mit je 4 Todesfällen [1]. Aber: In einer Bevölkerungskohorte von geschätzt 15 Millionen Menschen. Studien müssten also viele Millionen Teilnehmer über Jahre untersuchen, um signifikante Effekte auf schwere Verläufe und Tod zeigen zu können.

In diesem Spannungsfeld hat sich die STIKO für das Prinzip Hoffnung entschieden – mit immensen Folgekosten. Dringend benötigtes Geld, das an anderer Stelle fehlt. Eine Berechnung der STIKO ergab, dass man 51.000 Impfungen benötigt, um eine Erkrankung (nicht Tod!) zu verhindern [1]. Das wären rund dreieinhalb Millionen Euro (bei 70€ Kosten der Impfung inkl. Arzthonorare).

Zum Vergleich: Eine verhinderte Masernerkrankung kostet unter 150€. Es ist dringend nötig, dass die STIKO endlich beauftragt wird, auch gesundheitsökonomisch-ethische Überlegungen in ihre Entscheidungen einfließen zu lassen. Andere Länder priorisieren daher anders: In Dänemark, Norwegen, Schweden und sechs weiteren europäischen Ländern gibt es überhaupt keine Empfehlung, gegen Meningokokken zu impfen! [3].

2. Impfung gegen Herpes zoster

Die STIKO rät jetzt bei Menschen mit Risikofaktoren bereits ab 18 Jahren zur Impfung mit dem Herpes-zoster (HZ)-Totimpfstoff (Shingrix®, zugelassen ab 18 Jahren) [4]: Für Immunsupprimierte, Personen mit Autoimmunerkrankungen sowie Personen mit schweren Ausprägungen von spezifischen chronischen Grunderkrankungen bestehe unabhängig vom Alter ein erhöhtes Risiko, an HZ zu erkranken.

Im Einzelnen nennt die STIKO Personen mit bzw. nach: hämatopoetischer Stammzelltransplantation, zellbasierten Therapien, solider Organtransplantation, immunsuppressiver Medikation, malignen neoplastischen Krankheiten, HIV-Infektion, rheumatoider Arthritis, SLE, CED, COPD oder Asthma, chronischer Niereninsuffizienz und Diabetes. Die STIKO betont, dass die neuen Indikationsgruppen je nach zugrundeliegender Erkrankung ein unterschiedlich hohes HZ-Risiko haben: “Am höchsten ist das Risiko bei Immundefizienz sowie bei bestimmten Autoimmunerkrankungen (z. B. SLE) oder deren Therapien (z.B. Rituximab).”

Aber auch bei Personen mit schweren chronischen Grunderkrankungen sei das Risiko erhöht. Besonders profitierten Menschen mit schlecht kontrollierter Grunderkrankung und multimorbide Personen. Cave: Ausgenommen seien leichte oder unkomplizierte bzw. medikamentös gut kontrollierte chronische Erkrankungen bei Personen zwischen 18 und 59 Jahren.

Begründung: Die (oben genannten) Personen haben ein erhöhtes Risiko für schwere Verläufe, HZ-Rezidive und Folgeerkrankungen wie post-herpetische Neuralgie, so die STIKO. Durch die Indikationserweiterung könne die Häufigkeit dieser Komplikationen reduziert werden.

Einschätzung der DEGAM: “Wir halten die Anpassung der Impfempfehlung für medizinisch sinnvoll und praxistauglich – sie ermöglicht eine gezieltere Prävention bei vulnerablen Patientengruppen”, so die DEGAM gegenüber Hausärztliche Praxis. Der organisatorische Aufwand in der Praxis steige aber zunächst: “Wir müssen künftige Risikopatienten strukturiert identifizieren und sie über die Impfung aufklären. Hierfür können z.B. Routine- oder Check-Up-Termine genutzt werden.”

Die Patienten sollten über Nutzen (Verhinderung von Gürtelrose und ihre schmerzhaften Komplikationen) und mögliche Reaktionen (Lokalreaktionen, Fieber, Myalgien) informiert werden, um eine Impfentscheidung treffen zu können [5]. Bei Patienten mit komplexen Immunsuppressionen bzw. onkologischer Vorgeschichte sei gegebenenfalls Rücksprache mit spezialisierten Gebietsärzten sinnvoll, auf eine reibungslose Schnittstellenkommunikation sollte geachtet werden [6].

“Für die Hausarztpraxis heißt das: Einen strukturierten Impf- und Kommunikationsprozess etablieren, Patienten-Unterlagen anpassen und digitalisierte Impferinnerungs-Systeme nutzen, um keine Risikopatienten zu übersehen [7]. Mit gut organisiertem Praxisablauf lässt sich die Umsetzung effizient gestalten – und wir leisten einen wertvollen Beitrag zur Vermeidung von Gürtelrose und deren oft schweren Folgen. Gleichzeitig bleibt es entscheidend, die Indikationskriterien sorgfältig abzugleichen und die Patienten individuell zu beraten.”

Das sagt der Experte

von Dr. Wolfgang Schneider-Rathert

Die STIKO empfiehlt die HZ-Impfung Menschen zwischen 18 und 59 Jahren mit angeborener, erworbener oder iatrogener Immundefizienz und/oder mit schwerer Ausprägung einer chronischen Grunderkrankung (also z.B. Dialyse, nicht aber grenzwertig erniedrigter GFR).

Zur Wirksamkeit der Impfung gibt es dabei nur für die besonders gefährdeten Stammzelltransplantierten und Menschen mit bösartigen hämatologischen Erkrankungen Daten. Während Stammzelltransplantierte verglichen mit der Gesamtbevölkerung ein rund 4-fach erhöhtes Risiko aufweisen, an HZ zu erkranken (rund 1:27 statt 1:100 erkrankt jedes Jahr!), ist die Wirksamkeit der Impfung ausgerechnet für diese Gruppe leider deutlich erniedrigt: gemittelt 90 Prozent Wirksamkeit in der Gesamtbevölkerung über einen Zeitraum von 10 Jahren, stehen 68 Prozent Wirksamkeit und auch nur über den wesentlich kürzeren Zeitraum von 21 Monaten gegenüber.

Bei hämatologischen Krebserkrankungen ist die Impfeffektivität initial immerhin fast 90 Prozent – aber bislang nur bis zu knapp einem Jahr nach Impfung belegt [4].

Und: “Leichte oder unkomplizierte bzw. medikamentös gut kontrollierte Formen chronischer Erkrankungen”, die “nicht mit einem deutlich erhöhten HZ-Risiko verknüpft” sind, so stellt die STIKO klar, sind “nicht von der Empfehlung umfasst” (ich verstehe darunter Typ-2-Diabetiker mit HbA1c im Zielbereich, gut eingestellte Asthmatiker, einfache Hypertoniepatienten oder Schilddrüsen-Erkrankte…).

In unseren Praxen wird es also einerseits um die Beruhigung Vieler und die Identifizierung der deutlich kleineren Gruppe der zu Impfenden andererseits gehen. Dabei gilt: Umso stärker die Immunsuppression, umso mehr Erkrankungen vorliegen und umso älter die Person ist, desto besser ist die Risiko-Nutzen-Bilanz der Impfung.

Unverändert ist dabei, über das sehr seltene, aber sehr relevante Risiko eines impfassoziiierten Guillain-Barré-Syndroms aufzuklären (3-6 Fälle pro 1 Mio. verabreichter Impfstoffdosen [4]). Angesichts des mittlerweile beträchtlich erhöhten Preises von deutlich über 500 Euro je Grundimmunisierung ist die von der STIKO vorgenommene Priorisierung auf bestimmte Risikopersonen auch ethisch geboten. In Zeiten klammer (Kranken-)Kassen muss mit dem Geld der Versicherten besonders sorgsam umgegangen werden.

Hinweis: Herr Dr. Schneider-Rathert ist Mitglied der Sektion Prävention der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin (DEGAM). Seine Kommentare geben seine persönliche Einschätzung wieder. Diese persönliche Einschätzung entsteht im ständigen Austausch mit den hausärztlichen STIKO-Mitgliedern und der Sektion.

Mögliche Interessenskonflikte: Keine in Bezug zum Thema Impfen; Mitglied bei MEZIS, Programmierer des CGM Medistar Abrechnungs-Coach

Quellen:

1. Epid Bull 44/25 
2. Press Briefing des Science Media Centers am 28.10.25 
3. Impfkalender der europäischen Länder (ECDC): www.hausarzt.link/itedT 
4. Epid Bull 45/25 
5. doi 10.1016/j.vaccine.2020.12.014 
6. doi 10.1016/j.zefq.2017.09.011 
7. doi 10.3238/arztebl.2019.0645 

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