Berlin. Anfang November hat die Ständige Impfkommission (STIKO) eine neue Impfempfehlung zur Herpes-zoster-Impfung veröffentlicht (Hausärztliche Praxis berichtete). Bisher hat die STIKO die Impfung mit dem Herpes-zoster-Subunit-Totimpfstoff (Shingrix®) für Menschen ab 60 Jahren und bei Menschen mit Risikofaktoren ab 50 Jahren empfohlen. Nun hat die Kommission die aktuelle Evidenzlage evaluiert und rät jetzt schon bei Menschen mit Risikofaktoren ab 18 Jahren zur Impfung.
Für immunsupprimierte Personen, für Personen mit Autoimmunerkrankungen sowie für Personen mit schweren Ausprägungen von spezifischen chronischen Grunderkrankungen bestehe unabhängig vom Alter ein erhöhtes Risiko, an Herpes zoster (HZ) zu erkranken. Die STIKO betont allerdings auch, dass leichte oder unkomplizierte bzw. medikamentös gut kontrollierte Formen chronischer Erkrankungen bei Personen zwischen 18 und 59 Jahren nicht mit einem deutlich erhöhten HZ-Risiko verknüpft und daher nicht von der Empfehlung umfasst sind.
Einschätzung der DEGAM
Konkret bedeutet die Empfehlung: “Personen mit bestimmten Grunderkrankungen oder einer dauerhaften Immunsuppression sollen bereits ab 18 Jahren in die Impfempfehlung aufgenommen werden (statt bisher ab 50 Jahren). Ergänzend gilt weiterhin die Standardimpfung für alle Personen ab 60 Jahren [1]”, fasst die Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin (DEGAM) gegenüber Hausärztliche Praxis zusammen.
Die frühere Impfung erlaube es, Risikopatienten stärker zu schützen – und das nicht erst im höheren Alter. Die STIKO nenne als Ziel die Reduktion von Erkrankungshäufigkeit, von Komplikationen wie der postherpetischen Neuralgie, sowie Rezidiven.
“Der Impfstoff (adjuvantierter Totimpfstoff) hat dabei eine sehr gute Wirksamkeit bei Erwachsenen, insbesondere bei chronisch Kranken und Personen im höheren Alter [2, 3]. Auch wenn die Empfehlung ab 18 Jahren für Risikopatientinnen und -patienten gilt, so ist zu beachten: Nicht jede chronische Erkrankung bedeutet automatisch eine Indikation – laut STIKO variiert das Risiko je nach Grunderkrankung stark”, betont die DEGAM. [1]
Mehraufwand für Praxen, aber medizinisch sinnvoll
Der organisatorische Aufwand in der Praxis steige allerdings erst einmal: “Wir müssen künftige Risikopatienten strukturiert identifizieren und sie über die Impfung aufklären. Hierfür können beispielsweise Routine- oder Check-Up-Termine genutzt werden. Die Patienten sollten über angemessen Nutzen (Verhinderung von Gürtelrose und ihre schmerzhaften Komplikationen) und mögliche Reaktionen (z. B. Lokalreaktionen, Fieber, Myalgien) informiert werden, um eine verantwortungsbewusste Impfentscheidung treffen zu können [4].”
Bei Patienten mit komplexen Immunsuppressionen bzw. onkologischer Vorgeschichte sei gegebenenfalls Rücksprache mit spezialisierten Gebietsärzten sinnvoll, auf eine reibungslose Schnittstellenkommunikation sollte geachtet werden [5].
“In der Gesamtbetrachtung halten wir die Anpassung der Impfempfehlung für medizinisch sinnvoll und praxistauglich – sie ermöglicht eine gezieltere Prävention bei vulnerablen Patientengruppen. Für die hausärztliche Praxis bedeutet das jedoch auch: Einen strukturierten Impf- und vor allem Kommunikationsprozess etablieren, Patienten-Unterlagen entsprechend anpassen und digitalisierte Impferinnerungs-Systeme nutzen, um keine Risikopatienten zu übersehen [6]”, meint die DEGAM.
Fazit
“Die erweiterte Indikationsimpfung gegen HZ ist ein Schritt, den Hausarztalltag im Bereich Impfprävention stärker auf Risikogruppen auszurichten. Mit einem gut organisierten Praxisablauf lässt sich die Umsetzung effizient gestalten – und wir leisten einen wertvollen Beitrag zur Vermeidung von Gürtelrose und deren dann oft schweren Folgen. Gleichzeitig bleibt es entscheidend, die Kriterien der Indikation sorgfältig abzugleichen und die Patienten individuell zu beraten.”
red
Literatur:
- Koch, Hermanns, Wilhelm, Dalpke, Hengel, Karch, et al.: Beschluss und wissenschaftliche Begründung für die Erweiterung der Indikationsimpfempfehlung zur Herpes-zoster-Impfung mit dem adjuvantierten Subunit-Totimpfstoff für Personen ≥18 Jahre mit einem erhöhten Risiko, an Herpes zoster zu erkranken; Epid Bull 2025;45:3-27; doi 10.25646/13540
- Dagnew, Ilhan, Lee, Woszczyk, Kwak, Bowcock, et al. Immunogenicity and safety of the adjuvanted recombinant zoster vaccine in adults with haematological malignancies: a phase 3, randomised, clinical trial and post-hoc efficacy analysis. Lancet Infect Dis. 2019 Sep;19(9):988-1000. doi 10.1016/S1473-3099(19)30163-X.
- Bastidas, de la Serna, El Idrissi, Oostvogels, Quittet, López-Jiménez et al. Effect of Recombinant Zoster Vaccine on Incidence of Herpes Zoster After Autologous Stem Cell Transplantation: A Randomized Clinical Trial. JAMA. 2019 Jul 9;322(2):123-133. doi 10.1001/jama.2019.11467
- Sanftenberg, Kuehne, Anraad, Jung-Sievers, Dreischulte, Gensichen. Assessing the impact of shared decision-making processes on influenza vaccination rates in adult patients in outpatient care: a systematic review and meta-analysis. Vaccine, Volume 39, Issue 2, 8 January 2021, Pages 185-196. doi 10.1016/j.vaccine.2020.12.014
- Sanftenberg, Salavati, Schelling. Implementing vaccination recommendations in discharge letters. Z Evid Fortbild Qual Gesundhwes. 2017
- Sanftenberg, Brombacher, Schelling, Klug, Gensichen. Increasing influenza vaccination rates in people with chronic illness—a systematic review of measures in primary care. Dtsch Arztebl Int 2019; 116: 645–52. doi 10.3238/arztebl.2019.0645
