© doctopia Abb. 2: Der Fusionsschlag ist in den hier gezeigten Ableitungen I und II rot markiert.
Hierbei handelt es sich am ehesten um einen Fusionsschlag (fusion beat) oder differenzialdiagnostisch um einen Einfangschlag (capture beat). Grundsätzlich kann auf Basis dieser Informationen mit hoher Wahrscheinlichkeit von einer ventrikulären Tachykardie (VT) ausgegangen werden. Fusions- und Einfangschläge sind normale Sinusschläge, die entweder gemeinsam mit der VT (Fusion) oder vor der VT (Einfangschlag) die Ventrikel erregen.
Diese Konstellation macht eine VT sehr wahrscheinlich. Der Lagetyp des Fusions- oder Einfangschlags ist ähnlich zu der VT überdreht links. Es imponieren ST-Streckensenkungen in II, III, aVF. Hierbei kann es sich entweder um “cardiac memory”, eine Folge der laufenden VT, oder einen Hinweis auf eine akute Ischämie handeln. Zur endgültigen Beurteilung muss ein EKG nach Terminierung der VT angefertigt werden.
Hintergrund
Die VT ist eine Tachykardie, die aus dem Ventrikel entspringt. Je nach Frequenz und Dauer kann sie Symptome wie Schwindel, Herzrasen und Synkopen hervorrufen sowie zum Herzkreislaufstillstand führen. Wir sprechen dann von einer hämodynamisch relevant wirksamen VT. Die Ursachen einer VT sind vielfältig. Allgemein gilt: Je schlechter die linksventrikuläre Funktion, desto höher das Risiko für eine VT.
In den meisten Fällen sind die akuten Mechanismen eine ischämiebedingte elektrische Instabilität der Myokardzellen oder Mikro- und Makro-Reentry-Tachykardien auf dem Boden einer strukturellen Herzerkrankung.
Häufig kreisen die Erregungen in oder um Narbenareale, die durch einen Myokardinfarkt entstanden sind. Aber auch dilatative oder hypertrophe Kardiomyopathien bilden durch die strukturellen Veränderungen auf mikroskopischer Ebene eine Basis für die Entstehung von Mikro-Reentry-Tachykardien.
Bestimmte Gendefekte, vor allem von Ionenkanälen, disponieren für ventrikuläre Tachykardien. Die bekanntesten erblichen Rhythmusstörungen sind das Long-QT-Syndrom, das Brugada-Syndrom oder die arrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie, kurz ARVC.
Einteilung der VT
Ventrikuläre Tachykardien können wir unterschiedlich einteilen:
Erstens werden nicht anhaltende, auch “non sustained VT” (“nsVT”), von anhaltenden VT unterschieden. Die Grenze wurde einmal willkürlich bei einer Dauer von 30 Sekunden festgelegt.
Zweitens ist es wichtig zu wissen, ob eine VT hämodynamisch wirksam ist oder nicht, das heißt ob die VT zu einem relevanten Abfall des Blutdrucks führt.
Die dritte Einteilung bezieht sich ausschließlich auf EKG-Kriterien. Es wird zwischen der sogenannten monomorphen und der polymorphen VT unterschieden. Monomorph heißt, die QRS-Komplexe innerhalb einer laufenden VT sind sehr ähnlich und in regelmäßigen Abständen. Bei der polymorphen VT sind die QRS-Komplexe in ihrer Morphologie und damit auch in ihrem Abstand zueinander und ihrer Dauer unterschiedlich. Diese Einteilung hat vor allem prognostische und therapeutische Bedeutung. Prinzipiell ist die polymorphe VT gefährlicher, da sie schneller in Kammerflimmern degeneriert.
EKG-Charakteristika der VT
Die Frequenzen liegen meist zwischen 150 bis 250/min. Selten sind sie langsamer und dann meist nur durch eine bereits bestehende Therapie mit Antiarrhythmika wie Ajmalin oder Amiodaron. Die Dauer der Kammererregung, also der QRS-Komplex, ist durch den fehlenden Anschluss an das Reizleitungssystem in der Regel länger als 140 ms.
Häufig findet sich sogar eine QRS-Breite von 160 ms oder sogar noch deutlich mehr. Die Spitzen von R-Zacke und T-Welle haben oft einen unterschiedlichen Vektor, das heißt die eine ist positiv, die andere negativ oder andersrum. Man spricht von einer R-T-Diskordanz. Der Hauptvektor liegt oft im “Niemandsland”, der Lagetyp ist also nicht definierbar.
Monomorphe VT
Die monomorphe VT ist die häufigste Form der ventrikulären Tachykardien. Die Frequenzen liegen meist um 150-250/min. Eine monomorphe VT mit Frequenzen über 250/min kann bereits als Kammerflattern bezeichnet werden. Eine langsamere monomorphe VT kann über Stunden stabil anhaltend sein, ohne zur hämodynamischen Dekompensation des Patienten bzw. der Patientin zu führen.
Die Frequenz ist jedoch leider kein Kriterium für die Stabilität. Jede VT kann in kurzer Zeit zu Kammerflattern akzelerieren bzw. zu Kammerflimmern degenerieren! Außerdem ist durch die Tachykardie die Auswurfleistung meist stark reduziert, sodass eine akute Herzinsuffizienz mit Lungenödem und respiratorischer Insuffizienz droht.
Polymorphe VT
Polymorphe ventrikuläre Tachykardien treten in verschiedenen Konstellationen auf. Für die polymorphe VT ohne QT-Verlängerung sind oft schwere strukturelle Herzerkrankungen oder eine akute Ischämie durch einen Myokardinfarkt verantwortlich.
Zu den polymorphen VT zählt außerdem eine Sonderform, die im Rahmen eines Long-QT-Syndroms auftritt. Ist die QT-Zeit zu lang, kann eine ventrikuläre Extrasystole in die vulnerable Phase eines teilrefraktären Myokards fallen. Es entsteht die sogenannte “Spitzen-Umkehr-Tachykardie” oder “Torsade-de-pointes-Tachykardie”.
Die Prognose ist eher schlechter, da eine Degeneration in Kammerflimmern häufiger und rascher auftritt als bei den monomorphen ventrikulären Tachykardien.
Was tun?
Nach erstmaligem Auftreten einer ventrikulären Tachykardie bei bekannter koronarer Herzerkrankung sind verschiedene diagnostische und therapeutische Schritte notwendig. Zunächst muss ein Myokardinfarkt ausgeschlossen werden, da eine akute Ischämie die VT ausgelöst haben könnte. Da erhöhte kardiale Ischämieparameter durch die Tachykardie zu erwarten sind, ist hierfür das 12-Kanal-EKG nach Terminierung der VT essenziell.
Ventrikuläre Tachykardien treten auch bei chronischer KHK auf. Auslöser können körperliche Belastung, akute Infekte, Blutungsanämie und andere ischämiefördernde Ereignisse sein.
Prinzipiell besteht nach der ersten anhaltenden VT (> 30 Sekunden) die Indikation zur sekundärprophylaktischen ICD-Implantation, sofern sie mehr als 48 Stunden nach einem Myokardinfarkt auftritt, der Patient bzw. die Patientin darunter symptomatisch ist und keine reversiblen Trigger vorhanden sind.
Je schlechter die linksventrikuläre Funktion, desto weniger werden ventrikuläre Tachykardien toleriert. Bei hochgradig eingeschränkter systolischer linksventrikulärer Funktion sollten Patientinnen und Patienten mit KHK einen ICD unabhängig von dokumentierten Arrhythmien zur Primärprophylaxe erhalten.
Kommt es zu Therapien durch den ICD, ist eine VT-Ablation möglich. Alternativ oder auch ergänzend kommen zunächst Betablocker oder im Falle weiterer Rezidive Antiarrhythmika wie Amiodaron zum Einsatz.
Wie ging es weiter?
Das Ersthelferteam alarmiert umgehend den Rettungsdienst mit Notarzt. Es wird eine elektrische Kardioversion durchgeführt, die einen stabilen Sinusrhythmus etabliert. Bei instabilen Patientinnen und Patienten gelten konvertierende Antiarrhythmika wie Amiodaron oder Procainamid nur als Mittel der zweiten Wahl.
Der Patient wird anschließend mit stabilen Vitalparametern in das nächste Akutkrankenhaus mit Herzkatheterlabor transportiert.
Bei diesem Patienten fanden sich im Verlauf keine Hinweise auf eine neuerliche myokardiale Ischämie. Allerdings bestätigte sich echokardiografisch eine hochgradig reduzierte systolische Linksventrikelfunktion. Er erhielt noch im Aufenthalt einen sekundärprophylaktischen ICD.
Interessenkonflikte: Der Autor ist Gründer und Geschäftsführer der Doctopia GmbH.
Quelle: 2022 ESC Guidelines for the management of patients with ventricular arrhythmias and the prevention of sudden cardiac death, European Heart Journal (2022) 00, 1–130 doi 10.1093/eurheartj/ehac262
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