Hiermit loggen Sie sich bei DocCheck aus.
Abbrechen

KassenfinanzenMarode GKV retten, Hausärzteschaft stärken

Seit Jahren stöhnen die Kassen über steigende Ausgaben, nötige Beitragserhöhungen und drohende Leistungskürzungen. Bei einem Blick auf die Kassenfinanzen zeigt sich der entscheidende Knackpunkt: Die stationäre Versorgung verschlingt Unsummen, obwohl hier nur etwa drei Prozent der Behandlungen stattfinden. Wirksame Strukturreformen zugunsten der ambulanten Versorgung müssen her.

Die Finanzlöcher in der GKV sind immens - wirksame Strukturreformen sind dringend nötig.

Jährlich grüßt das Murmeltier: Kurz vor dem Start der Honorarverhandlungen zwischen Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV) und GKV-Spitzenverband, die für 2026 aktuell noch laufen, hatte die Techniker Krankenkasse (TK) eine Nullrunde für die Ärztinnen und Ärzte gefordert. Kontinuierlich mahnen die Kassen Sparmaßnahmen an und warnen vor weiteren Beitragserhöhungen oder Leistungskürzungen. Aber um wie viel Geld geht es eigentlich?

Größter Kostenblock: Kliniken

Stolze rund 500 Milliarden Euro oder 6.000 Euro je Einwohnerin bzw. Einwohner gab Deutschland im Jahr 2023 für die Gesundheit aus. Während 2024 die Gesamteinnahmen in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) 320,8 Milliarden Euro betrugen (im Vergleich zum Vorjahr plus 8,2 Prozent), wurden 312,3 Milliarden Euro für Leistungen ausgegeben. Nach Abzug der Verwaltungs- und sonstigen Ausgaben (12,6 und 2,5 Milliarden Euro) ergibt sich in der GKV ein Defizit für 2024 von 6,6 Milliarden Euro.

2023 betrug das Defizit “nur” 1,9 Milliarden Euro. Händeringend sucht Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) nach Finanzmitteln, um die wachsenden Finanzlöcher in Krankenhäusern und der Pflege zu stopfen.

Für die Krankenhausbehandlung wurden 2024 102,2 Milliarden Euro ausgegeben (plus 8,8 Prozent im Vergleich zu 2023). Damit stellen die Ausgaben im Krankenhaus den größten Block dar. Hohe Kostensteigerungen im Vergleich zu 2023 waren auch im Bereich Arzneimittel (plus 10 Prozent) zu verzeichnen. Mit 55,2 Milliarden belegen die Arzneimittel den zweiten Rang bei den Leistungsausgaben. Interessant: Die Anzahl der Verordnungen ist im Zeitverlauf von 1993 bis 2023 in etwa konstant geblieben, der Wert je Verordnung ist jedoch exorbitant in die Höhe geschnellt: von 1993 16,00 Euro auf 2023 79,70 Euro je Verordnung.

Die 97-zu-3-Diskrepanz

Den dritten Platz der Leistungsausgaben nimmt die ärztliche Behandlung ein. Sie macht 50,3 Milliarden Euro aus – im Vergleich zu 2023 sind die Ausgaben hier lediglich um 6,7 Prozent gestiegen.

Die Tatsache, dass 97 Prozent der Behandlungsfälle im ambulanten Bereich erfolgen, verdeutlicht die Diskrepanz im System: Der stationäre Sektor verursacht mehr als doppelt so hohe Kosten im Vergleich zum ambulanten Sektor bei gleichzeitig minimalen Behandlungszahlen. Dennoch soll noch mehr Geld in den stationären Sektor gepumpt werden: Nina Warken sprach bei der ersten Lesung des Bundeshaushalts am 10. Juli von vier Milliarden Euro Soforthilfe aus dem Sondervermögen Infrastruktur und Klimaneutralität, dass den Kliniken als Soforthilfe zur Verfügung gestellt werden soll. Dies sei aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Dabei gilt grundsätzlich: In der ambulanten Versorgung kostet die Behandlung eines GKV-Patienten pro Jahr durchschnittlich 716 Euro, in der stationären Versorgung hingegen sind es im Schnitt 9.465 Euro pro Patient, so die KBV. Drei Prozent aller Behandlungsfälle (rund 18 Millionen pro Jahr) seien durch die Kliniken versorgt worden – mit 33 Prozent der GKV-Leistungsausgaben. 97 Prozent aller Fälle seien hingegen in Arzt- und Psychotherapiepraxen behandelt worden – mit 16 Prozent der GKV-Leistungsausgaben. Bei 578 Millionen Behandlungsfällen in Deutschlands Praxen kam es zu ein Milliarde Kontakte zwischen einem Patienten und einem niedergelassenen Haus- oder Facharzt.

Derweil setzt Warken auf eine Expertenkommission, die Vorschläge für eine kurz-, mittel- und langfristige Stabilisierung der Beitragssätze in der GKV erarbeiten soll. Die Vorschläge sollen 2027 vorliegen, erklärte Warken bei der Lesung weiter und warnte: “Das ist zu spät.”

Diese Einschätzung teilt der Bundesrechnungshof: Mitte August bemängelt er in seinem Bericht, dass das Bundesgesundheitsministerium (BMG) – damals noch unter der Leitung von Prof. Karl Lauterbach (SPD) bis Mai 2023 Empfehlungen für eine “stabile, verlässliche und solidarische Finanzierung der GKV” erarbeiten sollte. Die Empfehlungen legte das BMG sieben Monate später vor. Allerdings seien die darin beschriebene Strukturreformen, die mittel- bis langfristig wirken sollten (z. B. im Krankenhausbereich), nicht mit konkreten Einsparzielen hinterlegt worden, kritisiert der Bundesrechnungshof: “Vom BMG in den Blick genommene Elemente wie die Notfallreform und eine Dynamisierung des Bundeszuschusses und der Beiträge für Bürgergeldempfängerinnen und -empfänger wurden bis heute nicht umgesetzt”, heißt es im Bericht des Bundesrechnungshofs.

HZV wäre sofort umsetzbar

Reformen sind also dringend nötig. Das Problem, dass die Kosten im stationären Sektor ausufern und der ambulante Sektor deutlich effizienter ist, ist seit langem bekannt. Noch hat sich aber nicht viel bei der Umsetzung der Leitschnur “Mehr ambulant vor stationär” getan. Das bestätigt Prof. Ferdinand Gerlach, Direktor des Instituts für Allgmeinmedizin an der Johann-Goethe-Universität Frankfurt: “In Deutschland liegen viele zu viele Bürgerinnen und Bürger viel zu oft und viel zu lange im Krankenhaus – nicht selten unnötig. Viele diagnostische und therapeutische Interventionen könnten in gleicher oder sogar besserer Qualität und mit deutlich geringeren Kosten auch ambulant erbracht werden. Die unbedingt erforderliche Ambulantisierung, bis hin zu international bereits bewährten “Hospital at home”-Konzepten, wurde in Deutschland bisher weitgehend verschlafen. Ambulantisierung und digitale Transformation sowie die Stärkung von ambulant-stationären Teampraxen müssen aus Qualitäts- und Kostengründen mit Priorität vorangetrieben werden.”

Derzeit arbeitet das Bundesgesundheitsministerium an einem Referentenentwurf für das Krankenhausreformanpassungsgesetz, ebenso wie an einem Gesetzesentwurf zur Reform der Notfallversorgung. Letztere werde auch den Rettungsdienst umfassen, kündigte Warken im Juli an. “Bis die Reformen wirken und auch die erstrebten finanziellen Entlastungen eintreten, wird aber etwas Zeit vergehen.” Dazu zählt Warken auch die im Koalitionsvertrag verankerte Einführung der Primärarztversorgung.

Dabei wäre die Einführung der Primärarztversorgung im System sofort umsetzbar. Und auch äußert wichtig, betont Prof. Dr. Nicola Buhlinger-Göpfarth, Bundesvorsitzende des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes. “Damit das Gesundheitswesen finanzierbar bleibt, müssen wir die ambulante Versorgung stärken und auch umbauen. Der Ausbau des Primärarztsystems ist dabei der entscheidende Hebel. Das schützt uns auch davor, dass die Kosten im stationären Bereich immer weiter ausufern, denn dort spielt in Bezug auf die Ausgaben die eigentliche Musik”, erklärt Buhlinger-Göpfarth.

In der Hausarztzentrierten Versorgung (HZV) werden bereits über zehn Millionen Patientinnen und Patienten von rund 16.000 Hausärztinnen und Hausärzten versorgt. Wissenschaftliche Evaluationen haben dabei längst belegt, dass die HZV-Patienten von einer besseren und koordinierten Versorgung profitieren. Gleichzeitig sparen die Krankenkassen Geld ein, da unnötige Doppeluntersuchungen vermieden und Krankenhauseinweisungen reduziert werden können.

Das belegt auch eine Studie des Universitätsklinikums Heidelberg: Demnach konnten bei HZV-Patienten im Vergleich zu Patienten in der Regelversorgung 2022 pro einhundert Versicherten 1,06 Krankenhausaufnahmen vermieden werden. Hochgerechnet auf die betrachtete HZV-Versichertengruppe entspreche dies 4.431 tatsächlich verhinderten Krankenhausaufnahmen im Jahr 2022.

Wirksame Strukturreformen dürfen nicht länger aufgeschoben werden, mahnt auch der Bundesrechnungshof im August und blickt dabei insbesondere auf die Krankenhausreform. “Deren zentrale Elemente, die auf Effizienzsteigerungen, eine Verlagerung hin zur ambulanten Versorgung und Qualitätsverbesserungen abzielen, dürfen nicht verwässert werden.” •

Quellen:

  • vdek-Basisdaten des Gesundheitswesens in Deutschland 2025/2026
  • Destatis: Europa in Zahlen: „Deutschland mit höchsten Gesundheitsausgaben in Europa“ – Stand 27.2.2025
  • KBV: „Kennzahlen der ambulanten Versorgung auf einen Blick“ – Stand April 2025
  • PKV-Verband: Interview mit PKV-Chef-Mathematiker Holger Eich: „Wir beobachten einen konstanten Anstieg der Leistungsausgaben“ vom 5. August 2025
  • Bericht des Bundesrechnungshofs vom 15.8.2025: „Entwicklung der Finanzlage in der gesetzlichen Krankenversicherung“
  • Evaluation HZV / Nicht-HZV 2011 bis 2022 – Universitätsklinikum Heidelberg; Abteilung Allgemeinmedizin im Versorgungsforschung; Prof. Dr. med. Dipl. Soz. Joachim Szecsenyi und Prof. Dr. sc. hum. Dipl.-Wi.-Inf. Gunter Laux
E-Mail-Adresse vergessen? Schreiben Sie uns.
Passwort vergessen? Sie können es zurücksetzen.
Nur wenn Sie sich sicher sind.

Sie haben noch kein Passwort?

Gleich registrieren ...

Für Hausärztinnen und Hausärzte, Praxismitarbeitende und ÄiW (Allgemeinmedizin und Innere Medizin mit hausärztlichem Schwerpunkt) ist der Zugang immer kostenfrei.

Mitglieder der Landesverbände im Hausärztinnen- und Hausärzteverband profitieren außerdem von zahlreichen Extras.

Hier erfolgt die Registrierung für das Portal und den Newsletter.


Persönliche Daten

Ihr Beruf

Legitimation

Die Registrierung steht exklusiv ausgewählten Fachkreisen zur Verfügung. Damit Ihr Zugang freigeschaltet werden kann, bitten wir Sie, sich entweder mittels Ihrer EFN zu legitimieren oder einen geeigneten Berufsnachweis hochzuladen.

Einen Berufsnachweis benötigen wir zur Prüfung, wenn Sie sich nicht mittels EFN autorisieren können oder wollen.
Mitglied im Hausärzteverband
Mitglieder erhalten Zugriff auf weitere Inhalte und Tools.
Mit der Registrierung als Mitglied im Hausärzteverband stimmen Sie zu, dass wir Ihre Mitgliedschaft überprüfen.

Newsletter
Sie stimmen zu, dass wir Ihre E-Mail-Adresse für diesen Zweck an unseren Dienstleister Mailjet übermitteln dürfen. Den Newsletter können Sie jederzeit wieder abbestellen.

Das Kleingedruckte
Die Zustimmung ist notwendig. Sie können Sie jederzeit widerrufen, außerdem steht Ihnen das Recht zu, dass wir alle Ihre Daten löschen. Jedoch erlischt dann Ihr Zugang.
Newsletter abbestellen

Wenn Sie den Newsletter abbestellen wollen, geben Sie bitte Ihre E-Mail-Adresse an und wählen Sie die gewünschte Funktion. Wir senden Ihnen dann eine E-Mail zur Bestätigung.