Annahme von Patientengeschenken
Aus berufsrechtlicher Sicht dürfen Ärztinnen und Ärzte Geschenke dann nicht annehmen, wenn durch die Annahme der Eindruck entstehen kann, dass hierdurch die Unabhängigkeit der ärztlichen Entscheidungen beeinflusst wird, der Patient also eine Gegenleistung erwartet. Hierbei kommt es nicht auf eine tatsächliche Beeinflussung ärztlicher Entscheidungen an, sondern es reicht der Eindruck, der bei einem objektiven Dritten aufgrund konkreter Zweifel entsteht.
Die rechtlichen Vorgaben geben insoweit keine konkreten Wertgrenzen vor, erlaubt sind im Einzelfall sozialadäquate Aufmerksamkeiten. Teilweise werden Wertgrenzen des Einkommenssteuerrechts zur Beurteilung herangezogen, um festzustellen, ob eine Sozialadäquanz (noch) gegeben ist.
Andererseits ist jedoch zu beachten, dass steuerrechtlich bereits ab einem Geschenkwert von 10 Euro eine steuerpflichtige Betriebseinnahme vorliegen kann. Im öffentlichen Dienstrecht werden bereits Zuwendungen von über 25 Euro als genehmigungspflichtig angesehen.
Nimmt man – unabhängig von der aktuellen BGH-Entscheidung – als Maßstab die bisherige berufsgerichtliche Rechtsprechung, so lässt sich festhalten, dass jedenfalls in krassen Ausnahmefällen, beispielsweise Schenkungen über mehrere tausend Euro, die Beeinflussung der ärztlichen Unabhängigkeit regelmäßig angenommen wurde (beispielhafte Entscheidungen: ÄGH Saarland, Urt. v. 25.8.2010, Az. ÄGH 1/09; Landesberufsgericht Heilberufe Münster, Urt. v. 6.11.2007, Az. 6t E 1292/06.T und Urt. v. 30.4.2008, Az. 14 K 1893/05.T).
Zu beachten ist aber auch, dass Geschenke oft unverhofft erfolgen, es also gar keinen Zusammenhang zwischen der vorhergehenden Behandlungsleistung und dem späteren materiellen Dank gibt, womit eine Einflussnahme auf die ärztliche Entscheidung bereits denklogisch wegfällt.
Auch für den Bereich einer strafrechtlichen Sanktionierung nach den Bestechungstatbeständen kommt es entscheidend auf das Vorliegen einer sogenannten Unrechtsvereinbarung an: Es muss dafür also ein kausaler Zusammenhang zwischen der Zuwendung und den ärztlichen Leistungsentscheidungen vorliegen.
Arbeitsrechtliche Vorgaben schaffen
Auch als Arbeitgeber ist es sinnvoll, sich abzusichern, was den Umgang des eigenen Praxispersonals mit Aufmerksamkeiten durch Patientinnen und Patienten betrifft. Durch (schriftliche) Anweisungen sollte zunächst ein klarer Rahmen vorgegeben werden, nach dem sich die Angestellten richten können.
Hierin sollte insbesondere geregelt werden, bis zu welcher Wertgrenze die Annahme von Patienten-“Geschenken” erlaubt ist und ab welchen Beträgen eine Meldepflicht besteht oder die Zustimmung des Arbeitgebers einzuholen ist. Bei Verstößen gegen die praxisinternen Vorgaben können dann arbeitsrechtliche Konsequenzen getroffen werden.
Dass der Sachverhalt der eingangs zitierten BGH-Entscheidung kein absoluter Ausnahmefall ist, zeigt die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) aus 2003 (Az. 2 AZR 62/02). Trotz einer ausdrücklichen arbeitsvertraglichen Verpflichtung, keine Zuwendung von Patientinnen und Patienten anzunehmen, schlug eine Krankenpflegerin eine Erbschaft einer früheren Patientin nicht aus.
Der Arbeitgeber kündigte die Krankenpflegerin verhaltensbedingt, was das BAG letztlich bestätigte. Kleinigkeiten hingegen wie selbstgebackene Plätzchen, eine Schachtel Pralinen oder sonstige Naturalien sind in der Regel unbedenklich. Bei Geldbeträgen gilt aufgrund steuerrechtlicher Vorgaben jedoch stets Vorsicht walten zu lassen – nötigenfalls mag die Einholung des Rates der Steuerberatung der Praxis der konkreten Arbeitsanweisung an die Angestellten vorausgehen.
Geschenke von Gesundheitswirtschaftsunternehmen
Ob nun der Pharmavertreter, das Sanitätshaus, das nahegelegene Krankenhaus oder der operativ tätige Kollege – auch aus dieser Richtung erhielten Praxen jedenfalls in der Vergangenheit vielfach – oft zum Jahresende – eine Anerkennung in Form von Geschenken. Die Gefahr einer unzulässigen Beeinflussung wurde hier stets eher als im Bereich von Patienten angenommen. Auch hier galt in der Vergangenheit der Grundsatz der Sozialadäquanz
Durch die Implementierung branchen- oder firmenspezifischer Compliance-Richtlinien ist diese Zuwendungspraxis jedoch weitestgehend beendet, sodass in tatsächlicher Hinsicht eine lediglich noch geringe Relevanz besteht. Dennoch sollten Ärztinnen und Ärzte auch hier stets äußerst sensibel prüfen, ob Präsente angenommen werden oder man diese sicherheitshalber dankend ablehnt. In Zweifelsfällen sollte eine rechtliche Bewertung bei Berufsverbänden oder einem anwaltlichen Berater eingeholt werden.