Leitantrag: HZV als Primärarztsystem stärken
Die künftige Regierungskoalition setzt in ihrem Koalitionsvertrag für eine “möglichst zielgerichteten Versorgung der Patientinnen und Patienten und für eine schnellere Terminvergabe auf ein verbindliches Primärarztsystem bei freier Arztwahl durch Haus- und Kinderärzte in der Hausarztzentrierten Versorgung und im Kollektivvertrag.”
Die damit verbundene Anerkennung der zentralen Rolle der hausärztlichen Praxen in der Versorgung ist ein fundamentaler politischer Paradigmenwechsel, für den die Hausärztinnen und Hausärzte seit Jahren gemeinsam gekämpft haben.
Die Delegiertenversammlung fordert deshalb den konsequenten Ausbau und die langfristige Sicherung der hausarztzentrierten Versorgung (HZV). Mit der HZV kann die Politik bei der Umsetzung eines Primärarztsystems auf eine bundesweit etablierte und umfassend evaluierte Versorgungsform bauen, die den politischen Anforderungen bereits heute gerecht wird.
Kein anderes Versorgungsmodell bietet die vertragliche Verbindlichkeit, die koordinative Stärke und die gelebte Versorgungssteuerung, wie sie in der HZV bereits mit mehr als 10 Millionen Patientinnen und Patienten täglich praktiziert wird. Die HZV war und ist der Innovationsmotor im deutschen Gesundheitswesen.
So ist die HZV Vorreiterin bei der Delegation von Aufgaben an nichtärztliche Fachkräfte, Digitalisierung, hybrider Versorgung und neuen Arbeitsmodellen (hausärztliche Primärversorgungszentren: HÄPPI).
Die Verträge nach § 73b SGB V sind dazu konsequent weiterzuentwickeln, dauerhaft abzusichern und gezielt, um selektivvertragliche Facharztverträge zu ergänzen. Die hausärztlich koordinierte Versorgung der Zukunft entsteht nicht in bürokratischen Strukturen, sondern dort, wo Verlässlichkeit, Steuerung und Qualität zusammengedacht werden – in der HZV.
Das Kollektivvertragssystem der Kassenärztlichen Vereinigungen ist historisch auf die gleichrangige Vertretung aller Fachgruppen angelegt. Unter diesen Rahmenbedingungen ist die Etablierung einer strukturierten Patientensteuerung durch Hausärztinnen und Hausärzte nur eingeschränkt möglich. Die Erfahrung zeigt überdies, dass hausärztliche Interessen im KV-System regelhaft marginalisiert werden.
Das KV-System ist geprägt von Einzelleistungen in der Vergütung, punktuellen Honorarbeschlüssen und einer Selbstverwaltung, die mehr auf den Ausgleich zwischen unterschiedlichen Interessen ausgerichtet ist, als auf strukturelle Reformen. Die Folge ist eine Fragmentierung der Versorgung: unklare Zuständigkeiten, fehlende Verbindlichkeit in der Mit- und Weiterbehandlung, doppelte Untersuchungen und eine Bürokratie, die wertvolle Ressourcen bindet.
Ein echtes Primärversorgungssystem setzt voraus, dass Patientinnen und Patienten strukturiert durch das Versorgungssystem geführt werden, dass Versorgung aus einer Hand koordiniert wird und dass hausärztliche Verantwortung vertraglich und finanziell abgesichert ist. Diese Anforderungen lassen sich im kollektivvertraglichen System der Kassenärztlichen Vereinigungen in seiner derzeitigen Struktur nur mit massiven Reformen erfüllen, die im Übrigen extrem kontrovers diskutiert werden würden.
Versuche, eine hausärztliche Primärversorgung innerhalb des KV-Systems zu etablieren, erfordern massive strukturelle und prozedurale Veränderungen in der Versorgungs- und Vergütungslogik des Kollektivvertrags – weil das System im Moment auf Gleichrangigkeit statt auf Koordination angelegt ist. Eine reine Überweisungssteuerung durch Hausärztinnen und Hausärzte, wie in der Regelversorgung, ist nicht ausreichend, um das System wirklich zu entlasten.
Es bedarf vielmehr einer echten hausärztlichen Koordinierung, wie sie in der HZV bereits definiert ist und stattfindet. Eine nachhaltige Primärversorgung erfordert daher gezielte strukturelle und vertragliche Anpassungen, die im Rahmen der HZV bereits heute erfolgreich praktiziert werden.
Hausärztinnen und Hausärzte stehen bereit, Verantwortung zu übernehmen. Jetzt ist es am Gesetzgeber, die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen.
Antrag zum Primärarztsystem in Deutschland
Die Delegiertenversammlung möge beschließen sich ausdrücklich für ein Primärarztsystem in Deutschland auszusprechen. Dieses Primärarztsystem sollte sich vorrangig im HZV-System widerspiegeln.
Eine Abschaffung des aktuellen HZV-Systems durch Übernahme in die Regelversorgung lehnt der Hausärztinnen- und Hausärzteverband unter Bezug auf §73b SGB V ab.
Ein Primärarztsystem innerhalb des KV-Systems soll sich an die Vergütungssystematik der HZV anlehnen und nicht nur eine Erweiterung des jetzigen EBM `s darstellen.
Das Modell einer Betreupraxis oder Bezugspraxis, in den gebietsärztlichen Praxen, die Betreuung und Steuerung von Patienten übernehmen, lehnt der Hausärztinnen und Hausärzteverband ab.
Der Vorstand und alle Mitglieder in den Gremien werden aufgefordert die o. g. Eckpfeiler einer primärärztlichen Versorgung in allen Gremien, wie z. B. der KBV oder Bundesärztekammer, umzusetzen.
Gleichzeitig soll in den Gremien zusammen mit den gebietsärztlichen Kolleginnen und Kollegen für die Zukunft der Patientenversorgung und Steuerung die Schnittstellen definiert werden, die nötig sind um eine gute, erfolgreiche und effektive Zusammenarbeit zu ermöglichen.
Auch fordert die Delegiertenversammlung die Mitglieder in den Gremien auf, für die wenigen Patientengruppen Lösungen zu suchen, die auf Grund ihrer Erkrankung einen häufigen fachärztlichen Kontakt haben.
Ärztliche Berufsverbände einbinden
Die Bundesdelegiertenversammlung des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes fordert den Gesetzgeber auf, die Spitzenorganisation, die für die Wahrnehmung der Interessen der an der hausarztzentrierten Versorgung teilnehmenden Vertragsärzte maßgeblich ist, weiterhin aktiv in die politische Gestaltung des im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD vorgesehenen verbindlichen Primärarztsystems einzubinden.
HÄPPI ist Zukunft
Die Delegiertenversammlung fordert den Gesetzgeber auf, umgehend klare rechtliche Rahmenbedingungen für die interprofessionelle Zusammenarbeit in hausärztlichen Teampraxen, insbesondere HÄPPI, zu schaffen. Zudem fordern wir die Krankenkassen auf, im Rahmen der HZV entsprechende Teampraxiszuschläge zu vereinbaren und angemessen zu finanzieren.
Antrag zur Förderung der Umsetzung von HÄPPI
Die Bundesdelegiertenversammlung fordert die Krankenkassen eindringlich auf, ihre Verantwortung für eine zukunftsfähige Versorgungsgestaltung wahrzunehmen. Die Integration von HÄPPI in die HZV ist hierbei ein zentraler Baustein.
Insbesondere um die Delegation von Aufgaben an qualifizierte Fachkräfte zu ermöglichen, ist es unerlässlich, dass die Krankenkassen die erforderlichen zusätzlichen finanziellen Mittel bereitstellen und damit die Umsetzung dieses zukunftsweisenden Konzepts aktiv unterstützen.
Hausarzt-Facharzt-Verträge bundesweit fördern
Die Delegiertenversammlung fordert den Gesetzgeber auf, die bundesweite Etablierung von selektivvertraglich organisierten Hausarzt-Facharzt-Verträgen zu fördern. Diese sollen als Ergänzung zu bestehenden HZV-Verträgen eine strukturierte, gesteuerte und priorisierte Mit- und Weiterbehandlung im fachärztlichen Bereich ermöglichen.
GVSG richtig umsetzen
Die Delegiertenversammlung fordert die Kassenärztliche Bundesvereinigung auf, die im Rahmen des Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG) geschaffenen Regelungen zur Entbudgetierung vollständig und im Sinne der hausärztlichen Versorgungspraxen umzusetzen.
Jahres- und Vorhaltepauschalen sind so auszugestalten, dass sie echten hausärztlichen Versorgungsleistungen gerecht werden, praxistauglich sind und bürokratischen Mehraufwand vermeiden.
GOÄ-Reform nicht weiter verschleppen
Die Delegiertenversammlung begrüßt die Einigung zwischen Bundesärztekammer und der PKV auf eine neue Gebührenordnung für Ärztinnen und Ärzte (GOÄ) ausdrücklich. Der Bundesvorstand wird aufgefordert, sich nach der entsprechenden Beschlussfassung des 129. Deutschen Ärztetages gegenüber dem Bundesgesundheitsministerium dafür einzusetzen, dass die GOÄ-Reform nun zügig verabschiedet und in Kraft gesetzt wird.
Aus hausärztlicher Sicht stellt die Reform einen wichtigen Schritt zu einer modernen, leistungsgerechten und praxistauglichen Vergütung im privatärztlichen Bereich dar.
Reform der Approbationsordnung, JETZT!
Die Delegiertenversammlung fordert den Gesetzgeber auf, innerhalb der nächsten 12 Monate die Reform der Approbationsordnung endlich gemeinsam mit Bund und Ländern umzusetzen. Inhaltliche Grundlage dafür müssen die konsentierten Inhalte des Masterplans 2020 sein, die bis ins Jahr 2024 gemeinsam mit allen Stakeholdern weiterentwickelt und geeint wurden.
Landarztquote ausbauen
Die Delegiertenversammlung fordert den Bundes- und die Landesgesetzgeber auf, die Landarztquote bundesweit auf alle Bundesländer und medizinischen Fakultäten auszuweiten und ihre Umsetzung aktiv zu fördern. Die bestehenden Quoten sind zu überprüfen und – wo erforderlich – zu erhöhen, um dem steigenden hausärztlichen Versorgungsbedarf in strukturschwachen Regionen wirksam begegnen zu können.
Bei der Umsetzung von Landarztquoten ist eine enge Anbindung an die allgemeinmedizinischen Institute sowie die jeweiligen Landesverbände des Hausärztinnen- und Hausärzteverbands sicherzustellen und entsprechende Evaluationen durchzuführen, um eine hohe Erfolgsquote bei den Studierenden zu ermöglichen.
Die Lehrstühle müssen dabei mit den Teampraxen im ländlichen Raum kooperieren. Dies schließt auch Kooperationen in der Weiterbildung, z.B. durch gemeinsame QZ, Peer-Reviews und auch leitlinien-konforme Fortbildungen, ggf. auch in curricularen Strukturen ein.
Impfsaison 2025/26 gut vorbereiten!
Die Impfsaison 2025/26 muss jetzt gut vorbereitet werden, bevor es (wieder) zu spät ist. Die Delegiertenversammlung fordert:
- Das Bundesministerium für Gesundheit muss die rechtlichen Grundlagen für die eigenständige Abrechnungsmöglichkeit der Impfberatung schaffen, um die Impfquoten insgesamt zu erhöhen.
- Das Bundesministerium für Gesundheit sowie die Industrie müssen die Voraussetzungen dafür schaffen, dass bereits zur anstehenden Impfsaison Einzeldosen für die Corona-Schutzimpfungen zur Verfügung stehen
- Das Bundesministerium für Gesundheit und die Industrie müssen die Entwicklung von Kombinationsimpfstoffen (z. B. Influenza/COVID-19) forcieren, um die jährlichen Schutzimpfungen praxistauglicher zu machen.
Impfempfehlungen der STIKO schnell umsetzen
Die Bundesregierung und das Bundesgesundheitsministerium werden aufgefordert, unverzüglich eine gesetzliche Regelung zu beschließen, nach der die Impfempfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Tage des Beschlusses zu Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) werden.
Dies bedeutet konkret, dass bereits ab dem Tag der STIKO-Empfehlung die Hausarztpraxen die entsprechenden Impfstoffe über den Sprechstundenbedarf beziehen und Patientinnen und Patienten – vorübergehend über Kostenerstattung einer GOÄ-Rechnung – zu Lasten der GKV geimpft werden können.
Katastrophenschutz, Klimawandel und Anschlagereignisse
Der Hausärztinnen- und Hausärzteverband fordert von Politik und Gesellschaft angesichts zunehmender Herausforderungen durch den Klimawandel mit resultierenden Umweltkatastrophen, potenziellen Anschlagereignissen, potenziellen Kriegshandlungen und anderen Katastrophen den ambulanten Sektor optimal vorzubereiten, um so im Krisenfall eine stabile medizinische Versorgung sicherzustellen.
Wir fordern:
- Erarbeitung eines umfassenden Notfallplans für niedergelassene Ärzte und Ärztinnen und Psychotherapeuten und Psychotherapeutinnen.
- Bereitstellung konkreter Handlungsanweisungen für Niedergelassene zur Reaktion auf Extremwettereignisse, Pandemien und andere Notlagen.
- Einrichtung von Schulungen und Fortbildungen für medizinisches Personal zur Sensibilisierung und praktischen Umsetzung von Katastrophenschutzmaßnahmen.
- Schaffung von Kooperationsstrukturen mit anderen Akteuren des Gesundheitswesens, einschließlich Krankenhäusern, Rettungsdiensten und Katastrophenschutzbehörden.
- Sicherstellung der Verfügbarkeit von Notfallausrüstung und Medikamenten in Arztpraxen, um eine kurzfristige Reaktion auf Krisensituationen zu gewährleisten.
- Digitale Vernetzung und Kommunikationswege verbessern, um eine schnelle Abstimmung und Informationsweitergabe innerhalb des ambulanten Sektors zu ermöglichen.
- Bereitstellung der dafür notwendigen finanziellen Mittel.
Rolle der primärärztlichen Gesundheitsversorgung bei dysfunktionaler Infrastruktur
Primärversorgende hausärztliche Praxisteams können eine wichtige Rolle zum Aufrechterhalten der Gesundheitsversorgung bei dysfunktionaler Infrastruktur übernehmen.
Eine koordinierte Beteiligung an der notwendigen Planung muss möglichst frühzeitig erfolgen.
Hierzu verfügt der Hausärztinnen- und Hausärzteverband durch seine eigene Organisationsstruktur mit praktischen Erfahrungen und großer Reichweite über die notwendige Expertise.
Um diese effizient und effektiv einzubringen, soll eine abgestimmte aktive Kontaktaufnahme mit den hiermit befassten Verwaltungsebenen angestrebt werden.
GKV-Beiträge gezielt für Versorgung nutzen
Die Bundesdelegiertenversammlung beauftragt den Vorstand des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes gegenüber Kostenträgen, Politik und Öffentlichkeit eine Entlastung der GKV von versicherungsfremden Leistungen einzufordern.
Die Beitragsmittel sind für die medizinische Versorgung der Beitragszahler einzusetzen.
Ein verantwortlicher Umgang mit den begrenzten finanziellen Mitteln der GKV beinhaltet auch die Notwendigkeit einer veränderten Struktur im Bereich der Krankenkassen selbst.
Einsparungen zu Lasten der vertragsärztlichen Leistungen können keine patientenorientierte Lösung sein, sondern sie gefährden eine zukünftige Versorgung auf qualitativ hohem Niveau.
Diversität hausärztlicher Versorgung erhalten und stärken
Die Vielfalt hausärztlicher Versorgungsformen ist eine Stärke unseres Gesundheitswesens. Sie ermöglicht eine niedrigschwellige, individuelle und resiliente Versorgung, die sozial- und patientenzentriert ist und sich an der Lebensrealität sowie den Lebensumständen der Menschen orientiert.
Die Bundesdelegiertenversammlung des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes bekennt sich ausdrücklich auch zur hausärztlichen Einzelpraxis als einem zentralen Pfeiler der ambulanten Versorgung in Deutschland – heute wie in Zukunft.
Die Delegiertenversammlung fordert Politik, Selbstverwaltung und alle beteiligten Akteure im Gesundheitswesen auf, auch die Einzelpraxis mit verlässlichen Rahmenbedingungen und verbindlichem Bekenntnis als attraktive, tragfähige und qualitativ hochwertige Versorgungsform gleichwertig neben anderen Modellen zu sichern und weiterzuentwickeln.
Schaffung eines iMVZ-Regulierungsgesetzes
Die Delegierten des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes fordern die neue Bundesregierung auf, das im Koalitionsvertrag angekündigte iMVZ-Regulierungsgesetz schnell umzusetzen. Grundlage soll die Entschließung des Bundesrates vom 16.06.2023 sein, der nicht nur ein Transparenzregister, sondern darüber hinaus räumliche und versorgungsanteilige Begrenzungen fordert.
Digitale Versorgung ja – aber bitte praxistauglich
Die Delegiertenversammlung fordert den Gesetzgeber auf, die geplante Hochlauf-Phase der elektronischen Patientenakte (ePA) zwingend zu nutzen, um zentrale Kriterien der Nutzbarkeit in der Versorgung zu prüfen und erst auf dieser Grundlage über eine verpflichtende Nutzung zu entscheiden.
Vor einer verpflichtenden Einführung müssen zentrale Anforderungen wie Datensicherheit, technische Stabilität und Nutzerfreundlichkeit zuverlässig erfüllt sein. Die Einbeziehung der ärztlichen Anwenderinnen und Anwender – insbesondere durch eine begleitende Nutzerbefragung – ist zwingend erforderlich. Sanktionen oder Honorarkürzungen im Zusammenhang mit der ePA lehnen wir entschieden ab.
Von der Akte zum Nutzen – ePA mit Versorgungslogik denken
Die Delegiertenversammlung fordert den Gesetzgeber auf, die inhaltliche Ausgestaltung der elektronischen Patientenakte (ePA) an den tatsächlichen Versorgungsbedarfen zu orientieren. Vorrangig sind folgende Funktionalitäten umzusetzen:
- eine funktionierende Volltextsuche und Filterfunktion für alle Dokumente und Daten innerhalb der ePA
- ein verbindlicher, sektorenübergreifender elektronischer Medikationsplan
- ein automatisiert befüllbarer digitaler Impfpass
Darüber hinaus ist das medizinische Informationsobjekt (MIO) “Labor” zügig bereitzustellen. Dabei ist sicherzustellen, dass das “Hochladen” der Laborbefunde in die ePA i.d.R. durch die Laborärzteschaft erfolgt.
Künstliche Intelligenz: Werkzeug, nicht Ersatz
Die Delegiertenversammlung fordert den Gesetzgeber auf, klare gesetzliche Rahmenbedingungen für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in der hausärztlichen Versorgung zu schaffen. KI-gestützte Anwendungen können ärztliche Entscheidungen unterstützen, dürfen aber die ärztliche Verantwortung nicht ersetzen.
Notwendig sind rechtsverbindliche Vorgaben zur Zertifizierung, Haftung und Transparenz sowie eine verbindliche Verankerung des Themas in der Aus-, Weiter- und Fortbildung. Auch bei der Entwicklung von medizinischen Leitlinien muss künftig der Nutzung von KI in der Versorgung Rechnung getragen werden.
Patienten- bzw. Einweiserportale standardisieren
Die Delegiertenversammlung fordert den Gesetzgeber auf, einheitliche Standards für digitale Einweiserportale von Krankenhäusern zu etablieren bzw. hier eine einheitliche Krankenhausübergreifende Lösung zu schaffen. Diese Portale sollen verpflichtend die Nutzung der elektronischen Patientenakte (ePA) sowie der Kommunikationsdienste KIM und TIM ermöglichen, um eine sektorenübergreifende, sichere und effiziente Kommunikation zwischen Krankenhäusern und hausärztlichen Praxen zu gewährleisten.
Digitale Vernetzung mit den Krankenhäusern
Die Delegierten des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes fordern den Gesetzgeber auf, die Digitalisierung der Krankenhäuser als nächsten wichtigen Schritt in der Digitalisierung des Gesundheitswesens in Deutschland deutlich zu forcieren. Dafür ist die flächendeckende Nutzung von KIM durch die Krankenhäuser, die bereits vom Gesetzgeber vorgeschrieben ist, zwingende Voraussetzung und muss deshalb praktisch umgesetzt werden.
Die Übermittlung von Entlassbriefen in die ambulanten Praxen muss als Medizinischen Informationsobjekt (MIO) Entlassbrief erfolgen, damit die Daten strukturiert übertragen und automatisiert in den PVS verarbeitet werden können. Dies beinhaltet auch die Übermittlung der aktuellen Entlass-Medikation.
Digitale Schnittstellen zu Behörden schaffen
Die Delegiertenversammlung fordert den Gesetzgeber auf, externen Einrichtungen wie die Landesämtern für Versorgung, die Deutsche Rentenversicherung, die Arbeitsagenturen sowie dem Öffentlichen Gesundheitsdienst zu verpflichten, zeitnah (bis zum 1.1.2027) eine vollständig digitale Kommunikation mit den hausärztlichen Praxen anzubieten. Die Lösungen müssen praxistauglich, datenschutzkonform und in bestehende Systeme (z. B. TI) integrierbar sein.
Vermeidung von Regressen durch Transparenz
Regressforderungen gegenüber Vertragsärztinnen und Vertragsärzten stellen einen erheblichen wirtschaftlichen und administrativen Schaden dar. Sie belasten nicht nur die betroffenen Praxen, sondern auch die Kassenärztlichen Vereinigungen und gesetzlichen Krankenkassen mit vermeidbarem bürokratischem Aufwand.
Zur effektiven Vermeidung von Regressen ist es zwingend erforderlich, dass Ärztinnen und Ärzte bereits im Rahmen ihrer Verordnungsentscheidungen vollständige Transparenz über die wirtschaftlichen Prüfmechanismen erhalten.
Der Hausärztinnen- und Hausärzteverband fordert, Regressforderungen durch technische Prävention bereits im Vorfeld zu verhindern, um so sowohl Praxen als auch die Selbstverwaltung und Kostenträger deutlich zu entlasten.
- Die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen), die gesetzlichen Krankenkassen sowie die Hersteller von Praxisverwaltungssoftware (PVS) werden aufgefordert, sämtliche Algorithmen, Mechanismen, Prüfprotokolle, Programme und sonstigen Verfahren, mit denen die Wirtschaftlichkeit ärztlicher Verordnungen geprüft wird, vollständig und transparent offenzulegen und zugänglich zu machen.
- Die Hersteller von Praxisverwaltungssoftware werden aufgefordert, diese Prüfmechanismen und -protokolle in ihre Systeme zu integrieren, sodass eine unmittelbare Rückmeldung zur Wirtschaftlichkeit einer Verordnung im Rahmen der täglichen Arbeit in der Praxis möglich wird.
- Die Kassenärztlichen Vereinigungen sollen darauf hinwirken, die Integration dieser Prüfmechanismen in die jeweiligen PVS verbindlich vorzuschreiben, sodass alle Ärztinnen und Ärzte von einer frühzeitigen Prüfung und Rückmeldung profitieren können.
Telemedizin sinnvoll einbinden
Die Delegiertenversammlung fordert den Bundesvorstand auf, sich gegenüber dem Gesetzgeber, den Krankenkassen und den Kassenärztlichen Vereinigungen dafür einzusetzen, dass telemedizinische Leistungen sinnvoll in die hausärztliche Versorgung eingebunden werden. Telemedizinische Angebote dürfen die koordinierte Versorgung nicht schwächen oder zu unnötigen Doppelstrukturen führen.
Krankenkassen sind aufgefordert, keine parallelen Inanspruchnahmewege zu schaffen, die zulasten der Versorgungskontinuität, der Versorgungsqualität und der Effizienz gehen.
Ärztegesundheit in der Weiterbildung
Die Bundesärztekammer wird aufgefordert sich dafür einzusetzen, dass die Ärztegesundheit über das Genfer Gelöbnis hinaus zu einer gelebten Praxis wird.
Konkret sollte dem ärztlichen Nachwuchs ermöglicht werden eine gesündere Einstellung zur eigenen Krankheit und Gesundheit zu entwickeln. Dafür ist es wichtig, Krankheit als solche anzuerkennen und zu akzeptieren.
Dies soll bereits in der Weiterbildung umgesetzt werden: Krankheitstage dürfen in der Weiterbildung nicht mehr zu Lasten von Lern- oder Urlaubstagen gehen! Die Möglichkeit einer begrenzten Zahl von Krankheitstagen, die für die Weiterbildungszeit zählen, muss auch im Paragrafenteil der (Muster-) Weiterbildungsordnung ergänzt werden, durch eine angemessene und einheitliche Fehlzeitenregelung von z. B. 6 Wochen pro Kalenderjahr.
Das oft vorgebrachte Gegenargument, dass Einzelfallentscheidungen auf Kammerebene flexibler wären, trägt hier nicht, da die Kammern nach Einführung einer festgeschriebenen Mindestzahl möglicher Krankheitstage gegebenenfalls auch darüber hinausgehen könnten.
Hausärztliche Weiterbildung in sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtungen
Der Hausärztinnen- und Hausärzteverband fordert die Ärztekammern auf, die Weiterbildungs- Befugniserteilung strikt an den Vorgaben zu orientieren, die in der Weiterbildungsordnung festgelegt sind.
Insbesondere Sektorübergreifende Versorgungseinrichtungen (Level 1i Krankenhäuser) müssen alle Bedingungen zur Befugniserteilung für den ambulanten Teil der Allgemeinmedizinischen Weiterbildung erfüllen. Die Ärztekammern haben darauf zu achten, dass u. a. der § 4 (Art, Inhalt und Dauer) Abs. 5 in der (Muster-) Weiterbildungsordnung (“Sie (die Weiterbildung) setzt die Beteiligung an sämtlichen ärztlichen Tätigkeiten in dem Bereich voraus, in dem die Weiterbildung erfolgt.”) bei der Befugniserteilung geprüft wird.
Wartezeit bis zur Facharztprüfung
Die Delegiertenversammlung des Hausärztinnen- und Hausärzteverbands e.V. fordert die Ärztekammern auf, Regelungen einzuführen, die gewährleisten, dass die Facharztprüfung Allgemeinmedizin bei rechtzeitiger Beantragung z. B. innerhalb von 4 Wochen nach Vollendung der Weiterbildungszeit stattfindet.
Um diese zeitnahe Vergabe von Prüfungsterminen sicherzustellen, sollten die Ärztekammern die Antragstellung zur Zulassung zur Facharztprüfung Allgemeinmedizin und die Prüfung der bereits vorhandenen Unterlagen auch vor vollständigem Abschluss der Weiterbildungszeit ermöglichen und das konkrete Vorgehen öffentlich und transparent, beispielsweise über die Internetseiten der zuständigen Ärztekammern, kommunizieren.
Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs
In Fortführung der Beschlüsse aus Münster (April 2023) und Berlin (September 2024) wird der Vorstand des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes aufgefordert, sich aktiv dafür einzusetzen, dass der TOP zur Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs auf dem 129. Deutschen Ärztetag mit einem positiven Beschluss zur gesetzlichen Neuregelung außerhalb des Strafgesetzbuches verabschiedet wird.
Aufnahme von Ärzten und Psychotherapeuten in den § 115 StGB
Der Bundesgesetzgeber wird aufgefordert, aufgrund der zunehmenden Gewalt gegen Ärzte, Psychotherapeuten und Praxismitarbeitern, Praxis-Teams der niedergelassenen Ärzteschaft in den § 115 StGB aufzunehmen.
Gewalt gegen Frauen
Hausärztinnen und Hausärzte sind erste Ansprechpartner für Frauen in Not. In der hausärztlichen Arbeit sind wir prädestiniert eine umfassende Hilfestellung für dieses bisher ungelöste gesellschaftliche Problem anzubieten. Dazu wären folgende Maßnahmen zu empfehlen:
- Niederschwellige Information und Ansprache der Frauen bundesweit in den hausärztlichen Praxen mittels Wartezimmer TV, Flyern und Plakaten- mehrsprachig (Aufklärung über Tatbestände, Rechte und Hilfemöglichkeiten- Erstellen eines Spots durch den HÄ-Verband), ggf. TV.-Spot (gesponsert von der Bundesregierung oder einer Stiftung mit Hinweis auf die Ansprechmöglichkeit in den HA.-Praxen), wie zum Beispiel: https://rtb-gesundheit.de/praxismaterialien
- Vorhaltung einer umfassenden Informationsquelle für die Hausärztinnen und Hausärzte über die rechtlichen Rahmenbedingungen (Gewalt in der Ehe, sexuelle Gewalt, Femizid, Stalking) und Hilfsangebote, zum Beispiel durch den weiteren Ausbau und verstärkte Bewerbung der vorhandenen Deximed-Rubrik: ” Gewalt gegen Frauen”. Wie zum Beispiel: https://www.bda-hausaerzteverband.de/arbeitsgruppen/gewalt-in-der-haeuslichkeit und https://deximed.de/home/praxiswissen/thema-der- woche-archiv/2023-w49
- Information für die Kolleginnen und Kollegen des Stellenwertes dieses Problem, der Präsentationsformen und der “Symptome” und Hilfsmöglichkeiten durch einen PTQZ-Vortrag und gegebenenfalls Vortrag auf Hausärztetagen, practica etc.
Abschaffung der TSVG-Terminregelung
Die Delegierten des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes fordern die neue Bundesgesundheitsministerin auf, die seit 1. Januar 2023 geltenden Regelungen zur TSVG-Terminregelung durch eine geeignete Neuregelung zu ersetzen, die den ursprünglichen Willen des Gesetzgebers, nämlich eine schnellere Verfügbarkeit von Facharztterminen zu gewährleisten, tatsächlich gerecht wird, und einen entsprechenden Vorschlag in das parlamentarische Verfahren umgehend einzubringen.
Auftrag zur Änderung des Einsatzes von Leasingkräften
Der zunehmende Einsatz von Leasingkräften im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung in Pflegeeinrichtungen und Pflegeheimen führt zu erheblichen Problemen, die sowohl die Versorgungsqualität als auch die Zusammenarbeit mit Hausärztinnen und Hausärzte negativ beeinflussen. Aus diesem Grund fordern wir die Politik dringend auf, Maßnahmen zu ergreifen, um diesen Missstand zu beheben und die Pflegequalität in Deutschland nachhaltig zu verbessern.
Der Einsatz von Leasingkräften in Pflegeeinrichtungen ist keine nachhaltige Lösung für den Fachkräftemangel und führt zu erheblichen Qualitätsmängeln in der Pflege. Wir appellieren daher an die Politik, dringend Maßnahmen zu ergreifen, um den Einsatz von Leasingkräften zu begrenzen und die Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte zu verbessern. Nur so kann eine qualitativ hochwertige und bedürfnisorientierte Pflege gewährleistet werden.
HZV-Zuschlag “Klimaresiliente Versorgung” ausweiten
Der Hausärztinnen- und Hausärzteverband setzt sich dafür ein, dass ein Zuschlag für “Klimaresiliente Versorgung”, der unter anderen in den HZV-Verträgen der AOK Baden-Württemberg und Betriebs- Krankenkassen bereits vertraglich etabliert wurde, auch in allen anderen HZV-Verträgen niederschwellig eingeführt wird.
Gesundheitskompetenz stärken
Alle klagen über schwindende Gesundheitskompetenz. Die hausärztliche Beratung stellt eine effektive Kurzintervention zur Förderung der Gesundheitskompetenz dar. Allgemeinmedizinisches Wissen muss die Bevölkerung besser erreichen. Politische Gremien werden aufgefordert, sich für mehr bezahlte hausärztliche Beratungszeit einzusetzen, auch durch das hausärztliche Team.
Das Aus für die Humaninsuline verhindern!
Die Delegierten fordern die Bundesregierung auf, Maßnahmen für die Sicherstellung der Versorgung mit NPH-Insulinen in Deutschland sicherzustellen. Die Bundesregierung wird aufgefordert, frühzeitig mit Europäischen Herstellern in Verhandlungen zu treten, um eine drohende Versorgungslücke zu verhindern.
Der Vorstand möge sich hierfür in seiner berufspolitischen Arbeit einsetzen. NPH-Insuline sind nur ein Beispiel für die Verknappung von essenziell in der Versorgung benötigten Arzneimitteln aufgrund von kommerziellen Interessen. Dem ist entgegenzuwirken.
Finanzielle Rahmenbedingungen für Forschung in Praxen schaffen
Der Gesetzgeber wird aufgefordert, im ambulanten hausärztlichen Sektor personelle und finanzielle Rahmenbedingungen zu schaffen, um Gesundheits- und Versorgungsforschung zukünftig sektorenübergreifend vernetzt abbilden zu können.
Forderung nach Beschränkung der unbefristeten und unbedingten Pflicht zur Ermächtigung von sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtungen (vormals Level 1i Krankenhäusern) zur hausärztlichen Versorgung
Die Delegiertenversammlung fordert den Gesetzgeber auf, die mit dem KHVVG beschlossene, unbefristete und unbedingte Pflicht des jeweiligen Zulassungsausschusses zur Ermächtigung von sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtungen (vormals Level 1i Krankenhäuser) zur hausärztlichen Versorgung in Planungsbereichen, in denen für die hausärztliche Versorgung keine Zulassungsbeschränkungen angeordnet sind (vgl. § 116a Abs. 2 SGB V), abzulehnen.
Wettbewerbsgleichheit herstellen!
Die Delegierten fordern Ärztekammern, Kassenärztliche Vereinigungen und das Bundesministerium für Gesundheit auf, die Wettbewerbsgleichheit zwischen niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten und Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) herzustellen. Die Regeln zur Berufsausübung hinsichtlich Wettbewerb und ärztlicher Werbung müssen gleichermaßen für alle in der ambulanten Versorgung tätigen Leistungserbringer gelten – unabhängig von der Niederlassungsform der Versorgungseinheit. Der Vorstand möge sich hierfür in seiner berufspolitischen Arbeit einsetzen.
NVL: Anschlussstruktur für das ÄZQ ist jetzt zu schaffen!
Die Bundesdelegiertenversammlung des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes fordert das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) auf, die angekündigte operative Koordination des Programms für Nationale Versorgungsleitlinien (NVL) zügig aufzunehmen und die Umsetzung in enger Kooperation mitdem Institut für Medizinisches Wissensmanagement (IMWi) der AWMF sowie den wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften voranzutreiben.
Die fachliche Unabhängigkeit, die interdisziplinäre Konsensfindung und die sektorenübergreifende Versorgungsorientierung müssen dabei dauerhaft gewährleistet bleiben.