Auf der Zielgeraden der noch amtierenden Bundesregierung kämpft der Hausärztinnen- und Hausärzteverband weiter für die Entbudgetierung hausärztlicher Leistungen und drängt – mit Hilfe der Stimmen von Medizinischen Fachangestellten (MFA) sowie Patientinnen und Patienten – die neue Bundesregierung, die hausärztliche Versorgung zügig und nachhaltig zu stärken. Dazu wurde in enger Zusammenarbeit mit dem Verband medizinischer Fachberufe (vmf) eine Petition formuliert, die ab sofort unterzeichnet werden kann.
Die Petition ist Kernstück der Kampagne „Wir brauchen Ihre Stimme!“ Zu deren Auftakt haben die Verantwortlichen der beiden Verbände am Mittwoch (15. Januar) klargemacht, dass der kommenden Regierung gleich zum Amtsantritt ein klarer Auftrag mit auf den Weg gegeben werden soll. Dass die Petition das nötige Quorum erreicht, um im Petitionsausschuss des Bundestags Gehör zu finden – hierfür sind 30.000 Unterschriften nötig -, steht für Dr. Markus Beier, Co-Vorsitzender des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes, nicht in Frage.
Mit der Kampagne betreibe man “Wahlkampf im Wartezimmer”, räumte Co-Vorsitzende Prof. Nicola Buhlinger-Göpfarth ein. Gemeinsam mit vmf-Präsidentin Hannelore König stellte sie klar, dass keine Wahlempfehlung abgegeben werde – jedoch seien alle, Hausärztinnen und Hausärzte, ihre rund 200.000 MFA sowie die Patientinnen und Patienten in den Wartezimmern, aufgerufen, sich kritisch mit den Wahlversprechen auseinanderzusetzen und Druck auf die Politik auszuüben, beispielsweise durch Nachfragen bei den zuständigen Abgeordneten oder eben das Unterzeichnen der Petition.
Bei einer Befragung im Auftrag des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes hatten Anfang September 2024 rund 38 Prozent der Befragten angegeben, dass die Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung ihre Wahlentscheidung beeinflusse.
Doch noch Hoffnung für die Entbudgetierung?
“Wir werden den Druck so lange aufrechterhalten, bis unsere Forderungen – nicht nur die Entbudgetierung – durch sind”, kündigte Buhlinger-Göpfarth an. Die Stärkung der Hausarztpraxen und die Stärkung der HZV müssten jetzt geschehen. “Ohne die Stärkung der HZV ist eine hausärztliche Versorgung in Zukunft nicht mehr sicherzustellen.”
Unterdessen sieht sie einen neuen Funken Hoffnung, dass die Entbudgetierung doch noch in den verbleibenden Wochen der amtierenden Bundesregierung umgesetzt werden könnte. Denn die FDP, die sich hier zuletzt weggeduckt hatte, habe sich nun mit einem Schreiben an die Hausarztpraxen im Land gewandt und sich als Befürworterin der Entbudgetierung dargestellt, berichtete die Co-Bundesvorsitzende. “Diesen Briefen müssen nun Taten folgen”, fordert sie. Mit der Zustimmung der FDP sei nun rechnerisch eine Mehrheit für die Entbudgetierung im Bundestag vorhanden. Mit der Zustimmung der FDP sei nun rechnerisch eine Mehrheit für die Entbudgetierung im Bundestag vorhanden.
Zur Erinnerung: Die Entbudgetierung hausärztlicher Leistungen hatte nach langem Kampf des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes zwar Eingang in den Entwurf des Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetzes (GVSG) gefunden. Trotz seines bereits fortgeschrittenen Stadiums im parlamentarischen Verfahren wird dieses jedoch voraussichtlich dem Aus der Ampelkoalition zum Opfer fallen – kommt eben keine neue Bewegung auf.
Lage in Praxen ist “dramatisch”
Wie “dramatisch” das für Hausärztinnen und Hausärzte ist, weiß Buhlinger-Göpfarth aus eigener Erfahrung. Ihr eigenes Praxisteam habe jüngst in gleicher Besetzung rund 1.000 Patientinnen und Patienten neu aufgenommen, nachdem zwei Praxen im Umkreis geschlossen hätten. “Die Lage in den Praxen ist äußerst angespannt”, berichtet sie.
Buhlinger-Göpfarth erinnert an die bundesweit rund 5.000 unbesetzten Hausarztsitze. Das bedeute, dass fünf Millionen Versicherte auf der Suche nach einer Hausarztpraxis seien. Aufgrund der weiter bestehenden Budgetierung arbeiteten die Praxen für die fehlenden Kolleginnen und Kollegen unentgeltlich mit. Buhlinger-Göpfarth erinnerte an Auszahlungsquoten von teils nur 68 Prozent, wie es in Hamburg der Fall sei.
Dass sich die Situation verschärfen wird, belegten unterdessen interne Umfragen des Verbandes. Demnach wollen 20 Prozent der Hausärztinnen und Hausärzte frühzeitig (vor Eintritt in die reguläre Rente) die Praxis abgeben, zwei Drittel geben als Grund die hohe Arbeitsbelastung an.
Konkurrenz um Fachkräfte spitzt sich zu
Eine wohnortnahe Versorgung sicherzustellen, sei “eines der großen Themen unseres Landes”, betonte vor diesem Hintergrund Co-Bundesvorsitzender Dr. Markus Beier. So nehme man im Austausch mit Bürgermeistern und Landräten, aber eben auch Patientinnen und Patienten, große Sorge diesbezüglich wahr.
Doch: Ohne Fachkräfte sei eben diese wohnortnahe Versorgung nicht sicherzustellen, warnten die Verantwortlichen der Verbände unisono. So sinke die Zahl der sozialversicherungspflichtig beschäftigten MFA im Gesundheitswesen, berichtete vmf-Präsidentin Hannelore König (minus 1,2 Prozent 2022 im Vergleich zu 2021). Während Arztpraxen als Arbeitgeber immer weniger attraktiv würden, steige die Zahl der MFA in anderen Praxen. “Physiotherapeuten oder Logopäden entdecken MFA als hochqualifizierte Fachkräfte”, beobachtet König. Zudem seien die Kliniken weiter große Konkurrenz. “Sogar die Zahl der MFA in der Pflege, also direkt am Bett, steigt.” Pläne wie Integrierte Notfallzentren (INZ) und Primärkrankenhäuser würden die Konkurrenz um Fachkräfte weiter verschärfen, warnt sie.
Die Politik für diese dramatische Lage zu sensibilisieren, ist Ziel der Kampagne “Wir brauchen Ihre Stimme!” Die Hausarztpraxen in Deutschland erhalten nun Pakete, in denen unter anderem Unterschriftenlisten enthalten sind. Diese können in der Praxis ausgelegt werden und müssen dann regelmäßig an den Petitionsausschuss des Bundestags übermittelt werden, um in die Zählung aufgenommen zu werden. Darüber hinaus sollen Praxisplakate auf die Aktion aufmerksam machen.
Dass sich Hausärztinnen und Hausärzte in den Wahlprogrammen für die im Februar stattfindende Bundestagswahl explizit wieder finden, wertet Bundesvorsitzender Beier unterdessen als positives Zeichen. “Dies war vor der letzten Wahl nicht der Fall”, beobachtet er.
Als nächster Schritt gelte es nun, mit den Forderungen Eingang in den neuen Koalitionsvertrag zu finden.