Die Kasseler Malerin Christine Reinckens hat sich des Wartens angenommen – und Bilder geschaffen, die nicht nur dieses Dossier schmücken.
Wenn das Warten länger dauert, gehen die Gedanken auf Wanderschaft. Was war, was wird sein? Wo komm´ ich her, wo geh´ ich hin? Verliert sich der Blick von Wartenden im Unendlichen, liest Christine Reinckens Grundsatzfragen in ihren Gesichtern. Die Malerin aus Kassel beobachtet gerne Menschen, den Dreh- und Angelpunkt ihres Schaffens. Und sie betrachtet gerne Wartende.
Gelegenheit dazu hat sie genug, denn ihre Modelle brauchen Geduld, bis sie den Moment aufs Papier gebracht hat, der ihr wichtig ist. Und sie reist viel. Wartende am Flughafen sind ihr die liebsten, weil sie fast alle fröhlich und entspannt sind. Die unerschöpfliche Variation der menschlichen Posen im Warten ist ein Faszinosum für die Künstlerin, dem sie deshalb vor einigen Jahren einen ganzen Werkzyklus in Öl gewidmet hat:
Wie die Menschen sitzen, stehen, lümmeln, kurz wegdämmern. Wie sie es sich mit übereinandergeschlagenen oder breiten Beinen bequem machen, die Arme baumelnd, über Kreuz oder aufgestützt, die Köpfe geneigt, nach vorn gebeugt, der Blick in die Ferne, auf den Boden, ins Nichts gerichtet: All das spiegelt sich in ihrem Werk.
Spannung von Nähe und Distanz
Den Auftakt bildete ein meterlanger Fries, entstanden in zwei Jahre langer Denk-, Skizzen- und Malarbeit. 2009 war das kiloschwere Mammutwerk – Öl auf Holz – fertig. Es zeigt 20 Männer, Frauen, Kinder und Alte auf einer Bank im Nirgendwo, realistisch in ihrem persönlichen Moment eingefangen. Wartende, die Reinckens im Laufe der Jahre beobachtet und für die sie eigens Modelle engagiert hat. Menschen im Spannungsverhältnis von Nähe und Distanz, verbunden durch die endlose Horizontale der Bank. Jeder für sich und doch Teil einer unausgesprochenen Gemeinschaft, die das Warten eint. Worauf eigentlich? Es ist nicht wichtig.