Gütersloh. Ein Viertel der Hausärztinnen und Hausärzte in Deutschland plant, ihre Tätigkeit innerhalb der nächsten fünf Jahre aufzugeben. Diejenigen, die ihren Beruf weiter ausüben möchten, wollen ihre Wochenarbeitszeit bis 2030 durchschnittlich um zweieinhalb Stunden reduzieren.
Das sind Ergebnisse der Umfrage: „Wie wollen Hausärztinnen und Hausärzte zukünftig arbeiten?”, die die Bertelsmann Stiftung zusammen mit der Universität Marburg durchgeführt und dazu knapp 3700 Hausärztinnen und Hausärzte befragt hat.
Bürokratie erstickt die Arbeitslust
Die Gründe für die geplante Abkehr sind längst bekannt: Jeder vierte Befragte berichtete, dass Software-Probleme täglich mehrfach Sand ins Getriebe der Praxis streuen und die Abläufe gestört werden.
Auch die tägliche Bürokratie verleidet den Ärztinnen und Ärzten den Spaß an der Arbeit.
Dabei gaben die befragten Hausärztinnen und Hausärzte an, im Schnitt 44 Stunden pro Woche zu arbeiten. Damit liege die Wochenarbeitszeit zehn Stunden über der durchschnittlichen Arbeitszeit aller Beschäftigten in Deutschland, stellt die Bertelsmann Stiftung am Mittwoch (11.6.) fest.
Handlungsoptionen liegen auf dem Tisch
Enorme Bürokratie sowie fehlerhafte Digitalisierungsprozesse, die den Praxen aufgebürdet werden, führten zu wachsendem Frust mit entsprechenden Konsequenzen, bestätigen die Co-Bundesvorsitzenden des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes, Prof. Dr. Nicola Buhlinger-Göpfarth und Dr. Markus Beier. Dabei gebe es klare Handlungsoptionen, um die Hausärztinnen und Hausärzte in ihren Praxen deutlich zu entlasten.
“Bürokratiereduktion, eine funktionierende Digitalisierung, aber vor allem auch die stärkere Übertragung von Aufgaben an unsere Praxisteams können die Praxen nachhaltig stärken”, so Buhlinger-Göpfarth und Beier weiter.
Konzepte gebe es bereits, die sich schnell in die Versorgung integrieren ließen. So weisen die beiden Bundesvorsitzenden am Mittwoch (11.6.) auf das HÄPPI-Konzept des Verbandes als zukunftsfähige Lösung hin.
Modernisieren statt nur Löcher stopfen
Buhlinger-Göpfarth und Beier: “Diese Wege müssen dringend weiter ausgebaut werden – das bestätigt ja auch die Umfrage der Bertelsmann Stiftung. Unter diesen Voraussetzungen werden wir auch ein gut umgesetztes Primärarztsystem, wie die Politik es aktuell plant, stemmen können.”
Auch die Bertelsmann Stiftung empfiehlt, die Strukturen und Abläufe im Gesundheitssystem zu modernisieren, “statt die Versorgungsengpässe durch noch mehr Steuerzuschüsse oder höhere Kassenbeiträge stopfen zu wollen”, meint Dirk Schwenk, Director Gesundheit, Bertelsmann Stiftung.
Es sei wichtig, auch angesichts eines Primärarztsystems, Hausärztinnen und Hausärzte zu entlasten. Aufgaben wie Terminmanagement, Befundaustausch, Diagnostik und Behandlungsabläufe müssten stärker digitalisiert werden. Dies setze natürlich voraus, dass die digitalen Lösungen auch funktionieren.
Auch das Übertragen von bestimmten Aufgaben an nicht-ärztliches Fachpersonal wird als Entlastungsmöglichkeit genannt.
Masterplan 2020 endlich umsetzen
“Veränderte Abläufe, die zu weniger Verwaltungsaufgaben und kürzeren Arbeitszeiten führen, können maßgeblich dazu beitragen, Hausärztinnen und -ärzte im System zu halten: Die Mehrheit der Befragten, die aus der hausärztlichen Tätigkeit aussteigen wollen, kann sich vorstellen, unter bestimmten Bedingungen länger im Beruf zu bleiben als geplant”, so die Bertelsmann Stiftung.