Berlin. Um den florierenden Online-Handel mit Medizinal-Cannabis zu unterbinden, will das Bundesgesundheitsministerium Fernverschreibungen und den Bezug über reine Versandapotheken verbieten. Das sieht ein Referentenentwurf für eine Änderung des Medizinal-Cannabisgesetzes vor, der der Redaktion von Hausärztliche Praxis vorliegt.
Demnach sollen Verschreibungen von Cannabisblüten nur noch nach persönlichem Kontakt mit einem Arzt oder einer Ärztin in der Praxis oder bei Hausbesuchen möglich sein und nicht mehr – wie heute – nach einer reinen Video-Sprechstunde. Wegen Suchtgefahr, weiterer Gesundheitsrisiken und unerwünschter Arzneimittelwirkungen sei ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit der zu behandelnden Person sinnvoll und geboten, heißt es in dem Entwurf. So müssten Patienten individuell aufgeklärt werden und auch in eine Behandlung einwilligen.
Zudem soll der Online-Versand von Cannabisblüten unterbunden werden, stattdessen sollen sie in Apotheken zu bekommen sein, auch dort mit Aufklärung und Beratung.
Wichtig in der Praxis: Für Folgeverschreibungen soll gelten, dass in den vorigen vier Quartalen inklusive des aktuellen Quartals ein persönlicher Kontakt mit einem Arzt oder einer Ärztin stattgefunden haben muss. Handelt es sich um Gemeinschaftspraxen müssten Folgerezepte dann aber nicht zwangsläufig von demselben Arzt, aber in derselben Arztpraxis ausgestellt werden.
Import-Zahlen zuletzt deutlich gestiegen
Für Prof. Nicola Buhlinger-Göpfarth, Bundesvorsitzende des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes, ist es „richtig und überfällig, dass die Politik dem unseriösen Treiben von Onlineplattformen, die ohne medizinischen Grund wahllos Medizinal-Cannabis verschreiben, endlich einen Riegel vorschieben will“. Das Gesetzesverfahren müsse nun möglichst zügig vorankommen. Dass Medizinal-Cannabis zu Konsumzwecken abgegeben werde, sei „inakzeptabel“.
Tatsächlich waren die Importe von Cannabis zu medizinischen Zwecken zuletzt extrem gestiegen – viel stärker als Verordnungen auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV). So verweist der Referentenentwurf auf Zahlen des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), wonach der Import von Medizinal-Cannabisblüten vom ersten zum zweiten Halbjahr 2024 um 170 Prozent gestiegen sei. Die Zahl der Verordnungen zulasten der GKV hingegen sei im gleichen Zeitraum nur um neun Prozent gestiegen.
„Diese Inkongruenz legt nahe, dass die steigenden Importzahlen insbesondere der Belieferung einer zunehmenden Anzahl an Privatrezepten von Selbstzahlern außerhalb der GKV-Versorgung dienen“, heißt es in dem Entwurf.
Medizinal-Cannabis für engen Patientenkreis
Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) hatte bereits Ende Mai deutlich gemacht, dass sie den Anstieg mit Sorge sieht und Missbrauch bekämpfen will. Es sei sehr einfach, online an Verschreibungen zu kommen, sagte sie im Frühjahr Medienberichten zufolge.
Stand heute ist es oft ausreichend, einen Fragebogen auszufüllen, um eine Verordnung zu erhalten und die Ware auf dem Postweg zugesendet zu bekommen.
Buhlinger-Göpfarth sieht darin nicht zuletzt das Risiko einer “Rufschädigung”: “Der Kreis der Patientinnen und Patienten, die für die Verschreibung von Medizinal-Cannabis aus fachlicher Sicht in Frage kommt, ist relativ eng gefasst”, erinnert sie. Es handele sich beispielsweise um Patientinnen und Patienten mit Multipler Sklerose oder in der Palliativversorgung. “Für diese Fälle ist Medizinal-Cannabis gedacht.”
Zu dem Referentenentwurf können aktuell noch bis Anfang August die Verbände Stellung nehmen.