Leipzig. Sind Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung (ÄiW) krank, so darf dies nicht zulasten ihrer Lern- oder Urlaubstage gehen, sondern muss über eine „angemessene und einheitliche Fehlzeitenregelung“ abgedeckt sein. So sollen beispielsweise sechs Wochen pro Kalenderjahr Krankheitszeit im Paragrafenteil der (Muster-)Weiterbildungsordnung (MWBO) ergänzt werden. Dafür haben die Delegierten des Deutschen Ärztetags am Mittwoch (28.5.), dem zweiten Tag ihrer Beratungen, mit großer Mehrheit gestimmt.
Eingebracht hatte den Antrag eine überregionale Gruppe aus rund einem Dutzend Abgeordneter, darunter Prof. Nicola Buhlinger-Göpfarth, Bundesvorsitzende des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes, sowie Dr. Barbara Römer, Vorsitzende des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes Rheinland-Pfalz, und Dr. Torben Ostendorf, Vorsitzender des Landesverbandes Sachsen. Er hatte jüngst bereits bei der Frühjahrstagung der Hausärztinnen und Hausärzte für das Thema vorgesprochen.
„Das oft vorgebrachte Gegenargument, dass Einzelfallentscheidungen auf Kammerebene flexibler wären, trägt hier nicht, da die Kammern nach Einführung einer festgeschriebenen Mindestzahl möglicher Fehltage gegebenenfalls auch darüber hinausgehen könnten“, heißt es im Antrag. 13 von 17 Kammern hatten im April den Antragstellern zufolge bereits eine angemessene Regelung implementiert.
Regelmäßiges Nachjustieren
Die Ärztegesundheit in die MWBO aufzunehmen, war nur eine von vielen Stellschrauben, an denen die Delegierten in diesem Jahr gedreht haben. An insgesamt drei der vier Beratungstage nahmen sie die Weiterbildung unter die Lupe.
Das Nachjustieren der 2021 in Kraft getretenen MWBO ist fester Bestandteil der Ärztetage. Die MWBO wird nur einmal im Jahr angepasst, jeweils kurz nach dem Deutschen Ärztetag zum 30. Juni.
Die regelmäßige Aktualisierung und Anpassung ist einerseits nötig, um die Weiterbildung an den Notwendigkeiten des Praxisalltags auszurichten, andererseits verschärft sie mitunter den „Flickenteppich“, der in der Weiterbildung herrscht – die Fehlzeitenregelung ist hier nur ein Beispiel. Denn die MWBO ist nur “Richtschnur” für die Landesärztekammern. Sie müssen die Änderungen dann jeweils noch in eigenes Landesrecht umsetzen, damit die vom Ärztetag beschlossenen Änderungen an der MWBO wirksam werden.
Hitzig diskutiert wurde am Mittwoch der Auftrag aus den Vorjahren, die Zusatzweiterbildungen aufzuräumen. Vor allem zwei – die Palliativmedizin und die Medizinische Informatik – sorgten dabei für Zündstoff.
Zusatzweiterbildungen neu sortiert
Zum Hintergrund: 2024 hatten die Delegierten beschlossen, dass es künftig eine bessere Übersichtlichkeit über die bis dato 56 bestehenden medizinischen Zusatzweiterbildungen geben soll. Ziel war, dass ÄiW und Weiterbildungsbefugte auf einen Blick sehen können, was sich hinter einer Zusatzweiterbildung verbirgt.
In Leipzig lieferten Dr. Johannes Gehle und Prof. Henrik Herrmann, die seitens der BÄK mit der MWBO betraut sind, nun ein fertiges Konzept, wie die Zusatzweiterbildungen künftig aussehen könnten. Alle Zusatzweiterbildungen, die nur ein Fachgebiet betreffen, sollen demnach zum Schwerpunkt werden – hierfür habe es in der Kinder- und Jugendmedizin etliche gegeben, so Gehle. Im Umkehrschluss sollen als Zusatzweiterbildung nur noch jene gelten, die „interdisziplinär“ sind. Hierbei handele es sich explizit nur um einen Arbeitstitel, keine Wertung.
Wichtig in der Praxis: Inhalte und Zeiten bleiben in vielen Fällen gleich. Ärztinnen und Ärzte erhalten dann einfach anstelle der Urkunde Zusatzweiterbildung eine Urkunde Schwerpunkt“, führte Herrmann aus.
Konkret wurden die Zusatzweiterbildungen drei Kategorien zugeordnet:
- Interdisziplinäre Zusatzweiterbildungen (C1): typische vollberufliche Weiterbildung mit Mindest-Weiterbildungszeit und Dokumentation im eLogbuch.
- Interdisziplinäre Zusatzweiterbildungen, berufsbegleitend (C2): keine vorgegebene Zeit, jedoch muss eine Prüfung abgelegt werden und auch hier erfolgt die Dokumentation im eLogbuch. Beispiel: ZWB Allergologie
- Kursbasierte Zusatzweiterbildungen (C3): Kursweiterbildung, ggf. einschließlich Fallseminar mit anschließender Lernerfolgskontrolle, jedoch keine Dokumentation im eLogbuch und auch kein Weiterbildungsbefugter nötig.
Aufsplittung der Palliativmedizin
Die von der Ständigen Konferenz „Ärztliche Weiterbildung“ der Bundesärztekammer (StäKo) angedachte Änderung, die Palliativmedizin aufzusplitten, sorgte in der anschließenden Aussprache für eine hitzige Diskussion. Künftig sind zwei „Stränge“ vorgesehen, wie die Abstimmung bestätigt hat:
- eine kursbasierte allgemeine Palliativmedizin und
- eine neue Zusatz-Bezeichnung Klinische Palliativmedizin.
In die Debatte brachten sich auch viele Hausärztinnen und Hausärzte ein, die den Großteil der Palliativversorgung stemmen.
Einerseits befürchteten Stimmen Nachteile für die Spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV), wenn Kollegen aus der klinischen Palliativmedizin beispielsweise nicht mehr ausreichend für Hausbesuche qualifiziert würden. Andere sahen die Neuausrichtung als Kursweiterbildung als Vorteil, um sie Kolleginnen und Kollegen neben dem Praxisalltag zu ermöglichen.
In einem Punkt herrschte Einigkeit: Es brauche dringend mehr Palliativmedizinerinnen und -mediziner.
Wie viel KI braucht es?
Darüber hinaus fand sich auch das Schwerpunkt-Thema des diesjährigen Ärztetags, die Künstliche Intelligenz (KI), in der Debatte um die Zusatzweiterbildungen. Denn ob die Zusatzweiterbildung Medizinische Informatik wirklich eine Zukunft haben sollte, daran setzten die Stäko-Vertreter ein Fragezeichen. Auch mit Blick auf die Zahlen: 2024 habe es bundesweit nur acht anerkannte Zusatzweiterbildungen in dem Bereich gegeben (2023: 13, 2022: 4, 2021: 15), außerdem gebe es – wie auch bei der Sexualmedizin – kaum mehr als ein Dutzend Weiterbildungsbefugte. Große Länder wie Bayern und Hessen hätten keinen einzigen Befugten, so Gehle.
„KI wird Teil der Aus- und Weiterbildung sein müssen, aber nicht als eigene Zusatzweiterbildung Medizinische Informatik“, appellierte schließlich auch Hausarzt Christian Dreyer (Niedersachsen).
Der Großteil der Abgeordneten sah das jedoch anders: Er stimmte dafür, dass die Medizinische Informatik Zusatz-Weiterbildung (Kategorie C2) bleibt.
Künftig drei Prüfer bei der Facharztprüfung
Eine kleine, aber wichtige Klarstellung wurde zudem für die Facharztprüfungen getroffen: Hier sollen künftig drei Prüfer vor Ort sein. Bisher ist eine Stimmgleichheit möglich, in diesem Fall gab der oder die Vorsitzende den Ausschlag. Dies wird künftig nicht mehr möglich sein.
In einem ebenfalls von Ostendorf et al. eingebrachten Antrag fordert der Ärztetag die Landesärztekammern auf, “Regelungen einzuführen, die gewährleisten, dass die Facharztprüfung Allgemeinmedizin bei rechtzeitiger Beantragung z. B. innerhalb von vier Wochen nach Vollendung der Weiterbildungszeit und Vorlage aller erforderlichen Unterlagen stattfindet”. Die Wartezeiten auf die Facharztprüfung liegen heute mitunter deutlich darüber.
Gehle und Herrmann berichteten zudem von der Nutzung des eLogbuchs. Ihr Fazit: „Die Nutzungshäufigkeit ist steigerungsfähig.“
Der Ärztetag fasste einen entsprechenden Beschluss, beispielsweise durch eine Anpassung des Layouts und damit eine verbesserte Nutzerführung die Nutzung zu optimieren.