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Serie "EKG in der Hausarztpraxis"Schnell erschöpft und kribbelnde Arme

Ein 72-Jähriger stellt sich wegen Belastungsdyspnoe und eingeschränkter körperlicher Leistungsfähigkeit in der Praxis vor. Zudem klagt er über nächtliche Schmerzen und Kribbelparästhesien in beiden Armen. Die diagnostische Abklärung liefert Hinweise auf eine oft unerkannte Erkrankung.

Bei einem älteren Patienten ergibt sich der Verdacht auf eine Amyloidose mit kardialer Beteiligung (Symbolbild).

EKG-Befund

Das EKG (s. Abb. 1) zeigt eine Sinustachykardie mit einer Frequenz um 110 Schläge pro Minute. Die PQ-Zeit ist grenzwertig lang (205 ms), die restlichen Zeiten sind normal.

Auffällig ist neben einer T-Negativierung in den Ableitungen I und aVL eine Niedervoltage mit Amplituden von maximal 0,5 mV in den Extremitätenableitungen.

Diagnostik

Aufgrund der progredienten Symptomatik und der entsprechenden kardiovaskulären Risikofaktoren erfolgt eine kardiologische Abklärung. In der Echokardiografie fällt eine deutliche Verdickung der linksventrikulären Wände auf, das Septum misst 16 mm. Es zeigt sich eine ausgeprägte diastolische Dysfunktion, während die systolische Pumpfunktion erhalten ist.

Bei der Analyse des longitudinalen Strains erscheinen die basalen Anteile des linken Ventrikels deutlich schlechter kontraktil als die apikalen (“apical sparing”-Muster, s. Abb. 2). Eine begleitende neurologische Untersuchung mit Messung der Nervenleitgeschwindigkeiten bestätigt den Verdacht auf ein bilaterales Karpaltunnelsyndrom.

Insgesamt ergibt sich der Verdacht auf eine Amyloidose mit kardialer Beteiligung. Vor allem die Kombination der Niedervoltage im EKG, der Echobefunde und des Karpaltunnelsyndroms legen die Diagnose nahe.

Amyloidosen

Amyloidosen sind eine Gruppe von Erkrankungen, bei denen fehlgefaltete Proteine in Form unlöslicher Fibrillen in verschiedenen Organen abgelagert werden. Am häufigsten tritt die AL-Amyloidose auf, die durch monoklonale Plasmazell-Erkrankungen wie das Multiple Myelom, Morbus Waldenström oder die monoklonale Gammopathie unklarer Signifikanz (MGUS) verursacht wird.

Sie betrifft in etwa der Hälfte der Fälle das Herz und führt zu einer restriktiven Kardiomyopathie mit oft ungünstiger Prognose. An zweiter Stelle folgt die ATTR-Amyloidose, die entweder als Wildtyp-Form bei älteren Patientinnen und Patienten oder als hereditäre Variante im Falle einer Mutation des Transthyretin-Gens auftritt.

Beide Formen sind eng mit einer kardialen Beteiligung assoziiert, typischerweise zeigen sich eine Verdickung der Myokardwände und eine ausgeprägte diastolische Dysfunktion.

Die im EKG festgestellte Niedervoltage ist Ausdruck einer elektrischen Isolierung durch die Amyloid-Fibrillen und tritt in fast zwei Drittel aller Fälle dieser beiden häufigeren Amyloidose-Varianten auf.

Die AA-Amyloidose tritt demgegenüber meist sekundär bei chronischen Entzündungen oder Infektionen auf. Hier stehen Ablagerungen in Niere, Leber und Milz im Vordergrund, eine Herzbeteiligung ist selten, aber prognostisch ungünstig.

Seltener sind weitere Amyloidosen wie β2-Mikroglobulin-assoziierte Ablagerungen bei Dialysepatienten oder erbliche Varianten (zum Beispiel Apolipoprotein-A1-, Fibrinogen- oder Gelsolin-Amyloidose), die ebenfalls kardiale Manifestationen zeigen können.

Folgediagnostik

Zur Abklärung einer AL-Amyloidose erfolgen in diesem Fall zunächst umfassende Laboruntersuchungen, die der Primärdiagnostik der Gammopathien entsprechen. Sowohl die Serum- und Urin-Elektrophorese mit Immunfixation als auch die Bestimmung freier Leichtketten zeigen keine Auffälligkeiten. Ein monoklonales Paraprotein ist nicht nachweisbar, sodass eine AL-Amyloidose unwahrscheinlich ist.

Entscheidend ist die anschließende Knochenszintigrafie (zum Beispiel mit 99mTc-DPD), die eine deutlich erhöhte Traceraufnahme im Myokard mit einem positiven Perugini-Score von 2–3 zeigt. Zusammen mit den unauffälligen Ergebnissen der AL-Abklärung ergibt sich der hochgradige Verdacht auf eine Transthyretin-Amyloidose (ATTR) mit kardialer Beteiligung.

Zur weiteren Risikostratifizierung werden zusätzlich Biomarker bestimmt. NT-proBNP und Troponin T sind erhöht, was die kardiale Infiltration bestätigt. Ein ergänzendes MRT des Herzens zeigt eine diffuse Myokardfibrose und ein “late gadolinium enhancement” (LGE), wie es für Amyloid-Ablagerungen typisch ist.

Auf Basis der Diagnostik stellen die Behandler die Diagnose einer ATTR-Amyloidose des Herzens. Aufgrund des höheren Lebensalters und blander Familienanamnese gehen sie von der Wildtyp-Variante aus. Eine genetische Diagnostik ist in diesem Fall zunächst nicht zwingend erforderlich.

Therapie

Dem Patienten wird eine für die ATTR-Amyloidose spezifische medikamentöse Therapie mit Tafamidis angeboten. Tafamidis ist ein Transthyretin-Stabilisator, der die Dissoziation des TTR-Tetramers verhindert und so die Bildung pathologischer Amyloid-Fibrillen hemmt.

Klinische Studien, vor allem die große randomisierte ATTR-ACT-Studie, konnten zeigen, dass Tafamidis die Gesamtmortalität reduziert, die Hospitalisierungsrate wegen kardiovaskulärer Ereignisse signifikant senkt und die Lebensqualität verbessert. Zugelassen ist Tafamidis für Patientinnen und Patienten mit Wildtyp- oder hereditärer ATTR-Amyloidose und Kardiomyopathie im NYHA-Stadium I–III.

Begleitend erfolgt eine symptomatische Therapie der diastolischen Herzinsuffizienz. Dabei steht der Einsatz von Diuretika zur Volumenentlastung im Vordergrund. Andere klassische Herzinsuffizienz-Medikamente wie ACE-Hemmer, Betablocker oder Mineralokortikoid-Antagonisten werden nicht zur direkten Therapie eingesetzt.

Aufgrund der diastolischen Dysfunktion kann zusätzlich ein SGLT2-Inhibitor wie Empagliflozin oder Dapagliflozin erwogen werden, sofern kein Diabetes Typ 1 vorliegt. Zur Linderung der neurologischen Symptome wird eine operative Versorgung des Karpaltunnelsyndroms diskutiert.

In der Folge sollten regelmäßig Langzeit-EKG zur Abklärung von Herzrhythmusstörungen erfolgen. Die ATTR-Amyloidose ist aufgrund ihres eher langsam progredienten Verlaufs mit einer Dilatation und Fibrose der Atrien und dadurch häufig mit Vorhofflimmern assoziiert.

Die AL-Amyloidose hat ein besonders hohes Potenzial, ventrikuläre Tachykardien zu verursachen. Eine rasche Therapie der Ursache ist daher essenziell. Auch bradykarde Herzrhythmusstörungen wie AV-Blöcke treten vermehrt auf.

Diskussion

Die Transthyretin-Amyloidose ist eine seltene, oft unterdiagnostizierte Erkrankung, die sich häufig mit unspezifischen Symptomen wie Dyspnoe, Belastungsintoleranz oder Neuropathien manifestiert. Typische Hinweise sind eine unverhältnismäßige Myokardhypertrophie beziehungsweise Wandverdickung auch ohne arterielle Hypertonie, ein “apical sparing” im Strain-Muster sowie Begleitbefunde wie ein bilaterales Karpaltunnelsyndrom.

Die sichere Abgrenzung zur AL-Amyloidose ist essenziell, da sich hieraus unterschiedliche therapeutische Konsequenzen ergeben. Das Zusammenspiel aus Labor, Bildgebung und Szintigrafie ermöglicht eine nichtinvasive Diagnose, die inzwischen als Goldstandard gilt.

Mit der Einführung von Tafamidis steht erstmals eine krankheitsmodifizierende Therapie zur Verfügung, die die Prognose von Patientinnen und Patienten mit ATTR-Amyloidose deutlich verbessert.

Entscheidend bleibt jedoch eine frühe Diagnosestellung, da die Wirksamkeit der Therapie vor allem in frühen Krankheitsstadien am größten ist. Eine Heilung ist aktuell noch nicht möglich, nur das Fortschreiten der Erkrankung kann verlangsamt werden.

Interessenkonflikte: Der Autor ist Gründer und Geschäftsführer der Doctopia GmbH.

Quellen:

  1. Knebel F, Haverkamp W. Kardiale ATTR-Amyloidose – Früherkennung, Diagnose und Therapie. Thieme, Stuttgart, 2023.
  2. Pfister R, Hagenacker T, Heemann U et al. Versorgung von Patienten mit kardialer Amyloidose, Kardiologie 2024 · 18:36–43
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