Der vorliegende Fall (s. Box oben) zeigt ein Problem bei der Kommunikation zwischen stationärer und ambulanter Versorgung, das die ambulant arbeitende Ärztin vor Herausforderungen gestellt hat. Mit einem funktionierenden Entlassmanagement und einem Entlassbrief mit Angaben zur korrekten Dosis oder alternativ einem Anruf in der Klinik durch die Praxis hätte der Fehler wahrscheinlich vermieden werden können.
Die Qualität von Entlassbriefen lässt aus Sicht von Hausärztinnen und Hausärzten oft zu wünschen übrig. Dies zeigt auch eine Umfrage der Universität Düsseldorf mit 197 Teilnehmenden, bei der circa 96 Prozent der Hausärztinnen und Hausärzte angaben, schon einmal mit missverständlichen Entlassbriefen konfrontiert worden zu sein.
Ein zentraler Aspekt der Arzneimitteltherapie ist die korrekte Dokumentation, die im vorliegenden Fall den Anforderungen für eine sichere Behandlung nicht entsprochen hat. Damit gehört der Fall zum Themenbereich der Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS), einem wichtigen Feld der Patientensicherheit, wie auch durch die vielen Fälle, die in der “Jeder-Fehler-zählt”-Reihe diskutiert wurden, deutlich wird.
Der Masterstudiengang AMTS, der an der Universität Bonn in Kooperation mit den Universitäten Heidelberg und Tübingen angeboten wird und vor allem auch für Hausärztinnen und Hausärzte relevant ist, kann in diesem Zusammenhang empfohlen werden (s. Link-Tipp unten).
Oft Schäden durch Opioide
Jährlich werden in Deutschland nach gesundheitsökonomischen Schätzungen zwischen 800 Millionen und 1,2 Milliarden Euro an zusätzlichen Behandlungskosten durch Medikationsfehler verursacht. In einer Auswertung aller “Jeder-Fehler-zählt”-Berichte zwischen 2004 und 2021 wurden Opiate als eine der Arzneimittelgruppen identifiziert, die besonders häufig im Zusammenhang mit dauerhaften Patientenschäden standen [1].
In Hitzeperioden kann sich die Wirkung von Medikamenten durch verschiedene Mechanismen verändern. Zu den Medikamenten, die bei Hitze anders wirken können, zählt auch Fentanyl. Fentanyl wirkt im Zentralnervensystem als Agonist vor allem an µ-Opioidrezeptoren, in geringem Maße auch an δ- und κ-Opioidrezeptoren.
Fentanyl ist ein hoch potentes Opioid, fällt unter das Betäubungsmittelgesetz und wirkt vor allem analgetisch und sedierend. Durch seine starke Wirksamkeit hat es in den letzten Jahrzehnten an Bedeutung zugenommen.
Fentanyl ist als transdermales Pflaster bei Erwachsenen und Kindern ab zwei Jahren bei schweren chronischen Schmerzen zugelassen. Hierbei ist der Wirkstoff im Pflaster enthalten und wird kontinuierlich in einer bestimmten Menge freigesetzt.
Die Aufnahme erfolgt über die Hornschicht transzellulär oder interzellulär über die Lipidschicht der Haut. Hierbei bildet sich ein Wirkstoffdepot in den oberen Hautschichten, sodass die Wirkung des Medikaments nicht direkt mit Entfernung des Pflasters sistiert.
Eine Besonderheit der transdermalen Applikation ist eine starke Beeinflussung durch Temperatur. Direkte und indirekte Wärmeeinwirkung führen durch beschleunigte Freisetzung aus dem System sowie erhöhte Permeation und Perfusion der Haut zu deutlich höheren Plasmaspiegeln.
Der unbedachte Einsatz von Fentanylpflastern kann insbesondere durch die hohe Potenz und die Besonderheiten der Applikationsform zu schweren unerwünschten Arzneimittelnebenwirkungen und Überdosierung führen.
Tipps zu Fentanylpflastern
Die Arzneimittelkomission der Deutschen Ärzteschaft hat Empfehlungen zum Umgang mit Fentanylpflastern herausgegeben [2]:
- Stark wirksame Opioide sind indiziert, wenn Nichtopioidanalgetika, schwach wirkende Opioide oder deren Kombination nicht ausreichend wirksam sind (WHO-Stufenschema). Vor Anwendung eines Fentanylpflasters sollte geprüft werden, ob ein stark wirksames Opioid oder eher eine andere analgetische Therapie indiziert ist.
- Fentanylpflaster eignen sich vor allem für Patientinnen und Patienten mit chronischen Schmerzen und stabilem Opioidbedarf, die ein orales Opioid nicht einnehmen können.
- Fentanylpflaster bilden ein Wirkstoffdepot in den oberen Hautschichten. Die Wirkung tritt erst mit einer Latenz von 12 bis 24 Stunden ein, daher ist die Verabreichung bei akuten Schmerzen nicht sinnvoll.
- Empfehlungen zur Ersteinstellung opioidnaiver Patientinnen und Patienten mit einem Fentanylpflaster finden Sie in der Fachinformation.
- Wärmeeinwirkung (etwa Sonnenbestrahlung, Sauna, heißes Duschen) kann die Wirkstoffaufnahme verstärken und zur Überdosierung führen.
- Patientinnen und Patienten sollten über Zeichen einer Überdosierung aufgeklärt werden: langsame oder flache Atmung, Müdigkeit, Schläfrigkeit, Schwierigkeiten beim Denken, Sprechen oder Laufen.
- Patientinnen und Patienten mit Intoxikationen sollten mindestens 24 Stunden überwacht werden, da nach Abziehen des Pflasters noch mehrere Stunden Wirkstoff aus dem Depot freigesetzt wird.
- Fentanylpflaster müssen sicher aufbewahrt und entsorgt werden, sie dürfen nicht in die Hände von Kindern gelangen.
- Die gleichzeitige Anwendung von CYP3A4-Inhibitoren kann zur Plasmaspiegelerhöhung führen und wird nicht empfohlen (zum Beispiel Ritonavir, Itraconazol, Fluconazol, Clarithromycin, Verapamil, Diltiazem, Amiodaron).
Zusammenfassend verdeutlicht der Fall die Notwenigkeit von korrekter Dokumentation, vor allem im Zusammenhang mit Medikamenten mit hohem Nebenwirkungspotenzial.