In Deutschland werden Menschen mit Diabetes sowohl in der hausärztlichen als auch in der diabetologischen Praxis versorgt. Bei den oft immunschwachen Betroffenen ist das Impfen von großer präventiver Bedeutung. Worauf es dabei ankommt.
Menschen mit Diabetes haben ein gegenüber der Normalbevölkerung zwei- bis vierfach höheres Infektionsrisiko.
Menschen mit Diabetes zählen zu den Risikogruppen für eine erhöhte Krankheitsschwere. Sie besitzen ein gegenüber der Normalbevölkerung zwei- bis vierfach höheres Infektionsrisiko [1] und es gibt eine wechselseitige komplexe Beziehung zwischen Infektion und metabolischer Erkrankung: Diabetes und der Grad der Stoffwechseleinstellung können die Schwere der klinischen Manifestation und das Impfergebnis beeinflussen, wie es für Influenza- und Covid-19-Infektionen beschrieben wurde [2,3].
Liegt wie bei vielen Menschen mit Typ-2-Diabetes eine Adipositas vor, etablieren sich chronische subklinische Entzündungsprozesse [4], was zu einer übermäßigen Produktion von proinflammatorischen Zytokinen führt, die die Immunantwort dysregulieren und die Vulnerabilität für Infektionen erhöhen [5]. Dies gilt beispielsweise für Haut- und Weichteil-, Harnwegs- sowie Atemwegsinfektionen und ist mit erhöhten Krankenhausaufenthalts- und Sterblichkeitsraten assoziiert [6].
Hinzu kommt die generelle altersbedingte Abschwächung des Immunsystems (Immunseneszenz), die sich in einer Verschlechterung von Qualität und Quantität der Immunzellen, vor allem der T-Zellen, und chronischen (sub)klinischen Entzündungsprozessen äußern kann [7].
Bei Menschen mit Adipositas bzw. Typ-2-Diabetes kann sich eine vorzeitige Immunseneszenz entwickeln, die das Risiko für einen schweren Verlauf der Covid-19-Infektion erhöht [8]. Die Ständige Impfkommission (STIKO) des Robert-Koch-Instituts (RKI) ordnet Menschen mit Diabetes daher unabhängig von ihrem Diabetestyp als Risikogruppe ein. Grundsätzlich gibt es dabei keine Impfkontraindikationen, lediglich Patienten nach Organtransplantation oder unter intensiver immunsuppressiver Therapie stellen Ausnahmen dar [9].
Wer kann und wer soll impfen?
80 bis 90 Prozent der Menschen mit Diabetes werden in der hausärztlichen Praxis versorgt und circa 10 Prozent – darunter ein Großteil der Menschen mit Typ-1-Diabetes – in diabetologischen Schwerpunktpraxen [10]. Dabei ist es ist eine wichtige ärztliche Aufgabe, für einen ausreichenden Impfschutz bei den betreuten Personen zu sorgen [9]. Indikationsimpfungen können durchaus durch Diabetologen erfolgen. Denn seit 2020 dürfen grundsätzlich alle Ärztinnen und Ärzte Impfungen durchführen. Dies wurde durch das Masernschutzgesetz festgelegt (§ 20 Abs. 4 IfSG).
Jeder Arzt sollte daher den Patientenbesuch zur Überprüfung und Vervollständigung des Impfschutzes nutzen. Die jeweilige Besuchsfrequenz könnte darüber entscheiden, wann und wo sich eine Gelegenheit für die Impfungen ergibt. Bei vielen Patienten sind Impfungen mit Vorbehalten und Sorgen verknüpft, sodass in diesen Fällen der vertrauensvolle Kontakt zwischen Behandelnden und Behandelten eine wichtige Rolle spielt. Schließlich sind Patienten eher bereit, Impfungen zu akzeptieren, wenn sie von einem Arzt kommen, den sie kennen und dem sie vertrauen [11].
Indikationsimpfungen für Erwachsene mit Diabetes
Vor allem Indikationsimpfungen könnten in der interdisziplinären Abstimmung erfolgen. Hierzu zählen:
Influenza
Pneumokokken
Hepatitis B
Covid-19
Herpes Zoster
Respiratorisches Synzytial-Virus (RSV)
Inzwischen kann auch die Vakzinierung gegen das Frühsommer-Meningoenzephalitis-Virus (FSME-Virus) in vielen Bundesländern als Indikationsimpfung gezählt werden, da der Erreger dort in vielen Regionen vorkommt, darunter auch in Großstädten wie München: endemisch in Süddeutschland (Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen), überregional in Hessen, Saarland, Rheinland-Pfalz und Thüringen sowie vereinzelt in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg [9].
Standardimpfungen im Jugend- und Erwachsenenalter sowie regelmäßige Auffrischungen für einen lebenslangen umfassenden Impfschutz sind in der pädiatrischen bzw. allgemeinärztlichen Versorgung gut aufgehoben und werden hier nicht berücksichtigt, ebenso Impfungen bei beruflich oder arbeitsbedingt erhöhtem Risiko und Reiseimpfungen.
Im Falle des Diabetes differenziert die STIKO ihre Impfmaßnahmen nicht nach dem Typ. Daher gelten die gleichen Empfehlungen für volljährige Menschen mit Typ-1-Diabetes oder Typ-2-Diabetes. Tab. 1 (s. unten) basiert auf den diesjährigenEmpfehlungen der STIKO zu Auffrisch- und Indikationsimpfungen bei Diabetes.
Für die Grundimmunisierungen von Kindern und Jugendlichen mit Diabetes wird auf die allgemeinen Impfempfehlungen des RKI verwiesen [9]. Bei den Impfstoffen handelt es sich um Totimpfstoffe, darunter Proteinantigene und mRNA-Vakzine.