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MedizingeschichteEid des Hippokrates: Mythos oder zeitgemäße Eidesformel?

Regelmäßig werden Ärztinnen und Ärzte an den Eid des Hippokrates erinnert und ihr Tun wird daran gemessen. Aber was hat es mit diesem Eid auf sich?

Hippokrates (circa 460-370 v. Chr.) gilt als der berühmteste Arzt der Antike und als Begründer der wissenschaftlichen Medizin.

Mit dem Eid des Hippokrates verbinden wir den Anspruch auf ein hohes Ethos und selbstloses Handeln. Keine andere weltliche Berufsgruppe wird in diesem Maße in die Pflicht genommen.

In einer Zeit schneller technischer Fortschritte steht die Medizin in der Tat vor erheblichen ethischen Konflikten. Gleichwohl hat wahrscheinlich keiner der geneigten Leserinnen und Leser diesen Eid geschworen und nur wenige werden ihn gelesen haben. Daher lohnt sich eine vertiefende Betrachtung.

Dabei scheint es gerechtfertigt, den Eid nicht nur historisch zu sehen, sondern prospektiv als ethisches Leitbild. Der Hamburger Medizinhistoriker Charles Lichtenthaeler ordnet ihn gemeinsam mit dem Dekalog und der Bergpredigt als eines der höchsten Zeugnisse abendländischer Ethik ein.

Wer hat den Eid verfasst?

Es ist nicht mit Sicherheit geklärt, ob der Eid von Hippokrates selbst stammt. In wissenschaftlichen Arbeiten wird kontrovers diskutiert, ob er aus seiner Feder hervorgeht oder ob er ihm bzw. seinem Umfeld nur zugeschrieben werden kann: Eid des Hippokrates versus hippokratischer Eid.

Erste Zweifel an seiner Autorenschaft wurden bereits vor 125 Jahren angemeldet. Ludwig Edelsteins Analyse aus dem Jahre 1943 zufolge ist der Eid ein Bespiel pythagoreischer Philosophie, die allerdings erst in die Zeit nach dem vierten Jahrhundert v. Chr. einzuordnen ist.

Also müssen die nur vage bekannten Lebensdaten von Hippokrates selbst in Zusammenhang mit stilistischen und inhaltlichen Merkmalen gesetzt werden. Erkenntnisse von Charles Lichtenthaeler lassen zu, die Datierung des Eids, die zwischen dem sechsten Jahrhundert vor und dem ersten Jahrhundert nach Christus liegen soll, auf die Zeit zwischen 420 und 400 v. Chr. einzugrenzen und folglich mit der Lebenszeit von Hippokrates, der circa 460 v. Chr. geboren ist, in Einklang zu bringen.

Für Lichtenthaeler ist es ein Asklepiadeneid. Als Asklepiaden wurden Familien und Personen bezeichnet, die ihre Abstammung auf den Halb- und Heilgott Asklepios zurückführten oder als dessen Anhänger auftraten. Später bezeichnet das Wort Asklepiaden Ärzte an sich.

Stil und Komposition in der Mischung von Altertümlichem und Modernem passen in die Zeit ebenso wie der Einfluss der Sophistik, nämlich der Lehrbarkeit der ärztlichen Techne und der Gleichstellung von Freien und Sklaven.

Verpflichtung für die Zukunft

Es handelt sich um einen sogenannten promissorischen Eid, bei dem man sich zu etwas verpflichtet, was man in Zukunft zu tun oder zu lassen gedenkt – im Gegensatz zu einem assertorischen Eid, der sich auf das Gewesene bezieht. Unklar ist, ob der Eid vor oder nach der Ausbildungszeit geschworen wurde.

Es gibt viele Argumente dafür, dass dies vor der Ausbildung geschah, um den Schüler auf Werkstattgeheimnisse zu verpflichten. Der Schwur nach der Ausbildung ist erst als Ausdruck universitärer Riten nach dem Mittelalter aufgekommen. Im heutigen Deutschland schwören ihn Ärztinnen und Ärzte nicht – im Gegensatz zu Kolleginnen und Kollegen in anderen Ländern.

Inhaltlich aktuell

Der Text ist ein Meisterstück georgischer Kunstprosa: Gliederung, 20 rhetorische Figuren und 60 Einzelbeispiele in einer kunstvollen Gliederung sind literaturhistorische Höhepunkte.

Die dreiteilige Gliederung besteht aus einem Anruf der Schwurgottheiten, dem eigentlichen Thema des Eids, das in einen Lehrvertrag mit Rechten und Pflichten sowie den Sittenkodex unterteilt ist, und abschließend der Selbstbindung mit Segenswunsch und Verfluchung. Kompositorisch geschickt ist die zentrale Aussage als fünfter der neun Paragrafen in den Mittelpunkt des Eids gestellt: “Lauter und redlich werde ich bewahren meine Kunst!”

Die acht anderen Paragrafen, die diese Aussage umranken, beschäftigen sich umfassend mit allen Aspekten der ärztlichen Tätigkeit und haben dialektisch gesehen heute noch Bestand. Es geht um Umgangsformen, Vertragsregelungen, Diätetik und Pharmakologie, Chirurgie, Geburtenregelung und Sterben, Schweigepflicht, Umgang mit Untergebenen, Gefahren, die vom Arzt selbst ausgehen, und den Wunsch nach einem guten Ruf.

Der Eid mag den Buchstaben nach veraltet sein. Inhaltlich ist er brandaktuell und alle nachfolgenden Eidesformeln, wie beispielsweise das Genfer Arztgelöbnis von 1948, das vom Weltärztebund verabschiedet wurde, wirken im Vergleich wie ein verflachtes Plagiat.

Quellen:

1. Graham D. Revisiting Hippocrates: does an oath really matter? JAMA 2000; 284: 2841 – 2.

2. van der Eijk PJ. Hippocrates: the protean father of medicine. Lancet 2002; 359: 2285.

3. The Hippocratic Oath: analysis of the whole. Lichtenthaeler C. Rev Med Suisse Romande. 1980 Dec;100(12):1001-11

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