Mainz. Einzelfallprüfungen nehmen stark zu, erklärt Christian Nehling, Leiter des Ressorts Verordnung Kassenärztliche Vereinigung Rheinland-Pfalz (KV RLP) beim 15. Rheinland-pfälzischen Hausärztinnen- und Hausärztetag Ende November in Mainz.
Kassen würden die Prüfungen an Dienstleister abgeben, die Künstliche Intelligenz (KI) checkt ab, ob die Verordnung zur Diagnose passt, so Nehling weiter.
Besonders interessant für die Kassen seien Verordnungen im Off-Label-Use, die über fünfzig Prozent Prüfanteil ausmachten. Die häufigsten Fehler: Die Diagnose fehlt, die Höchstmenge wurde überschritten oder die Dosis war zu niedrig.
Alle Verordnungen, die von der Fachinformation abweichen, so Nehling, können Ärztinnen und Ärzten auf die Füße fallen. Mehr als 25 Prozent Prüfanträge beinhalten Unwirtschaftlichkeitsaspekte (z.B. Biosimilars), mehr als zehn Prozent nicht eingehaltene Formalia (z.B. fehlende Genehmigung).
Mini-Regresse: Das ist doch nicht wirtschaftlich!
Die Angabe von Diagnosen seien aber auch für die Kassenärztlichen Vereinigungen wichtig, da sie entscheidend für den Morbi-RSA sind. Wenn Ärztinnen und Ärzte nicht kodieren, fließt kein Geld.
Dabei, weist Nehling darauf hin, unterliegen auch die Kassen einer Verpflichtung, die Verordnungen der Ärzteschaft zu überprüfen. Wird zu wenig geprüft, bekommen sie Druck von oben.
Die Ärztinnen und Ärzte im Seminar weisen auf die ärgerlichen Mini-Regresse hin: Die kosten im Endeffekt doch mehr als sie einbringen – können Kassen nicht wegen unwirtschaftlicher Vorgehensweise belangt werden?
Gerade bei kleinen Beträgen, meint Nehling, neigen Ärztinnen und Ärzte dazu, Rückforderungen einfach zu akzeptieren. “Wenn Sie Zweifel haben, gehen Sie in den Widerspruch”, empfiehlt der Verordnungsexperte. Ein Großteil der Regresse geht für die Kassen erfolgreich aus, weil Ärztinnen und Ärzte sie einfach akzeptieren.
Unbedingt an Diagnosen denken!
Nehling hat konkrete Beispiele im Handgepäck, bei der Prüfanträge eingegangen sind. So wurden bei einer 65-jährigen Patientin regelmäßig Metformin verschrieben, allerdings wurde keine entsprechende Diagnose hinterlegt, sondern nur Kodierungen für eine nicht toxische Struma, ein Lipödem und eine Hypertonie dokumentiert.
Bei einer weiteren Patientin, Jahrgang 1942, wurde über mehrere Quartale Colecalciferol verordnet. Ein Vitamin D-Mangel wurde nicht kodiert. Lediglich Hypothyreose, Adipositas und Diabetes.
Die mehrmalige Verordnung von Circadin bei einer Patientin mit Schlafstörungen, Jahrgang 2015, führt ebenfalls zu Rückforderungen. Dabei, so Nehling, sei Circadin 2 mg für Patienten ab 55 Jahre zugelassen.
Bitte keine “Wundlasagne”
Bei den Verbandmitteln kommt es auch immer wieder zu teils extremen Rückforderungen der Kassen. Nehling nennt es die “Wundlasagne” oder die “Wundburger”, bei denen offenbar WundmanagerInnen extrem viele Verordnungen anfordern.
So liefen in einer Praxis innerhalb von 9 Monaten 30.000 Euro Kosten nur für Wundauflagen auf. “Sie verordnen, Sie haften”, warnte Nehling.
RSV-Prophylaxe ist keine Impfung!
Zum Schluss machte Nehling auf einen wichtigen Unterschied aufmerksam: RSV-Prophylaxe und RSV-Impfungen sind etwas anderes (siehe Tabelle).
Im Prophylaxe-Fall darf der Schutz nicht aus dem Sprechstundenbedarf (SSB) entnommen werden . Bei einer Praxis summierten sich so im Zeitraum von I/23 bis II/25 gut 166.800 Euro Kosten an SSB bzw. ein formeller Schaden entstand.
Bei der RSV-Prophylaxe muss die Verordnung zwingend auf Rezept ausgestellt werden, so Nehling: “Bitte geben Sie das auch an Ihre Mitarbeitenden weiter!”
