Um den Status quo der hausärztlichen Versorgung zu ermitteln, wurden im Zuge einer Studienreihe die Perspektiven von Pflegenden und Allgemeinmedizinern eingeholt. Die Ergebnisse belegen die zentrale Rolle, die Hausärztinnen und Hausärzte bei der Unterstützung pflegender Angehöriger einnehmen.
Aufgrund ihrer Rolle als vertrauensvolle und mit ihren Patienten langjährig vertraute Primärversorger sind Hausärzte in der Position, pflegende Angehörige bei der Pflege effektiv zu begleiten [1-4]. Jenseits diagnostischer oder therapeutischer Leistungen ist gerade die Beratung von Angehörigen entscheidend, sei es um psychosoziale Unterstützung anzubieten oder mögliche Bedarfe zu ermitteln und rechtzeitig zu adressieren.
Hat eine Auseinandersetzung mit den Folgen einer Erkrankung (z.B. Demenz) im Vorfeld nicht stattgefunden und wurden Vorsorgemaßnahmen nicht ergriffen, kommt es nicht selten zu Überforderungs- und Erschöpfungssituationen [5]. Um solchen Krisen vorzubeugen und Informations-, Kompensations- sowie Entlastungsmöglichkeiten aufzuzeigen, haben Hausärzte die Möglichkeit, Pflegende frühzeitig an Hilfs- und Beratungsangebote wie z.B. Pflegestützpunkte, ambulante psychiatrische Dienste oder Demenz-Netzwerke heranzuführen [6, 7].
Ziel der Studienreihe war es, eine Bestandsaufnahme zu leisten, welche Positionen, Erfahrungen und Wünsche Pflegende und Hausärzte mit Blick auf die Unterstützung pflegender Personen durch das hausärztliche Setting artikulieren. Dabei ging es um die Frage, wie Hausärzte ihre eigenen Handlungsmöglichkeiten als Ansprechpartner wahrnehmen. Ein Schwerpunkt galt der Gegenüberstellung von Bedürfnissen Pflegender mit tatsächlich erlebter Betreuung.
Zwischen 2020 und 2021 wurden drei Teilstudien realisiert:
Online-Befragung von 612 pflegenden Angehörigen in 17 deutschsprachigen Internetforen, die sich an pflegende Angehörige richten [8],
qualitative Interviews mit 37 pflegenden Angehörigen [9],
Online-Befragung von 3.556 Hausärzten in Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz [10].
Betreuung, Ansprache, Kommunikation
Wie sich in der Angehörigenbefragung zeigte, erleben pflegende Personen Hausärzte als zentrale Ansprechpartner mit hoher Kompetenz- und Vertrauenszuweisung. Drei von vier Befragten (72 Prozent) sprechen mit dem Hausarzt über ihre pflegende Tätigkeit, wobei dies bei 54 Prozent häufig erfolgt. Die Art und Weise der Betreuung wird in wichtigen Kontexten positiv beurteilt, v.a. die hausärztliche Kenntnis der persönlichen Betreuungssituation, die Ansprechbarkeit bei verschiedensten Problemen und die Hinwendung zum Pflegebedürftigen.
Zugleich zeigt selbige Befragung, dass sich die Wünsche Pflegender in Bezug auf eine frühzeitige Ansprache durch die Hausarztpraxis nicht immer mit den eigenen Erfahrungen decken. Rund jede zweite Pflegeperson bekundet, dass der Hausarzt sie zeitnah als solche erkannt hat. In den qualitativen Interviews äußert ein Teil der Pflegenden, sich zunächst unsicher gefühlt zu haben, inwiefern ihre Bedürfnisse und Probleme zum Gegenstand der hausärztlichen Betreuung gemacht werden sollten.
Solche Erkenntnisse aus den Angehörigenbefragungen decken sich mit der Befragung von Hausärzten, die gezeigt hat, dass letztere es als große Herausforderung erleben, informelle Pflegepersonen im Praxisalltag systematisch zu identifizieren (59 Prozent). Übergänge hin zu informellen Pflegepersonen sind oft fließend, sodass es für das hausärztliche Team beschwerlich sein kann, pflegende Angehörige ausfindig zu machen [1, 2, 11-13].
Schwierigkeiten ergeben sich, wenn die gepflegte Person nicht von der Praxis versorgt wird, in der der Angehörige selbst Patient ist [14]. Krug et al. [15] merken an, dass das Erkennen von Angehörigen und deren Problemen häufig eher als Reaktion auf vom Praxisteam festgestelltes Überforderungsverhalten erfolgt [16-18].
Auf Seiten von Hausärzten wird vielfach Zeitknappheit als erhebliche Herausforderung angeführt, im Praxisalltag eine hinreichende Beratung Pflegender zu leisten (68 Prozent); zudem empfinden zahlreiche Hausärzte die Sicherstellung eines regelmäßigen Austauschs mit Pflegenden als herausfordernd (43 Prozent), beispielsweise weil die pflegende Person einen anderen Hausarzt hat.
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