Berlin. Um den Beruf attraktiver zu machen, sollen Pflegefachpersonen künftig neue Befugnisse bekommen – die mitunter auch in die ambulante Versorgung hineinreichen. Das sieht das Pflegekompetenzgesetz vor, das das Bundesgesundheitsministerium nun zurück ins parlamentarische Verfahren gebracht hat.
Das Gesetz war bereits vergangenes Jahr von der damals noch amtierenden Ampel-Koalition auf den Weg gebracht und im Dezember von Kabinett verabschiedet worden, wurde wegen des Auseinanderbrechens der Koalition dann aber nicht mehr abschließend im Parlament beraten.
Wie angekündigt hat die neue Bundesregierung das Gesetz jetzt – weitestgehend unverändert – neu angestoßen. Bis 14. Juli (Montag) hatten die Verbände Zeit, Stellung zum Entwurf zu nehmen.
Dass es die neue Bundesregierung „verpasst“ hat, „eine Reihe von Defiziten des alten Entwurfs zu beheben“, kritisiert der Hausärztinnen- und Hausärzteverband im Zuge dessen, auch wenn es grundsätzlich richtig sei, Pflegekräften mehr Aufgaben in Patientenversorgung und Verwaltung übertragen zu können. Jedoch bleibe beispielsweise weiter unklar, welche Qualifikationen Voraussetzung sind, um bestimmte Aufgaben zu übernehmen.
„Zur Sicherstellung einer qualitativ bestmöglichen Versorgung muss der Grundsatz des Arztvorbehalts zwingend beibehalten werden und die Letztverantwortung bei der Ärztin/dem Arzt liegen“, heißt es in der auf den 14. Juli datierten Stellungnahme zudem.
Diabetiker, Demenzkranke, Wundmanagement
Der Entwurf sieht unter anderem vor, dass Pflegefachpersonen eigenverantwortlich mehr Leistungen erbringen dürfen, etwa bei der Versorgung von Diabetikern und Demenzkranken sowie beim Wundmanagement.
Pflegekräfte sollen künftig „eigenverantwortlich weitergehende Leistungen als bisher und insbesondere – abgestuft nach der jeweils vorhandenen Qualifikation – bestimmte, bisher Ärztinnen und Ärzten vorbehaltene Leistungen in der Versorgung erbringen können“, heißt es im Referentenentwurf.
Welche Leistungen der ärztlichen Behandlung konkret übertragen werden können, darüber sollen Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), GKV-Spitzenverband, Spitzenorganisationen der Pflegedienste und Vereinigungen der Träger von Pflegeheimen entsprechende Verträge abschließen. Im ursprünglichen Referentenentwurf der Ampelkoalition hatte es in einem Absatz noch geheißen: „Der Vertragsarzt kann einer Pflegefachperson, die über die entsprechende Qualifikation verfügt, die selbstständige Ausübung der … vereinbarten erweiterten heilkundlichen Leistungen übertragen.“
Die konkreten Aufgaben sollen dabei erst künftig ausdifferenziert werden. Sie sollen in einem sogenannten Muster-Scope of Practice beschrieben werden. Diese Beschreibung soll dann Grundlage von weiteren Entwicklungsschritten hinsichtlich der leistungsrechtlichen Befugnisse von Pflegefachpersonen werden, heißt es in dem Gesetzentwurf.
Hausärzte warnen vor neuen Doppelstrukturen
„Entscheidend wird sein, dass nicht – wie so häufig in der Vergangenheit – einmal mehr neue Parallelstrukturen aufgebaut werden, sondern die Pflegekräfte ihre zusätzlichen Kompetenzen im Rahmen der bestehenden Strukturen einbringen können“, erinnert der Hausärztinnen- und Hausärzteverband (HÄV). „Für die ambulante Versorgung bedeutet das konkret, dass die Pflegekräfte immer an ein Praxisteam angebunden sein müssen.“
Auch die KBV hatte im vergangenen Herbst Zustimmung für das Gesetz signalisiert, jedoch eindringlich vor “neuen Schnittstellen zwischen den Professionen oder Dopplungen von Versorgungsangeboten” gewarnt.
Ein Versäumnis der Gesetzgebung bleibt laut HÄV, dass die Medizinischen Fachangestellten (MFA) “komplett ignoriert werden”. “Hier hätten wir uns von der neuen Bundesregierung mehr Weitsicht gewünscht. MFA, die sich immer häufiger beispielsweise zu VERAH oder Primary Care Managerin (PCM) weiterbilden, sind für die Zukunft der wohnortnahen Versorgung unverzichtbar.”
Und gerade die Wohnortnähe findet sich im Gesetzentwurf durchaus. So sollen beispielsweise Selbsthilfe und ehrenamtliches Engagement gefördert werden, um vor allem pflegende Angehörige zu entlasten. Dazu zählt insbesondere auch die Förderung von regionalen Netzwerken, damit Menschen so lange wie möglich in der gewohnten Umgebung versorgt werden können.
Verantwortung verbleibt bei Arzt oder Ärztin
Laut Gesetzentwurf entlasten die Maßnahmen die soziale Pflegeversicherung nach etwa fünf Jahren um rund 318 Millionen Euro jährlich.
Bei der damit einhergehenden Überprüfung des EBM wird darauf zu achten sein, “dass dabei nicht ungerechtfertigterweise eine Herabsetzung der Vergütung qualitativ hochwertiger Gesundheitsleistungen erfolgt”, mahnt der HÄV in seiner Stellungnahme mit Blick auf die Umsetzung. “Denn auch bei delegationsfähigen Leistungen liegen insbesondere die Anleitungs- und regelmäßigen Überwachungspflichten sowie die Gesamtverantwortung für den Behandlungsverlauf weiterhin bei der delegierenden Ärztin/dem delegierenden Arzt.”
Überdies seien aufgrund der anhaltenden Personalknappheit im Zweifel doch die Ärzte in der Pflicht, die beschriebenen Leistungen unmittelbar zu erbringen.