Berlin. Die Hütte brennt, es ist kurz vor zwölf, die Zeit wird langsam knapp – dass das ambulante Gesundheitswesen in Deutschland krankt, spüren offensichtlich auch die Menschen: Über eine halbe Millionen Bürgerinnen und Bürger haben die Petition zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für die ambulante Versorgung unterzeichnet.
Kurz vor der Behandlung der Petition im Petitionsausschuss des Bundestages am Montag (19.2.) hatte der Hausärztinnen- und Hausärzteverband Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach (SPD) zum Handeln aufgefordert.
Dieser hatte rund sechs Wochen zuvor auf einem Krisengipfel eine Reihe von Maßnahmen zur Stärkung der hausärztlichen Versorgung vorgestellt. Dazu gehörten auch die Entbudgetierung der hausärztlichen Versorgung oder die Abschaffung der Quartalspauschalen.
Verband: Den Worten müssen Taten folgen
“Ankündigungen sind schön und gut. Vom Ankündigen allein wird aber niemand besser versorgt und keine Praxis entlastet. Die Zeit wird langsam knapp – nicht nur, weil die Praxen dringend Hilfe im Kampf gegen den drohenden Kollaps brauchen, sondern auch, weil das Umsetzungsfenster in dieser Legislatur langsam, aber sicher kleiner wird. Die gesamte Ampel steht bei den Hausarztpraxen und ihren Patientinnen und Patienten im Wort!”, erklärt der Hausärztinnen- und Hausärzteverband.
Den Worten müssten endlich Taten folgen, so der Verband weiter: “Ansonsten wird die hausärztliche Versorgung, wie sie von Millionen Wählerinnen und Wählern geschätzt wird, immer mehr wegbrechen.”
Sowohl KBV-Chef Dr. Andreas Gassen als auch KBV-Vizevorstand Dr. Stephan Hofmeister betonten vor dem Ausschuss, dass die Praxen am Limit seien. Viele Ärztinnen und Ärzte seien frustriert.
Niedergelassene werden ausgebremst
Gassen kritisierte: “Wir erleben nicht, dass die Regierung alles daransetzt, um die Situation zu verbessern.” Das Gegenteil sei der Fall, die Niedergelassenen würden ausgebremst. Dabei stelle eine gute, wohnortnahe Gesundheitsversorgung auch einen “enormen, sozialen” Kleber dar, der die Gesellschaft zusammenhalte.
Damit Praxen Patientinnen und Patienten weiterhin gut behandeln können, wurde per Petition unter anderem gefordert: Eine tragfähige Finanzierung, die Abschaffung der Budgets, die Umsetzung ambulant vor stationär, eine sinnvolle Digitalisierung, mehr Weiterbildung in Praxen, weniger Bürokratie, keine Regresse.
Dass das Geld im ambulanten Bereich nicht mehr ausreicht, erklärte Gassen damit, dass im ambulanten Bereich mit 46 Milliarden Euro rund 560 Millionen Behandlungsfälle abgearbeitet würden. Für Kliniken werde das Doppelte ausgegeben – für vergleichsweise wenige 16 Millionen Behandlungsfälle.
“Mit einem Federstrich” Budgets abschaffen
Und obwohl die Kliniken beispielsweise in der Pandemie Zuschüsse bekommen hätten, seien viele Krankenhäuser heute insolvent. Die Niedergelassenen hätten keine Zuschüsse erhalten.
Die Erhöhung des Orientierungswertes um 3,8 Prozent sei keineswegs ausreichend, um die stark gestiegenen Kosten (Energie, MFA etc.) abzufedern, betonte Gassen. Die Bürokratie fresse immer mehr Zeit, die Budgets gebe es immer noch.
Dabei sei es ein Leichtes, mit einem Federstrich die Budgets abzuschaffen. Bei den Kinder- und Jugendärzten sei es ja auch schnell gegangen.
Alles Fehler der Vorgänger
“Stimmt”, gab Lauterbach im Ausschuss dem KBV-Vorstand Recht. Es seien Fehler in seiner Vorgängerzeit gemacht worden. Dies betreffe:
- die Zahl der Studienplätze (die hätte vor acht Jahren deutlich erhöht werden müssen),
- die Digitalisierung (Praxen hätten höhere Belastungen und keinen erkennbaren Nutzen),
- die Arzneimittelregresse (die gehörten längst abgeschafft) und
- die Hausärztinnen und Hausärzte seien nicht entbudgetiert worden, obwohl “das längst hätte passieren müssen”.
Lauterbach verwies auf das Versorgungsgesetz, in dem die Entbudgetierung der Hausärzteschaft festgezurrt würde. Auch 5.000 weitere Medizinstudienplätze würden dann geschaffen, die Regresse und die Quartalspauschale würden abgeschafft.
Mit dem Digitalisierungsgesetz habe er bereits viele Verbesserungen vorgenommen: So könnten unbegrenzt telemedizinische Sprechstunden durchgeführt werden, die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und das E-Rezept seien bereits umgesetzt. Nun folgte bald auch die elektronische Patientenakte (E-PA), die der Ärzteschaft auch Erleichterungen bringe.
Versorgungsgesetz – noch fehlt der Entwurf
Auf die Kritik von Gassen, dass Lauterbach noch keinen Entwurf zum Versorgungsgesetz vorgelegt habe und die Entbudgetierung der Hausärzte ja bereits vor zweieinhalb Jahren im Koalitionsvertrag versprochen worden sei, verwies Lauterbach erneut auf die Fehler in der Vergangenheit.
Das Versorgungsgesetz sei in der Koordinierung, versprach Lauterbach und würde “in Kürze” für weitere Diskussionen vorgelegt. 16 Jahre sei es versäumt worden, das Gesundheitssystem zukunftsfest zu machen.
Änderungen seien nötig, dies sei ja unstrittig. “Ich muss so viele Gesetze machen”, sagte Lauterbach – man habe 16 Jahre gewartet – dann käme es auf vier Wochen nicht an.