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OrganspendeLeben mit Spenderherz: In Gedanken beim Organspender

Zwischen Dankbarkeit und Schuldgefühlen, Erleichterung und quälendem Grübeln: Nach einer Organtransplantation finden sich viele Patientinnen und Patienten in einem emotionalen Spagat, zeigt eine aktuelle Studie. Hausärztinnen und Hausärzte können diffuse Sorgen in der Beratung zur Organspende ansprechen.

Manche Organspendeempfänger denken nicht über den Spender nach, manche gedenken jährlich dem Lebensretter.

Dass eine Organtransplantation das Leben verändert, weiß Silvia Messerschmidt aus eigener Erfahrung. Nach rund 25 Jahren gravierender Herzrhythmusstörungen und einem nur knapp überlebten Herz-Kreislauf-Stillstand hat die ehemalige Medizinische Fachangestellte (MFA) vor rund 15 Jahren ein Spenderherz erhalten.

Heute spürt die 60-Jährige beim Gedanken an die Organspende vor allem eines: Dankbarkeit. Gedanken an den Spender spielten in ihrem Alltag hingegen keine Rolle. “Für mich ist es kein geschenktes Herz mehr, sondern es ist meins.”

Jährlich werden in Deutschland rund 350 Herzen transplantiert. Nicht immer können die Betroffenen das Spenderherz so gut annehmen, wie Messerschmidt das konnte. Sie sind in der Regel erleichtert, die Operation geschafft zu haben, spüren wie Messerschmidt eine große Dankbarkeit – nicht selten aber auch diffuse Schuldgedanken, beobachtet Dr. Katharina Tigges-Limmer.

Sie ist Leiterin der medizinpsychologischen Abteilung am Herz- und Diabeteszentrum NRW (HDZ NRW) in Bad Oeynhausen und hat gemeinsam mit Dr. Nora M. Laskowski und Prof. Georgios Paslakis von der Uniklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der Ruhr-Universität Bochum untersucht, welche Rolle Gedanken an den Spender bei einer Transplantation spielen.

Wer hat mir das Leben gerettet?

Für das von der Deutschen Herzstiftung und der Deutschen Stiftung für Herzforschung mit 47.600 Euro geförderte Forschungsprojekt “Spendergedanken und Herztransplantation (SpHer)” befragten sie anonym 407 Herztransplantierte am HDZ NRW [1].

“Wir waren sehr überrascht, wie viele Menschen diese Gedanken überhaupt haben. Vor der Transplantation waren es etwa 40 Prozent der Befragten, danach aber 91 Prozent. Also fast jeder hat diese Gedanken nach der Transplantation”, berichtet Laskowski.

Dass Gedanken an den Spender bei einer Transplantation die Regel sind, zeigt das Forscherteam auch in einem systematischen Review von 21 Studien mit Menschen nach Herz-, Lungen- oder Nierentransplantation [2]. Spendergedanken und -vorstellungen wurden je nach Studie in 6 bis 52 Prozent der Fälle berichtet, teils hatten diese negative, da angstbesetzte Auswirkungen, teils förderten sie das Annehmen der Situation.

Dabei können Gedanken um verschiedene Aspekte des Spenders kreisen, etwa

  • das Geschlecht und das Alter des Spenders,
  • die Umstände seines Todes oder seine Persönlichkeit,
  • die Familiengeschichte, den Beruf, die Religion und gar die sexuelle Orientierung der Spenderperson.

Manche denken gar nicht über den Spender nach, manche gedenken jährlich am Transplantationstag dem anonymen Lebensretter, weiß der leitende Arzt Prof. Georgios Paslakis.

Und wieder andere führen neue Vorlieben auf den Organspender zurück. So wie Silvia Messerschmidt: Sie hat seit der Operation eine neue Vorliebe für Bratwurst, die sie vorher nie gegessen habe. “Magisch und nicht immer logisch” nennt Paslakis solche Gedanken. Doch: Sie könnten helfen, sich mit der Thematik auseinanderzusetzen und seien damit förderlich.

Das Wissen um diese diffusen Sorgen ist essenziell, um vorhandene Ängste – auch unter Menschen, die sich erstmals mit der Organspende beschäftigen – zu adressieren. So ist die Kluft zwischen verfügbaren Spenderherzen und der Zahl schwerkranker Patienten auf den Wartelisten für ein neues Herz enorm: 2023 standen in Deutschland 1.094 Patienten auf der Warteliste nur 330 Herztransplantationen gegenüber.

Gespräch in der Hausarztpraxis

Bei allen Fragen und – nicht immer greifbaren – Sorgen rund um die Organspende sind Hausärztinnen und Hausärzte wichtige Ansprechpartner, unterstreichen unterdessen Zahlen des Bundesinstituts für Öffentliche Gesundheit (BIÖG) (Hausärztliche Praxis 8/25).

Demnach haben rund 82 Prozent der Hausärztinnen und Hausärzte innerhalb von zwei Jahren Informationsgespräche hierzu geführt [3]. 61 Prozent der Versicherten reagierten nach Einschätzung der 359 befragten Hausärzte positiv auf die proaktive Ansprache zum Thema Organ- und Gewebespende und 43 Prozent neutral mit der Bereitschaft, über das Thema zu sprechen. Nur neun Prozent verweigerten sich einem Gespräch.

Nicht selten werden in diesem Gespräch auch Sorgen rund um die Transplantation thematisiert, weiß Prof. Karl-Bertram Brantzen, Facharzt für Innere und Allgemeinmedizin. Als Teil der Mainzer Mediziner-Band “medROCK” macht er auf kreative Weise auf das Thema aufmerksam: In ihrem aufwändig produzierten Musikvideo zum eigens komponierten Song “Don‘t take your Organs to Heaven” erzählt die Band die Geschichte einer jungen Dialyse-Patientin, der mit dem Spenderorgan ein neues Leben geschenkt wurde.

Praxis-Tipp: Auf das Thema Organspende können Praxen auch auf ihrer Webseite hinweisen, rät Brantzen (s. Kasten unten). “Nachdem ja nach wie vor die Situation bei der Organspende in Deutschland sehr unbefriedigend ist, müssen wir uns auf verschiedene Weise für eine größere Spendenbereitschaft einsetzen.”

Therapeutische Begleitung nötig

Sorgen vor, während und nach der Transplantation angemessen zu adressieren, ist dabei essenziell – nicht nur, um die Bereitschaft zur Organspende zu fördern, sondern auch, um die Erfolgschancen nach einer erfolgten Transplantation zu erhöhen. Denn in besonders ausgeprägten Fällen könnten negative Spendergedanken zu Depressionen oder gar einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) führen, betont Paslakis.

Die Ergebnisse seines Forschungsprojekts sollen deswegen direkt in die klinische Versorgung einfließen: Künftig sollen Transplantationsmediziner bereits im Vorfeld Gedanken rund um den Organspender ansprechen. Bereits heute gibt es in allen Transplantationszentren in Deutschland psychologische und psychosomatische Dienste.

“Das Ziel muss es sein, die Schwelle der Inanspruchnahme niedrig zu halten”, sagt Tigges-Limmer. Psychotherapeutische Unterstützung vor, während und nach einer Transplantation sei “kein Luxus”, sondern “eine Notwendigkeit, die als selbstverständlich anzusehen ist”.

Quellen:

  1. Tigges-Limmer, K., Laskowski, N., Paslakis, G., In Gedanken beim Herzspender, HERZ heute 2024; 4, 36-39
  2. Laskowski, N.M., Brandt, G., Tigges-Limmer, K., Halbeisen, G., Paslakis, G. Donor and Donation Images (DDI) – A Scoping Review of What We Know and What We Don’t. Journal of Clinical Medicine 2023, 12, 952. doi.org/10.3390/jcm12030952

  3. Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit (BIÖG), „Befragung von Hausärztinnen und Hausärzten zur Organ- und Gewebespende in Deutschland 2024“ (n = 359)
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