KongressberichtAnabolika – Sixpack und Sucht

Bis zu 30 Prozent der Fitnessstudio-Besucher nutzen anabole androgene Steroide (AAS), um dem Schönheitsideal eines muskulösen Körpers zu entsprechen. Doch der anfänglich beeindruckende Muskelaufbau kann neben dem Suchtpotenzial zu bedenklichen medizinischen Spätfolgen führen.

30 Prozent der Fitnessstudiobesucher verwenden Anabolika.

AAS erfreuen sich zunehmender Popularität und lassen sich im Internet problemlos beschaffen. “Weniger bekannt ist das AAS-Problem, dabei ist es durchaus relevant”, erklärte Dr. Ingo Butzke, Münsingen, Schweiz, beim Kongress für Suchtmedizin im vergangenen Jahr. Bei den Betroffenen handelt es sich nicht hauptsächlich um Wettkampfsportler, vielmehr sind zwei Drittel der Anabolika-Konsumenten “normale” Freizeitsportler.

Diese sind in der Regel männlich und zwischen 22 und 30 Jahre alt, wenn sie mit dem AAS-Konsum beginnen. Von den 19- bis 21-Jährigen gaben in einer Umfrage unter einem Drittel an, AAS zu nutzen, bei den unter 18-Jährigen sind es noch weniger (7,4 Prozent) [1]. Die stärkste Motivation ist eine verbesserte körperliche Erscheinung sowie Muskelwachstum (82 Prozent), gefolgt von einer Verbesserung der Kraft (50 Prozent).

Doch auch Probleme mit dem Selbstbewusstsein hinsichtlich der eigenen körperlichen Erscheinung können zum Konsum führen (30 Prozent) [1].

Gefährlicher Substanzmix

Am häufigsten werden intramuskulär injizierte Testosteronester wie z.B. Testosteronenantat verwendet. Dabei lagen die wöchentlichen Dosen bei knapp der Hälfte der User zwischen 500 und 1.000 mg [1]. Zum Vergleich: Gesunde Hoden produzieren wöchentlich 50 mg Testosteron! Die Anwendung erfolgt häufig in Form einer Kur über 12, 16 oder 20 Wochen, wobei bis zu drei oder mehr verschiedene Substanzen kombiniert werden.

Dazu zählen neben Testosteronpräparaten beispielsweise anabole Steroide, wie das aus der Tiermedizin stammende Boldenon Undecylenat, sowie Insulin, Wachstumshormone, SERM (selektive Östrogenrezeptor-Modulatoren), Aromatasehemmer und Fatburner.

Zusätzlich werden zur Steigerung der Muskelmasse neuerdings selektive Androgenrezeptor-Modulatoren (SARM) eingenommen – eine neue Klasse androgenrezeptorbindender Substanzen, über die noch relativ wenig bekannt ist. “Durch die Substanz-Kombinationen steigt das Risiko für Nebenwirkungen deutlich an, während die Schadensbegrenzung schwieriger wird”, erklärte Butzke.

Gravierende Nebenwirkungen

Neben den gewünschten Veränderungen verursachen Anabolika zahlreiche Nebenwirkungen, die den gesamten Körper betreffen. Diese reichen von harmlosen, aber beeinträchtigenden Nebenwirkungen wie Akne oder Haarausfall, bis hin zu gefährlichen Veränderungen wie Lebertoxizität, kardiovaskulären Erkrankungen oder Nierenschäden.

Einige Nebenwirkungen werden von den Patienten selbst wahrgenommen und führen ihn dann in die Sprechstunde. So ist der typische Patient über 40 Jahre alt, hat jahrelang Testosteron injiziert und leidet nun zum Beispiel an Hypogonadismus, Potenzproblemen, Unfruchtbarkeit, schmerzhafter Gynäkomastie, Angstzuständen nach der Injektion oder einem Abszess an der Einstichstelle.

Letztere können unter anderem durch bakterielle Kontaminationen von Präparaten verursacht werden, die sich die Patienten auf dem Schwarzmarkt besorgen.

Schwerwiegender sind jedoch initial symptomlose und erst im Langzeitverlauf auftretende Nebenwirkungen, wie die irreversible Linksherz-Hypertrophie, Arrhythmien, arterielle Hypertonie, Polyglobulie, Thromboembolie, Leber- und Nierenschäden. Zudem kann es zu Herzinfarkt, Schlaganfall oder Krebserkrankungen kommen. So ist beispielsweise das Leberadenom gar nicht so selten bei AAS-Konsumenten, wie Prof. Philip Bruggmann aus Zürich berichtete.

Der Konsum kann zudem eine toxische Hepatitis und – selten – auch eine Peliosis hepatitis induzieren. Die cholestatische Hepatitis ist reversibel, sofern es dem Patienten gelingt, das AAS abzusetzen. Die regelmäßige Kontrolle der Leber ist bei AAS-Konsumenten wichtig und sollte Ultraschall (Leberadenom!) sowie folgende Laborwerte umfassen: ASAT, ALAT, LDH und GGT.

Diese Werte sind möglichst in einer trainingsarmen Periode zu ermitteln, da sie bei intensivem Training erhöht sein können. Die möglichen Schädigungen der Niere sind zahlreich und reichen von akuten Nierenschäden über chronische Niereninsuffizienz bis hin zu glomerulärer Toxizität.

Hypogonadismus und Gynäkomastie

Eine häufige und gravierende Folge des AAS-Konsums ist der Hypogonadismus. Infolge der externen Zufuhr an Testosteron, stellen die Hoden ihre Produktion ein und schrumpfen. Die Behandlung beginnt nach dem Absetzen von AAS mit einer Testos-teronersatztherapie über vier Wochen, die zusammen mit SERM (über einen längeren Zeitraum) verabreicht wird [2].

“Damit besteht die Möglichkeit, dass die körpereigene Testosteronproduktion wieder anläuft. Nach chronischem AAS-Konsum ist die Chance jedoch gering”, berichtete Bruggmann.

Ein ebenfalls häufiges Problem ist die Gynäkomastie, die sich mit Tamoxifen behandeln lässt, sofern sie noch nicht chronifiziert ist. Ansonsten bleibt nur der chirurgische Eingriff als Behandlungsoption. Bruggmann gab zu bedenken, dass auch die männliche Brust maligne entarten kann und man diese daher regelmäßig abtasten und im Zweifelsfall sonografieren bzw. punktieren sollte.

“Bei dieser Fülle an Nebenwirkungen ist es wichtig, sich nicht überwältigen zu lassen, sondern jede einzelne genau anzusehen und gegebenenfalls die Leitlinien zu Rate ziehen”, betonte der Internist.

Literatur:

  1. Bonnecaze AK et al. Am J Mens Health 2020; 6:1557988320966536
  2. Rahnema CD et al. Fertil Steril 2014; 101(5):1271–9

Quelle: 23. interdisziplinärer Kongress für Suchtmedizin: Symposium: Problematischer Anabolika-Konsum – Ein Fall für die Suchtmedizin.

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