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SuchterkrankungenComputerspielsucht – drei Kriterien sind relevant

Sie bewegen sich über Stunden nicht mehr von ihrem PC weg und werden aggressiv, wenn man sie stört – die Computerspielsucht ist insbesondere unter (männlichen) Jugendlichen und jungen Erwachsenen verbreitet. Bei der Diagnose helfen spezielle Fragebögen, gute Therapieerfolge werden mit verhaltenstherapeutischen Interventionen erzielt.

Jungen sind nahezu doppelt so häufig von Computerspielsucht betroffen wie Mädchen.

In der täglichen Praxis können fünf klinisch relevante Formen der allgemeinen Internetsucht auftreten: online-Computerspielsucht, online-Kaufsucht, online-Sexsucht, soziale Netzwerkstörung und online-Glücksspielsucht. Männer leiden häufiger unter Internetsucht, wobei geschlechtsspezifische Unterschiede bestehen [1].

So sind von der sozialen Netzwerkstörung eher weibliche Nutzer betroffen, während die Computerspielsucht ebenso wie die online-Sexsucht häufiger bei männlichen Nutzern vorkommt. Wie Dr. Klaus Wölfing berichtete, machen die Patienten mit Computerspielsucht (Gaming Disorder) in der “Ambulanz für Spielsucht” der Universitätsmedizin Mainz mit rund 40 Prozent den größten Anteil aus.

Dabei ist es noch nicht lange her, dass die Computerspielsucht in Deutschland als Erkrankung anerkannt wurde. Dies erfolgte erst im Zuge der überarbeiteten Internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD-11), die im Jahr 2022 in Kraft trat.

Verloren in fremden Welten

Die gute Nachricht ist, dass die Nutzungszeiten digitaler Spiele bei Kindern und Jugendlichen erstmals wieder vor-pandemisches Niveau erreichen [2]. Dies geht aus dem “Ergebnisbericht 2023” hervor, der vom “Deutsches Zentrum für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters” (DZSKJ) erstellt wurde.

Demnach sank die Prävalenz der pathologischen Nutzung digitaler Spiele seit 2019 um 32 Prozent und lag 2023 mit 4,3 Prozent wieder auf dem Niveau von 2021. Männliche Kinder und Jugendliche (10 – 17 Jahre) sind nahezu doppelt so häufig davon betroffen wie Mädchen (5,6 versus 3,1 Prozent).

Wölfing zufolge beruht die Faszination vieler “Gamer” auf mehreren Faktoren: Sie können mit den Computerspielen in eine andere Welt eintauchen, mittels Avatar das Geschlecht wechseln und andere Aspekte der Persönlichkeit ausleben.

Die Person hinter dem Avatar bleibt anonym, kann sich jedoch im Spieluniversum mit den Spielfiguren eine bestimmte Identität und Bekanntheit aufbauen. Für die Suchtentwicklung ist relevant, dass sich die Spieler in der virtuellen Welt verlieren können und der Selbstwert durch das Gaming gestärkt wird.

Höheres Suchtpotenzial bei Vermischung

Wie Wölfing berichtete, verschärft sich die Suchtgefahr durch die Vermischung von Spiel- und Glücksspielelementen. So enthalten die als “Gambling” bezeichneten Angebote beispielsweise “Lootboxen”, also virtuelle Kisten mit spielrelevanten Inhalten, die im Verlauf des Spiels gefunden oder gekauft werden – mit Spielwährung oder Echtgeld!

Zudem werden virtuelle Glücksspiele in den Spielablauf integriert, etwa Pokerrunden für die Avatare. Problematisch ist, dass insbesondere Kinder und Jugendliche diese Spielform nutzen und sich so schon früh an Glücksspielelemente gewöhnen. Einer Studie zufolge kann die Integration von Glücksspielelementen mit einem höheren Risiko für die Entwicklung von spiel-assoziierten Störungen verbunden sein [3].

Spielsucht erkennen und diagnostizieren

Beim Gaming vergehen schnell mal einige Stunden. Allerdings stellt die tägliche Spiel- oder Nutzungszeit laut dem Psychologen kein relevantes Kriterium für die Diagnosestellung einer internet-bezogenen Störung dar.

Entscheidend ist vielmehr die Beeinträchtigung des Alltags, die sich an folgenden Verhaltensauffälligkeiten erkennen lässt: Kontrollverlust (z.B. hinsichtlich Häufigkeit, Intensität und Nutzungsdauer), Lügen und Verheimlichen, Vernachlässigen anderer Dinge bis hin zur Körperpflege, Entzugserscheinungen wie etwa Schlafstörungen, Aggressivität z.B. gegenüber Partnern oder Eltern, Vernachlässigung der Bezugspersonen sowie erfolglose Abstinenzversuche.

Gemäß der aktuellen ICD-11 sind drei Kriterien für das Vorliegen einer Computerspielstörung (im Sinne einer patholo-gischen Mediennutzung) relevant: Kontrollverlust, Priorisierung gegenüber anderen Aktivitäten sowie fortgesetzte Nutzung trotz negativer Konsequenzen – über die Dauer von mindestens 12 Monaten.

Typisch ist, dass die Betroffenen ihren Konsum bagatellisieren und die eigene Verhaltensänderung lange Zeit nicht wahrhaben wollen.

Erfolgversprechende Interventionen

In der STICA Studie (short-term treatment for internet and computer game addiction) zeigte die ambulante, manualisierte kognitive Verhaltenstherapie sehr gute Therapieeffekte: Nach vier Monaten hatten die behandelten Patienten gegenüber der Wartezeit-Gruppe eine zehnfach erhöhte Chance, dass sich ihr Symptomscore zu “nicht pathologisch” veränderte [5].

Der Erfolg war unabhängig von der Schulbildung, dem behandelnden Zentrum oder dem Alter der Teilnehmenden. Abgeschwächte Module dieser, auch in der STICA-Studie angewandten Verhaltenstherapie, kamen bei der Wirksamkeitsprüfung einer neuen Form der “Online-Beratung im Konsumraum Internet” zur Anwendung.

Bei einer selektiven Stichprobe von 180 Probanden mit pathologischer Internetnutzung verringerten sich Konsum und Symptome gegenüber der Wartezeit-Gruppe signifikant [6].

Ein vielversprechender neuer Ansatz ist Wölfling zufolge auch die Cue Exposure Therapy (CET), eine Expositionstherapie mit Schlüsselreizen (Cues), welche die konditionierten Reize sowie emotionale und physiologische Reaktionen verringern soll.

Die Effekte eines Biofeedback-gesteuerten CET werden in Mainz derzeit untersucht und hinsichtlich einer möglicherweise neuen Therapieform evaluiert. Der gemessene Hautleitwert vermittelt den Betroffenen einen guten Eindruck ihres Erregungszustands bei gewissen Schlüsselreizen.

Quelle: Oberberg Online-Vortragsreihe: “Internetsucht ein neues Störungsbild im ICD-11: Klinische Merkmale, Forschung und das Mainzer Therapiemanual mit Dr. Dipl.-Psych. Klaus Wölfling, Mainz.

Literatur:

  1. Su W et al. Computers in human behaviour 2020; 113:106480
  2. Deutsches Zentrum für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters (DZSKJ) Ergebnisbericht 2023.
  3. Wieczorek Ł et al. Journal of Gambling Studies 2024; 40:859–871
  4. Wölfling K et al. Hrsg. W. Kohlhammer GmbH, 2. Auflage 2022, ISBN-10: 3170371622
  5. Wölfling K et al. JAMA Psychiatry 2019; 76(10):1018-1025
  6. Dieris-Hirche J et al. EClinicalMedicine 2023 64:102216
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