Präzisionsmedizin im Fokus
Das Konzept der Präzisionsmedizin ist in der Onkologie seit längerem bekannt. Die Förderung der Präzisionsmedizin wurde in den USA gestartet und auf andere Fachbereiche ausgeweitet.
“Inzwischen sind wir auch in der Herzmedizin durch die fortschreitende Digitalisierung, die Möglichkeiten der KI und durch bessere Erkenntnisse genetischer und molekularer Ursachen von Herz-Kreislauf-Erkrankungen an einem Punkt angelangt, an dem wir Präzisionsmedizin in unseren Behandlungsalltag immer mehr integrieren können. Denn viele Herz-Kreislauf-Erkrankungen können bereits erkannt werden, bevor eine klinische Manifestation eintritt. Durch das Wissen um die individuellen Krankheitsursachen und -verläufe können wir, so Landmesser, heute schon gut entscheiden, welche Intensität der Behandlung geboten ist. “Wir müssen uns von den One-size-fits-all-Lösungen verabschieden”. Stattdessen sollten individuelle Behandlungsansätze in den Fokus rücken.
Aktuelle Akzeptanz der Telemedizin
Digitale Technologien wie Telemedizin und Wearables haben die Kardiologie wesentlich verändert und auch bereichert. Im Rahmen einer Studie wurde bei Allgemeinärzten, Internisten und Kardiologen untersucht – und zwar in Form einer webbasierten Umfrage – welchen Stellenwert die Telemedizin in der Praxis hat. 87 Prozent der Befragten bewerteten die Telemedizin positiv. Als Hürden wurden genannt hohe Kosten (56,4 Prozent), unzureichende technische Expertise (20,3 Prozent) und mangelnde Systeminteroperabilität (44,8 Prozent).
Die am häufigsten genutzten Anwendungen waren Telemonitoring und Wearables, während Videosprechstunden und Apps nur eine geringe Verbreitung fanden (Franziska Hahn und Dominik Westphal, München). •
Ziel einer Untersuchung (LURIC-Studie) war es, die prognostische Bedeutung der selbsteingeschätzten körperlichen Fitness für die Gesamt- und kardiovaskuläre Mortalität in einer Kohorte von Patientinnen und Patienten mit einem mittlerem oder hohem kardiovaskulären Risiko zu analysieren.
Dabei wurde auch untersucht, ob diese subjektive Einschätzung unabhängig von anderen etablierten Risikofaktoren wie Hypertonie, Diabetes mellitus oder Hypercholesterinämie einen prognostischen Mehrwert bietet. Darüber hinaus wurde geprüft, ob die Fitness-Selbsteinschätzung mit biologischen Gesundheitsmarkern assoziiert ist und ob sie als sinnvolle Ergänzung in die medizinische Routine integriert werden sollte.
Die Ergebnisse zeigen einen deutlichen Zusammenhang zwischen der subjektiven Einschätzung der Fitness und der Sterblichkeit. Personen, die ihre Fitness als hoch bewerteten, hatten ein um bis zu 86 Prozent geringeres Risiko für kardiovaskuläre Todesfälle als Personen mit einer schlechten Einschätzung. Interessanterweise war die Selbsteinschätzung nicht nur bei Gesunden, sondern auch bei Personen mit KHK ein zuverlässiger Prädiktor für Sterblichkeit (Winfried März, Mannheim).
Wie wichtig ist Lipoprotein (a)?
Zu den Risikofaktoren, die bisher (noch) nicht beeinflusst werden können, gehört das Lipoprotein (a). Lp(a) ist ein in der Leber gebildetes LDL-ähnliches Partikel mit zusätzlichen entzündlichen und thrombotischen Eigenschaften, das deshalb noch atherogener als LDL-Cholesterin ist und ebenso eine kausale Bedeutung für die Atheroskleroseenstehung hat.
90 Prozent der Lp(a)-Konzentration sind vererbt. Umwelteinflüsse haben nur einen geringen Einfluss auf die Lp(a)-Konzentration. Somit ist ein erhöhter Lp(a)-Spiegel, der ein Leben lang konstant bleibt, von Geburt an ein kardiovaskulärer Risikofaktor.
Ein Drittel der europäischen Bevölkerung weist einen Lp(a)-Wert oberhalb des Grenzwertes von > 30 mg/dl auf, und bei 20 Prozent liegt der Wert sogar > 50 mg/dl. Lebensstilinterventionen wie Sport oder gesunde Ernährung können den Lp(a)-Wert nicht senken. Auch medikamentös mittels Statine lässt sich der Wert nicht beeinflussen.
Je höher der Lp(a)-Wert umso höher ist das Risiko für ein kardiovaskuläres Ereignis. Personen mit einem erhöhten Lp(a)-Wert zeigen eine ausgeprägtere und schwerere Form der KHK mit einer Mehrgefäßerkrankung, komplexeren Plaques, diffusen Läsionen und mehr chronischen Verschlüssen und einer beschleunigten Progression.
Die offizielle Leitlinie empfiehlt eine Lp(a)-Bestimmung mindestens einmal im Leben. Doch im Alltag erfolgt diese Bestimmung bisher nur bei etwa 20 Prozent der Bevölkerung. In Studien zeigten 28 Prozent einen erhöhten Wert.
Neue RNA-basierte Therapien senken das Lp(a) um 80 – 95 Prozent bei guter Verträglichkeit. Ob die beiden in Entwicklung sich befindenden Substanzen Pelarcarsen und Olpasiran das kardiovaskuläre Risiko senken können, wird zurzeit in Endpunktstudien untersucht. Das gleiche gilt für die Lp(a)-Synthese-Hemmer Lepodisiran und Zerlasiran (Andrea Bäßler, Regensburg).
Selbsteinschätzung als unabhängiger Risikomarker
In einer Studie wurde untersucht, welche Bedeutung dem Prädiabetes bei ischämischen Schlaganfällen zukommt. Neben klinischen Parametern und Schlaganfall-Subtypen wurde auch der Glukosestoffwechselstatus erfasst. Der Prädiabetes war definiert als Nüchternglukose 100 – 125 mg/dl oder ein HbA1c-Wert von 5,7 – 6,4 Prozent. Bei Werten darüber lag ein manifester Diabetes mellitus vor.
Bei 62 Prozent der Patientinnen und Patienten mit ischämischem Schlaganfall lag bei der Aufnahme eine gestörte Glukoseregulation vor, bei 33 Prozent ein Prädiabetes und bei 29 Prozent bereits ein Diabetes mellitus. Die höchste Prävalenz zeigte sich bei lakunären und atherosklerotischen Infarkten.
Von den Prädiabetikern wiesen 72 Prozent zumindest eine kardiovaskuläre Vorerkrankung auf. Bei über 50 Prozent wurden im EKG-Monitoring Phasen von Vorhofflimmern dokumentiert. Die Prädiabetes-Prävalenz nahm mit dem Alter zu. Männer ab 85 Jahren waren mit 52 Prozent doppelt so häufig betroffen wie Frauen. In der prädiabetischen Kohorte zeigte sich eine signifikante Korrelation zwischen dem HbA1c-Wert und dem Schweregrad des Schlaganfalls.
Diese Daten sprechen dafür, dass dem Prädiabetes insbesondere bei Patientinnen und Patienten mit kardiovaskulären Grunderkrankungen und/oder zusätzlichen Risikofaktoren eine therapeutische Bedeutung zukommen sollte (Michael Buerke, Siegen).