Eigene Einsamkeit beeinflusst ärztlichen Umgang mit dem Thema
Einsamkeit ist inzwischen als Risikofaktor für zahlreiche Krankheiten etabliert. Der ärztliche Umgang mit Einsamkeit ist noch weniger erforscht. Eine Befragung in den USA hat untersucht, inwieweit persönliches Erleben von Einsamkeit und der Umgang mit dem Thema im ärztlichen Handeln zusammenhängen.
Die Erhebung wurde als Online-Befragung unter den Mitgliedern der allgemeinmedizinischen Fachgesellschaft CERA (Council of Academic Family Medicine Educational Research Alliance) versandt. 20,7 Prozent der Angeschriebenen nahmen teil. Circa ein Drittel der Antwortenden hatten auf der Einsamkeitsskala (UCLA Loneliness Score) Werte, die einer als erheblich empfundenen Einsamkeit entsprechen.
Die Befragten, die Einsamkeit persönlich erlebten, gaben seltener an, regelmäßig in der Anamnese danach zu fragen. Sie hatten auch weniger Netzwerke aufgebaut, um Einsamkeit zu adressieren, und waren seltener bereit, das Thema in der Lehre und Weiterbildung zu besprechen. In der Studie waren die befragten Allgemeinmedizinerinnen und Allgemeinmediziner häufiger von Einsamkeit betroffen als die allgemeine Bevölkerung.
Fazit: Entgegen der intuitiven Überlegung, dass eine persönliche Erfahrung von Einsamkeit dafür sensibilisieren und damit eher zu mehr Gesprächen zu Einsamkeit führen könnte, zeigte diese Studie, dass Ärztinnen und Ärzte, die selbst einsam sind, das Thema möglicherweise vermeiden oder sich unsicherer fühlen, dazu zu unterrichten oder Gespräche und Lösungen anzubieten.
Einsamkeit bei Ärztinnen und Ärzten ist daher – ähnlich wie Burn-out – nicht nur für das eigene Wohlbefinden, sondern auch für die Behandlung und Lehre relevant. Pflegen Sie also Ihre Freundschaften und sozialen Kontakte – auch und gerade in stressigen Zeiten.
Kajaria-Montag H, Scholtes S, Gray DP, Sidaway-Lee K, Freeman M, Evans P. Continuity and locum use for acute consultations: observational study of subsequent workload. British Journal of General Practice 2025 Feb 27; 75 (752): e181-e186. doi: 10.3399/BJGP.2024.0312
Niedrig dosiertes Mirtazapin oder Amitriptylin bei Schlafstörungen
Leitlinien empfehlen einhellig eine nichtmedikamentöse Behandlung von Insomnien, bevorzugt eine kognitiv-behaviorale Therapie. Da eine solche in dieser Indikation kaum verfügbar ist, kann die Empfehlung schlecht umgesetzt werden.
Eine medikamentöse Therapie ist jedoch nicht unproblematisch: Benzodiazepine haben Suchtpotenzial und sollen allerhöchstens kurzfristig verschrieben werden. Daher werden in der Praxis oft niedrig dosierte Antidepressiva verordnet. Eine ordentliche randomisierte Studie gab es dazu bisher nicht.
Nun wurde in 64 hausärztlichen Praxen in Amsterdam und Umgebung eine pragmatische Studie durchgeführt. Teilnehmen konnten 18- bis 85-Jährige mit Schlafstörungen, die eine Medikation wünschten oder bei denen nichtmedikamentöse Maßnahmen nicht hilfreich waren. 80 Personen wurden in 3 Gruppen randomisiert und erhielten Kapseln, die entweder Placebo, 7,5 mg Mirtazapin oder 10 mg Amitriptylin enthielten.
Sie konnten eine oder zwei Tabletten abends vor dem Schlafen einnehmen. Die Kapseln sahen gleich aus, dem Placebo wurde für einen vergleichbaren Geschmack sogar ein Bitterstoff zugesetzt. Eine effiziente Verblindung war wichtig, da der primäre Endpunkt subjektiv war – die Teilnehmenden füllten den ISI-Score (Insomnia Severity Index) aus.
Sie nahmen die Medikation über 14 Wochen ein und wurden über 52 Wochen befragt. Unter Mirtazapin war der Score nach 6 Wochen klinisch und statistisch signifikant niedriger als unter Placebo, nach 12 und 52 Wochen berichteten allerdings auch die Personen unter Placebo über eine vergleichbare Besserung des Schlafs.
Die Verbesserungen unter Amitriptylin waren statistisch signifikant, aber nicht klinisch relevant. Unter den verwendeten niedrigen Dosen kam es zu keinen schwereren Nebenwirkungen, auch zu keiner Gewichtszunahme unter Mirtazapin über ein Jahr.
Fazit: Mirtazapin 7,5 bis 15 mg besserte Schlafstörungen in der hausärztlichen Versorgung nach 6 Wochen besser als Placebo, nach 12 Wochen war kein Unterschied mehr feststellbar. Eine Besserung von Schlafstörungen unter Placebo ist häufig, wird aber ein schneller Effekt gewünscht – was oft der Fall ist – ist niedrig dosiertes Mirtazapin kein Notbehelf mehr, sondern eine evidenzbasierte Therapieoption.
Bakker MH et al. Effectiveness of low-dose amitriptyline and mirtazapine for insomnia disorder: study protocol of a randomised, double-blind, placebo-controlled trial in general practice (the DREAMING study). BMJ Open. 2021 Sep 2;11(9):e047142. doi: 10.1136/bmjopen-2020-047142
Hausärztliche Famulaturen betreuen: Nachwuchsförderung mit Mehrwert
Teil 5: Lust auf mehr?
Am Ende einer Famulatur haben die Studierenden im besten Fall Lust auf mehr Allgemeinmedizin – und Sie Lust auf mehr Studierende! Neben der Betreuung von Famulaturen in den Semesterferien können Sie auch während des Semesters als Lehrpraxis Studierende unterrichten – je nach Universität in ganz unterschiedlichen Formaten.
An vielen Standorten gibt es bereits zu Studienbeginn erste, meist kürzere Hospitationen (etwa im Rahmen der sogenannten “Berufsfelderkundung”), um die Versorgung in hausärztlichen Praxen kennenzulernen. In den meisten Medizinstudiengängen findet das allgemeinmedizinische Blockpraktikum erst gegen Ende des Studiums statt, an einzelnen Standorten über das gesamte Studium hinweg.
In einigen Modellstudiengängen gibt es in den ersten Semestern schon ein erstes Blockpraktikum. Bei diesen Studierenden muss man sich ein bisschen mehr Gedanken machen, wie man sie mit ihrem nur begrenzten medizinischen Wissen in den Praxisalltag einbinden kann, jedoch bietet dies auch die Chance, sie von Anfang an für die Allgemeinmedizin zu begeistern.
Blockpraktika dauern eine oder zwei Wochen und werden von den Universitäten gestaltet, es gibt klare Lernziele und zum Abschluss meist eine kleine Prüfung in der Praxis. Sie erhalten Informationen dazu, was die Studierenden üben und lernen und wie die Prüfung und Benotung ablaufen soll.
Oft findet an der Universität oder online eine Einführungs- oder Schulungsveranstaltung dazu statt – eine gute Chance, noch Fragen loszuwerden oder sich mit Kolleginnen und Kollegen auszutauschen.
Neben Veranstaltungen, die Informationen und didaktischen Input zur Studierendenbetreuung vermitteln, werden die Lehrpraxen oft auch zu fachlichen Fortbildungen wie Lehrpraxentreffen oder dem “Tag der Allgemeinmedizin” eingeladen.
Die Voraussetzungen, um Lehrpraxis zu werden, legen die universitären Standorte fest. Meist ist es vor allem wichtig, eine “ganz normale” hausärztliche Versorgung anzubieten und ein zusätzliches Untersuchungszimmer zur Verfügung zu haben, damit die Studierenden auch alleine Patientinnen und Patienten befragen und untersuchen können.
Wer nach der Blockpraktikumsbetreuung immer noch Lust auf Unterricht und Studierende hat, kann als PJ-Praxis Studierende im Praktischen Jahr für vier Monate betreuen. Allgemeinmedizin ist im PJ ein Wahlfach: die Studierenden, die es auswählen, sind besonders interessiert und motiviert.
Auch wenn die Zahl der Studierenden wächst, die sich für Allgemeinmedizin interessieren, wählt im Moment noch eine Minderheit das Fach Allgemeinmedizin im PJ.
Alle universitären Standorte sind daran interessiert, neue Lehrpraxen zu gewinnen – auch in der Hoffnung, dass der Stellenwert der Allgemeinmedizin im Studium in Zukunft steigt, mit oder ohne eine neue Approbationsordnung.
Erkundigen Sie sich also bei der nächstgelegenen medizinischen Hochschule – Ihr Engagement wird gebraucht!
