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"Rauchende Köpfe"“Ich brauch mal eben schnell”: Auf der Überholspur zum Regress?

Werden Verordnungen hastig oder unter Ablenkung ausgestellt, kann das schnell teuer werden. Denn der Gemeinsame Bundesausschuss regelt viele Besonderheiten, was wann überhaupt auf Kosten der gesetzlichen Kassen verschrieben werden darf. Ein erster Teil mit Einblicken in die Arzneimittel-Richtlinie.

Verordnungsfehler: Im schlimmsten Fall richten sie medizinische Schäden an, im ebenso ärgerlichen Fall führen sie zu Regressen.

Schnell soll noch eben ein Rezept ausgestellt werden. Oder die MFA hat es zur Signatur vorbereitet und Sie müssen es nur noch schnell unterschreiben, weil der Patient keine Zeit hat. Oder Sie sind mit der Sprechstunde eh schon in Verzug und es fehlt die kurze, aber wichtige Zeit zum Nachdenken… Schnell ist es dann passiert: Verordnungsfehler.

Im schlimmsten Fall richten sie medizinische Schäden an, im ebenso ärgerlichen Fall führen sie zu Regressen. Daher gilt grundsätzlich: Halten Sie den Dreischritt ein! “Lesen – Denken – Signieren” oder “Lesen – Denken – Rücksprache”.

Merke: Unterschreiben Sie kein Rezept mit einem Medikament, das Sie nicht kennen, auch nicht, wenn der Patient von Prof. Dr. Dr. h.c. mult. die Vor-Verordnung bekommen hat. Denn was Sie unterschreiben, dafür stehen Sie sowohl medizinisch wie auch wirtschaftlich gerade. Bei unbekannten Medikamenten sollte man sich daher unbedingt die Zeit für eine kurze Recherche nehmen.

Die Arzneimittel-Richtlinie

Welche Medikamente man wie verordnen darf, regelt die Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL) des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA). Die wenigsten Ärztinnen und Ärzte haben diese jemals komplett gelesen. Ein Grund mehr, interessante Aspekte herauszugreifen.

Die Arzneimittel-Richtlinie selbst zeichnet sich durch den üblichen Charme von Gesetzestexten aus, sodass die Lesbarkeit für Nicht-Juristen nur eingeschränkt gegeben ist. Für den Alltag lohnt sich aber ein Blick in die Anlagen zur AM-RL.

Den meisten dürfte die Anlage I zur AM-RL, die “OTC-Ausnahmeliste”, bekannt sein. In der Arzneimittelrichtlinie steht nämlich, dass frei verkäufliche, sogenannte OTC-Medikamente (“over the counter”) grundsätzlich nicht von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt werden. Ausnahmen hiervon benennt die Anlage 1.

Diese Liste ist abschließend: Was hier nicht aufgeführt ist, bezahlen die Kassen im OTC-Bereich nicht. Welche Substanzen werden hier beispielsweise genannt?

So ist die Zuzahlung geregelt

Bekanntlich ist Acetylsalicylsäure (ASS) bei Menschen mit KHK und nach arteriellen Eingriffen auf Kassenrezept verordnungsfähig.

Merke: Im genauen Text findet man, dass die KHK auch ohne invasiven Eingriff diagnostiziert werden kann.

Viele Praxen stellen hier dennoch keine Rezepte aus, da sie davon ausgehen, dass das Medikament billiger als die Zuzahlung ist und der Patient es sich deshalb besser selbst kauft. Dabei handelt es sich aber um ein Missverständnis, denn bei der gesetzlichen Zuzahlung von 5 Euro pro Schachtel handelt es sich um den Höchstbetrag, sie liegt nie über dem Medikamentenpreis.

Für eine Schachtel 100mg ASS für 2,93 Euro wäre daher auch eine Zuzahlung nur in dieser Höhe erforderlich. Bei Verordnung auf einem Kassenrezept kann man aber zum einen besser sehen, ob der Patient das Medikament regelmäßig einnimmt. Zum anderen wirkt es für diesen auch mehr wie ein ernst zu nehmendes Medikament. Bei Zuzahlungsbefreiung entfällt natürlich auch die geringere Zuzahlung.

Folgen der Festbetragsgruppen

Vielleicht haben Ihnen Versicherte auch schon einmal erzählt, dass sie trotz Zuzahlungsbefreiung eine Gebühr oder mehr als fünf Euro bezahlen mussten. Dies hängt mit der Festbetrags-Regelung zusammen. Diese regelt für viele Wirkstoffgruppen, welchen Festbetrag die Krankenkassen erstatten müssen.

Meist werden die Preise durch die Hersteller dann in diesem Bereich auch festgesetzt. Manche Mittel liegen aber auch über dem Festbetrag – die Differenz müssen dann die Versicherten tragen.

Der G-BA legt bei den Wirkstoffen sogenannte Festbetragsgruppen fest. Diese werden in Anlage IX und X der Arzneimittel-Richtlinie veröffentlicht. Es handelt sich teilweise um Medikamente mit dem gleichen Wirkstoff, teilweise aber auch verwandte Wirkstoffe oder solche mit therapeutisch vergleichbarer Wirkung (www.hausarzt.link/anNM1).

Darin heißt es: “Senkt der pharmazeutische Hersteller nach Eingruppierung eines Wirkstoffs in eine Festbetragsgruppe den Preis des Arzneimittels nicht auf das Festbetragsniveau ab, müssen die Versicherten den Differenzbetrag selbst aufzahlen.”

Ein Beispiel ist die Festbetragsgruppe der Medikamente gegen Herpesviren. Diese umfasst Aciclovir, Valaciclovir, Famciclovir und Brivudin.

Während die beiden erstgenannten zum Festbetrag erhältlich sind und somit maximal die Zuzahlung von 5 Euro (bzw. bei Befreiung keine Zuzahlung) von Versicherten zu tragen ist, ist bei einer Behandlung mittels Famciclovir eine Preisdifferenz von 93,64 Euro (preisgünstigstes Präparat, teuerstes 411,87 Euro Mehrkosten) zu zahlen.

Bei Brivudin generisch müssten Versicherte 13 Euro zusätzlich zur Zuzahlung tragen, beim “Originalpräparat” Zostex 65 Euro.

Verordnung bei Pilzinfektionen

Zurück zu Anlage 1 der AM-RL mit einem weiteren Beispiel. Pilzinfektionen der Haut sind ein häufiges Thema in der hausärztlichen Versorgung. Hier sind frei verkäufliche Cremes anzuwenden, die beispielsweise Clotrimazol, Nystatin oder ähnliches enthalten. Im Mund- und Rachenraum kommen spezielle Präparate zur Anwendung.

Hier sind gleich zwei Positionen der OTC-Liste relevant: Zum einen Punkt 7 “Antimykotika nur zur Behandlung von Pilzinfektionen im Mund- und Rachenraum”, zum anderen Punkt 34 “Nystatin, oral, nur zur Behandlung von Mykosen bei immunsupprimierten Patienten”.

Merke: Die Lokalbehandlung von Mykosen der Haut mit Antimykotika ist also immer privat zu bezahlen. Nur für Pilzinfektionen des Mund-/Rachenraumes kann man Substanzen, die nicht verschreibungspflichtig sind, auf Kassenrezept verordnen, wie Gele oder Lutschtabletten mit Nystatin oder Miconazol. Alternativ kann man hier das verschreibungspflichtige Amphotericin verwenden, sollte jedoch vorher prüfen, welche Variante preisgünstiger ist.

Nystatin in Tablettenform wäre bei Pilzinfektionen immunsupprimierter Personen ebenfalls eine Kassenleistung, obwohl die Tabletten erstaunlicherweise frei verkäuflich sind. Andere, verschreibungspflichtige Wirkstoffe als Tabletten, tauchen auf der Liste nicht auf, da sie nicht unter den Überbegriff “OTC” fallen.

Manche Ärztinnen und Ärzte verordnen gern Cremes mit der Kombination von einem Antimykotikum und einem Corticosteroid. Dies ist therapeutisch manchmal sicher sinnvoll, aber: Beachten Sie, dass diese Behandlung als unwirtschaftlich gelten kann, wenn das Kombipräparat teurer ist als eine Creme mit Corticosteroid allein. Denn das zusätzliche Antimykotikum wäre sonst vom Versicherten selbst zu zahlen.

Vorgehen bei Eisenmangel

Häufig sehen wir Patientinnen mit Eisenmangel. Die orale Substitution ist laut AM-RL Anlage 1 nur dann Kassenleistung, wenn eine Eisenmangelanämie vorliegt. Ohne diese muss selbst bei schwerwiegenden Symptomen wie Restless Legs Syndrom oder ähnlichem das Eisenpräparat selbst bezahlt werden.

Wichtig: Es dürfen nur Eisen-II-Verbindungen als Monopräparat verordnet werden. Auch bei gleichzeitig vorliegendem Folsäure- oder Vitamin-B12-Mangel sind Kombinationspräparate nicht auf einem Kassenrezept verordnungsfähig, sondern es müssten in diesem Fall mehrere Präparate verordnet werden.

Die Folsäure wird gleich an zwei Stellen der Anlage I genannt: Zum einen ist sie laut Position 19 der Liste verordnungsfähig beim kolorektalen Karzinom und bei Behandlung mit Folsäureantagonisten (z.B. Methotrexat), zum anderen laut Position 44 genauso wie andere wasserlösliche Vitamine bei schwerwiegendem Mangel, der durch Ernährung nicht ausgeglichen werden kann.

Bei diesem Punkt ist zu beachten, dass ausschließlich Folsäurepräparate mit 5mg pro Dosiereinheit verordnungsfähig sind.

Tipp: Es ist jedem zu empfehlen, die OTC-Ausnahmeliste einmal gründlich zu lesen und stets griffbereit im Sprechzimmer oder auf dem Computer zugänglich zu haben, da im Alltag hierzu doch immer wieder Fragen auftauchen.

Fazit

  • Um Regressen vorzubeugen, unterschreiben Sie kein Rezept für Ihnen unbekannte Arzneien.
  • Lassen Sie sich bei Verordnungen nicht hetzen. Fehler verhindern Sie mit dem Dreischritt: Lesen, Denken Signieren/Rücksprache.
  • Es lohnt sich, die Anlagen der Arzneimittel-Richtlinie zu kennen.
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