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Von der Forschung in die PraxisArzneimittel: Vom Molekül zur EU-Zulassung

Bevor ein neues Medikament den Weg in die Versorgungspraxis findet, hat es eine jahrelange Reise hinter sich – durch Labore, klinische Studien und strenge Prüfverfahren. Jeder einzelne Schritt ist darauf ausgerichtet, die Sicherheit, Wirksamkeit und Qualität des Präparats zu garantieren. Doch was genau steckt hinter diesem komplexen Zulassungsprozess?

Von der Wirkstoffsuche bis zur Verordnung – der Zulassungsweg einer Arznei ist in der EU lange.

Alles beginnt mit der Suche nach einem geeigneten Wirkstoff: Bevor ein Arzneimittelprojekt startet, prüfen Pharmaunternehmen, ob es für die geplante Therapie einen medizinischen Bedarf gibt, ob ein neuer Wirkansatz erfolgversprechend ist und ob Krankenkassen und Versicherte das Medikament später finanzieren würden. Stehen die Chancen gut, beginnt ein mehrjähriger Entwicklungsprozess, an dem verschiedene Fachdisziplinen beteiligt sind.

Zunächst wird dabei ein geeigneter Angriffspunkt im Krankheitsgeschehen gesucht: ein sogenanntes “Target”, wie ein Enzym oder ein Rezeptor. Mithilfe großer Substanzbibliotheken und automatisierter Massentests werden potenzielle Wirkstoffe identifiziert.

Roboter prüfen dabei täglich bis zu 300.000 Substanzen. Nur wenige von ihnen zeigen eine erkennbare Wirkung: Diese sogenannten “Hits” dienen als Ausgangspunkte für die letztendlichen Wirkstoffkandidaten. Sie werden chemisch optimiert, um die gewünschte Wirksamkeit, Stabilität, Löslichkeit und Verträglichkeit zu erreichen. Oft sind hunderte Molekülmodifikationen nötig, begleitet von Labortests und Computersimulationen.

Die Wirkstoffkandidaten, die am meisten Erfolg versprechen, durchlaufen anschließend die vorklinische Entwicklung. Dort werden sie im Labor und in vorgeschriebenen Tierversuchen auf Wirksamkeit, Toxizität, kanzerogene Effekte und mögliche Schäden an Erbgut oder Embryonen getestet. Nur Substanzen, die diese Hürde überspringen, dürfen später an Menschen erprobt werden. [1]

Klinische Prüfung in drei Phasen

Nach erfolgreicher vorklinischer Entwicklung beginnt die klinische Prüfung – der letzte Schritt vor der Zulassung. Sie gliedert sich in drei Phasen:

  1. In der ersten klinischen Phase wird der Wirkstoff an gesunden Erwachsenen getestet. Hier wird geprüft, ob sich die in Tierversuchen beobachtete Pharmakokinetik beim Menschen bestätigt und wie gut der Wirkstoff vertragen wird. Darauf aufbauend wird die passende Darreichungsform entwickelt, die entscheidend für Wirksamkeit, Verträglichkeit und Freisetzung des Wirkstoffs ist. [1]
  2. In der zweiten klinischen Phase wird das Medikament erstmals an Erkrankten geprüft, um den Behandlungseffekt und die geeignete Dosierung zu ermitteln.
  3. Die dritte klinische Phase folgt mit mehreren tausend Patientinnen und Patienten, um die bisherigen Ergebnisse unter realistischeren Bedingungen zu bestätigen. Die beiden letzten Phasen arbeiten mit randomisierten, kontrollierten und oft doppelblinden Studien, die objektive Vergleiche mit Standardtherapien oder Placebos ermöglichen. Die meisten Phase-III-Studien werden in Kliniken durchgeführt. Unter bestimmten Voraussetzungen ist aber auch eine Teilnahme niedergelassener Arztpraxen möglich (s. Praxis-Tipp). Grundlage jeder Studie ist mindestens ein definierter Endpunkt, der den Therapieerfolg messbar macht – etwa das Gesamtüberleben, die Rückfallrate oder ein Surrogatwert wie die Viruslast. Aspekte wie Alter, Geschlecht, Biomarker oder genetische Faktoren spielen zunehmend eine Rolle bei der individuellen Bewertung von Wirksamkeit und Verträglichkeit. [1]

Antrag auf Zulassung: Wer ist zuständig?

Nach Abschluss aller Studien kann das pharmazeutische Unternehmen, das den Wirkstoff entwickelt hat, die Zulassung beantragen. Arzneimittel können dabei entweder zentral für die gesamte EU, dezentral parallel in mehreren Ländern oder national für ein einzelnes Land zugelassen werden – abhängig vom Arzneimitteltyp und Anwendungsbereich.

  • Für zentral zulassungspflichtige Präparate wie biotechnologisch hergestellte Arzneimittel, Orphan Drugs oder neuartige Therapien (z. B. Gentherapien, ATMPs) ist die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) zuständig.
  • Geht es um nationale Zulassungen in Deutschland, ist das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) für die meisten klassischen Arzneimittel verantwortlich.
  • Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) bewertet insbesondere Impfstoffe, Blutprodukte und biomedizinische Arzneimittel.

Liegt bereits eine nationale Zulassung in einem EU-Mitgliedstaat vor, kann diese über das Verfahren der gegenseitigen Anerkennung auf weitere Länder ausgeweitet werden. [2]

Ist ein Arzneimittel auf EU-Ebene zugelassen, kann es in Deutschland sofort verordnet werden – anders als in vielen anderen Ländern Europas, wo zunächst Verhandlungen innerhalb des Gesundheitssystems stattfinden. In Deutschland folgen Preisverhandlungen nach Markteinführung. Zu diesem Zeitpunkt liegen meist bereits zehn oder mehr Jahre Forschung und Entwicklung hinter dem Projekt. [1]

Phase IV: Einsatz im Praxisalltag

Auch nach der Zulassung wird das Präparat weiter intensiv beobachtet. Denn sehr seltene Nebenwirkungen lassen sich in Studien kaum erfassen. Erkennt ein Unternehmen neue Risiken, informiert es die Ärzte- und Apothekerschaft über ein behördlich abgestimmtes Schnellwarnsystem.

Zudem werden sogenannte Anwendungsbeobachtungen durchgeführt, bei denen mithilfe realer Behandlungsdaten geprüft wird, wie sich das Medikament im Praxisalltag bewährt, auch in speziellen Patientengruppen. Diese Phase nach der Zulassung wird als Phase IV bezeichnet.

Darüber hinaus können nachträgliche Phase-II- oder Phase-III-Studien folgen, beispielsweise, um neue Anwendungsgebiete zu prüfen oder neue Darreichungsformen zu entwickeln. [1]

In Deutschland beginnt mit der Markteinführung zudem die frühe Nutzenbewertung. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) prüft, ob das neue Medikament gegenüber etablierten Therapien einen Zusatznutzen bietet: etwa durch bessere Wirksamkeit, geringere Nebenwirkungen oder eine höhere Lebensqualität für die Betroffenen.

Diese Bewertung beeinflusst, welchen Erstattungsbetrag die gesetzlichen Krankenkassen für das Präparat übernehmen. Liegt kein Zusatznutzen vor, darf das neue Mittel nicht mehr kosten als die bestehende Standardtherapie. Hersteller müssen dafür ein detailliertes Dossier vorlegen, das vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) analysiert wird.

Das gesamte Verfahren folgt einem festen Zeitplan und ist meist innerhalb eines Jahres abgeschlossen. Damit wird sichergestellt, dass neue Arzneimittel auch wirtschaftlich sinnvoll in die Versorgung integriert werden. [3]

Fazit

  • Die Entwicklung eines neuen Arzneimittels ist ein vielschrittiger Prozess, der von der präklinischen Forschung über drei klinische Phasen bis zur endgültigen Zulassung durchschnittlich mehr als 13 Jahre in Anspruch nimmt. [1]
  • Je nach Wirkstofftyp und Anwendungsbereich erfolgt die Zulassung entweder zentral über die EMA oder national über zuständige Behörden wie das BfArM oder das PEI. [2]
  • Auch nach der Markteinführung wird das Arzneimittel im Rahmen von Phase-IV-Studien und Anwendungsbeobachtungen weiter überwacht, um langfristige Sicherheit und Wirksamkeit zu prüfen. [1]
  • Weiterhin beginnt in Deutschland nach der Zulassung die frühe Nutzenbewertung durch den G-BA. Sie beeinflusst maßgeblich die Erstattungsregelungen durch die gesetzlichen Krankenkassen.

Literatur:

  1. Die forschenden Pharmaunternehmen (vfa). So entsteht ein neues Medikament. In Labors und Kliniken – Wie ein neues Medikament entsteht, Zugriff: 26.09.2025.
  2. Bundesinstitut für Impfstoffe und Biologische Arzneimittel (Paul Ehrlich Institut). Zulassungsverfahren, Zugriff: 26.09.2025.
  3. Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Arzneimittel-Zulassung und frühe Nutzenbewertung in Deutschland. In: Neue Arzneimittel – Zulassung, Nutzenbewertung, Erstattung, Zugriff: 26.09.2025.
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