Von psychischen Komorbiditäten bis hin zur Opioidtherapie – die Behandlung von Menschen mit chronischen Schmerzen ist für Hausärztinnen und Hausärzte oft herausfordernd. Hausarzt und Schmerzmediziner Dr. Roland Issel erklärt, wie er vorgeht.
Dr. Roland Issel beschäftigt sich schon lange mit der Therapie chronischer Schmerzen, Hausarzt ist er jedoch erst seit Kurzem: Anfang 2020 hat er sich als Quereinsteiger in seiner Praxis in Bottrop niedergelassen. Ursprünglich Anästhesist, Intensiv- und Notfallmediziner, übernahm er 2014 die Schmerzambulanz der Klinik, in der er damals tätig war.
In diesem Zusammenhang setze er sich viel mit Achtsamkeit auseinander. “Das passte irgendwann nicht mehr in den Klinikbetrieb”, erzählt er. “Im Krankenhaus geht es ja sehr um Zeit und Durchsatz, gerade mit der Schmerzmedizin ist das aber schlecht vereinbar.” In der Praxis ist er nun sein eigener Herr und kann sich seine Zeit einteilen: An vier Tagen in der Woche ist er als Hausarzt tätig, einen Tag widmet er der Schmerztherapie.
Grundlagen der Opioidtherapie
Wenn Patientinnen und Patienten mit Schmerzen in die Praxis kommen, gilt es zunächst, zwischen akutem und chronischem Schmerz bzw. den verschiedenen Schmerzarten zu differenzieren und abwendbar gefährliche Verläufe unter Berücksichtigung der Red Flags (s. DEGAM-Leitlinie zum chronischen Schmerz: www.hausarzt.link/9KSEd) auszuschließen.
Um chronische Schmerzen handelt es sich je nach Sichtweise erst ab einer Zeitdauer von drei bis sechs Monaten. Zur Sicherung des Chronifizierungsgrads empfiehlt Issel das Mainzer Stadienmodell der Schmerz-Chronifizierung, bei Verdacht auf neuropathische Schmerzen den Pain-Detect-Fragebogen (s. Kasten unten).
Während die Behandlung akuter Schmerzen in der hausärztlichen Praxis alltäglich ist, wird bei chronischen Schmerzen oft der Einsatz von Opioiden erforderlich. Issel verweist in diesem Zusammenhang auf die Leitlinie LONTS (www.hausarzt.link/WRM3e) und betont, dass der Fokus auf der Verträglichkeit der Substanzen liegen sollte: “Besonders wichtig finde ich, dass man möglichst mit Substanzen einsteigt, die wenig Suchtpotenzial haben. Verzichten Sie auf Opioide wie Oxycodon oder Polamidon, die schlecht auf andere Substanzen rotiert werden können. Setzen Sie in erster Linie gut verträgliche Medikamente wie Buprenorphin und Hydromorphon ein und beginnen Sie mit einer niedrigen Dosierung.”
Issel verordnet häufig ein Buprenorphin-Pflaster, wenn die Gefahr besteht, dass die Einnahme vergessen werden könnte, oder es Erkrankungen im Bereich des Gastrointestinaltrakts gibt. “Die optimale Dosis liegt bei einem Erreichen der zuvor formulierten Therapieziele bei gleichzeitigen geringen bzw. tolerablen Nebenwirkungen vor”, erklärt er.
“Mehr als 120 mg orales Morphinäquivalent pro Tag sollten es im Regelfall nicht sein.” Eine länger als drei Monate andauernde Therapie sei nur bei Respondern sinnvoll; nichtretardierte Opioide oder eine Kombination unterschiedlicher Opioide gelte es ebenso zu vermeiden wie eine Kombination von NSAR.
Psychosoziale Aspekte
Eine alleinige medikamentöse Therapie reicht bei chronischen Schmerzen nicht aus: Die Betroffenen sollten ergänzend mit Verfahren behandelt werden, die neben körperlichen auch seelische und soziale Aspekte adressieren (s. Tab. 1 unten).
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