Aktuelle Therapieempfehlungen
In den letzten zehn Jahren wurden eine Reihe großer kardiovaskulärer Endpunktstudien mit SGLT2-Inhibitoren, GLP-1-Rezeptoragonisten (GLP-1-RA) und dem nicht-steroidalen Mineralokortikoid-Rezeptor-Antagonisten Finerenon bei Menschen mit Diabetes und hohem kardiovaskulären und/oder renalem Risiko durchgeführt. Basierend auf den Erkenntnissen dieser Studien geben die aktuellen Leitlinien klare Empfehlungen zur Behandlung von Personen mit Diabetes und kardio-renalen Begleiterkrankungen.
Bei Menschen mit Diabetes und atherosklerotischer Erkrankung wird zusätzlich zur Standardtherapie die Behandlung mit einem GLP-1-RA oder einem SGLT2-Inhibitor empfohlen (Klasse-IA-Empfehlung). Eine systematische Untersuchung auf Symptome und Zeichen einer Herzinsuffizienz wird bei jedem klinischen Kontakt bei allen Personen mit Diabetes empfohlen.
Bei Patienten mit einer Herzinsuffizienz werde empfohlen, unabhängig von der linksventrikulären Auswurffraktion einen SGLT2-Inhibitor einzusetzen. Damit könnten Krankenhausaufenthalte wegen Herzinsuffizienz und kardiovaskuläre tödliche Ereignisse verhindert werden. Neue Studien sprechen dafür, dass auch GLP-1-RA bei chronischer Herzinsuffizienz einen günstigen Effekt haben.
Bei Patienten mit Diabetes und einer CKD wird eine Therapie mit einem SGLT2-Inhibitor und/oder Finerenon empfohlen, nachdem in Studien mit diesen Substanzen eine Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse und Nierenversagen dokumentiert werden konnte. Kürzlich konnte auch für den GLP-1-RA Semaglutid eine renoprotektive Wirkung bei Patienten mit Diabetes und CKD gezeigt werden (Dirk Müller-Wieland, Aachen).
Screening auf Endorgan-Schäden
Patienten mit Diabetes mellitus haben ein deutlich erhöhtes kardio-renales Risiko, so dass alle Patienten mit einem Diabetes auf das Vorliegen von kardiovaskulären Erkrankungen und schweren Endorgan-Schäden überprüft werden sollten. Schwere End-organ-Schäden werden anhand der geschätzten glomerulären Filtrationsrate (eGFR), der Albumin-Kreatinin-Ratio im Spontan-Urin (UACR) und dem Vorhandensein von mikrovaskulären Erkrankungen an mindestens drei verschiedenen Stellen z.B. Mikroalbuminurie plus Retinopathie plus Neuropathie definiert.
Patienten mit Typ-2-Diabetes und kardiovaskulären Erkrankungen oder schweren Endorgan-Schäden werden als Patienten mit sehr hohem kardiovaskulären Risiko kategorisiert (Dirk Müller-Wieland, Aachen).
Medikamentöse Adipositas-Therapie
Die medikamentöse Therapie der Adipositas hat in den letzten Jahren eine grundlegende Veränderung erfahren. Neue Wirkstoffe wie die GLP-1- und Dual-Agonisten ermöglichen erstmals eine deutliche und nachhaltige Gewichtsreduktion, die weit über frühere medikamentöse Ansätze hinausgeht. Allerdings steigt das Gewicht in der Regel wieder, wenn die Behandlung beendet wird.
Die Therapie ist aber mehr als eine Frage des Abnehmens. Neue Konzepte betrachten die Adipositas als systemische Erkrankung mit multiplen Folgeerkrankungen und erfordern dementsprechend einen neuen Therapieansatz. In der jüngst vorgeschlagenen Neuklassifikation von Obesity wird zwischen einer preclinical obesity (erhöhtes Risiko) und clinical obesity (bereits manifeste Organschäden) unterschieden.
Diese Perspektive verdeutlicht, dass eine rein auf den BMI basierende Beurteilung nicht reicht. Medikamentöse Ansätze sind insbesondere dann sinnvoll, wenn die Adipositas bereits zu kardiovaskulären oder metabolischen Komplikationen geführt hat.
Neben der Reduktion des Gewichts zeigen aktuelle Studien, dass eine GLP-1 basierte Therapie nicht nur das Körpergewicht und den Blutzucker senken könne, sondern klare Effekte auf Folgeerkrankungen zeige und außerdem Potenzial zur Diabetes-Prävention habe. Neben der Gewichtsreduktion und der Blutzuckersenkung sei das Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall und Nephropathie reduziert worden. Erste Studien legen nahe, dass GLP-1-RA das Fortschreiten eines Prädiabetes zu einem manifesten Diabetes verzögern oder sogar verhindern könne.
Die neuen Wirkstoffe ersetzten jedoch keine gesunde Ernährung und Bewegung. Sie seien vielmehr eine Ergänzung. Sie ermöglichen dort einen Erfolg, wo Lebensstilmaßnahmen allein nicht ausreichten. Dies ist insbesondere bei Menschen mit starker biologischer Gegenregulation zu beobachten, die eine langfristige Gewichtsabnahme trotz Ernährungsumstellung und Bewegung nicht halten.
Trotz der vielversprechenden Daten bleiben Herausforderungen. So benötigen die meisten Patienten eine langfristige Therapie, da nach Absetzen das Gewicht häufig wieder ansteigt. Auch fehlen noch Langzeitdaten zur Sicherheit und Wirksamkeit (Martin Heni, Ulm).
Geschlechtsspezifische Unterschiede
Beim Typ-2-Diabetes bestehen wichtige Unterschiede bei der Diagnose und dem Krankheitsverlauf von Frauen und Männern. Weltweit sind etwas mehr Männer als Frauen von Diabetes mellitus betroffen, jedoch vermindert ein Diabetes die Gesundheit, die Lebensqualität und auch -erwartung beim weiblichen Geschlecht besonders schwer.
Bei Männern wird in der Regel der Diabetes früher diagnostiziert als bei Frauen. Männer haben aufgrund ihrer genetischen Veranlagung und hormonellen Situation, einer stärkeren Insulinresistenz und mehr Bauch- und Leberfett ein höheres Risiko für Diabetes. Frauen haben aufgrund der unterschiedlichen Fettverteilung und der generell günstigeren Stoffwechselsituation ein niedrigeres Risiko.
Eine große Rolle beim Typ-2-Diabetes spielen bei Frauen psychosoziale Faktoren wie geringerer Bildungsgrad, Traumatisierung, emotionaler Stress und ein schlechter sozioökonomischer Status. Diabetische Frauen leiden häufiger unter Diabetes Distress, der mit Sorgen und Ängsten einhergeht.
Der Diabetes bei Frauen ist aber auch mit einem höheren relativen Risiko für Herzinfarkt, Herzschwäche und Schlaganfall verbunden und Frauen mit Diabetes entwickeln im mittleren Lebensalter häufiger eine Depression (Alexandra Kautzky-Willer, Wien).
Die Haut als Spiegel des Stoffwechsels
Die Haut als größtes und vor allem sichtbarstes Organ zeigt oft erste Veränderungen als Warnsignale einer diabetischen Stoffwechsellage. Auch können diese Hautveränderungen als zuverlässiger Indikator für den Behandlungserfolg dienen. Zwischen 30 und 70 Prozent aller Diabetespatienten entwickeln temporäre aber auch langfristige Diabetes-assoziierte Hautveränderungen. Diese lassen sich in vier Gruppen einteilen:
- Allergische Hautreaktionen auf Diabetes-Medikamente,
- Hautinfektionen,
- Gefäßveränderungen wie beim diabetischen Fußsyndrom,
- Hauterkrankungen mit häufiger Assoziation mit Diabetes wie Acanthosis nigricans.
Die unphysiologisch hohen Glukosekonzentrationen führen zu pathologischen Veränderungen der Gewebestrukturen und Funktionseinschränkungen der Zellen und des angeborenen und auch des erworbenen Immunsystems.
Es kommt zu Veränderungen der extrazellulären Matrix und auch zu einer Hemmung der Fibroblastenteilung, was eine beschleunigte Hautalterung und eine verzögerte Wundheilung begünstigt (Alexander Konstantinow, München).