Berlin. Ab dem 1. Juli 2022 müssen Reha-Verordnungen auf einem renovierten Muster 61-Vordruck ausgestellt werden. Der bisher gültige Vordruck darf dann nicht mehr benutzt werden.
Hintergrund für diese Änderung ist die Verabschiedung des Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz am 2. Juli 2020 durch den Bundestag. Einzelheiten zum geänderten Verordnungsumfang sind in der am 16. Dezember 2021 durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) beschlossenen Änderung der Rehabilitations-Richtline festgelegt.
Das für den Gesetzgeber motivierende Ziel zu dieser Änderung war ein erleichterter Zugang für Patienten vor allem zu einer geriatrischen Rehabilitation.
Die Änderungen auf einen Blick:
- Bei Verordnung einer geriatrischen Rehabilitation prüfen die Krankenkassen ab dem 1. Juli 2022 nicht mehr, ob die Maßnahme medizinisch erforderlich ist. Damit dies bewerkstelligt werden kann, müssen die verordnenden Ärzte in Zukunft jedoch deutlich mehr Aufwand betreiben.
- Auch bei Anschlussheilbehandlungen (AHB) nach Krankenhausaufenthalt entfällt die Vorab-Prüfung der medizinischen Notwendigkeit bei einigen Krankheitsbildern.
- Bei allen anderen Indikationen für eine Reha-Maßnahme dürfen die Krankenkassen gegen die vom verordnenden Arzt bescheinigte Notwendigkeit der Reha-Maßnahme nur dann abweichen, wenn ein entsprechendes Gutachten des Medizinischen Dienstes (MD) dies empfiehlt.
- Der Versicherte muss vor der Verordnung entscheiden und gefragt werden, ob das medizinische Gutachten des MD der verordnenden Praxis zugestellt werden darf; ebenso muss er einer Übersendung der Krankenkassenentscheidung an Dritte (beispielsweise Angehörige, Vertrauenspersonen, Pflegedienst) vorher zustimmen oder die Zustimmung verweigern.
Wesentliche Änderungen für Ärzte
Information des Patienten durch den Arzt vor der Verordnung über die Möglichkeit der oben beschriebenen Einwilligung oder Ablehnung zum Versand von Gutachten und Krankenkassenentscheidung. Dies muss durch den Patienten schriftlich erfolgen. Dafür wurde an das Reha-Verordnungsblatt ein zusätzlicher Abschnitt E angefügt. Bei Einwilligung kann der Patient dann die entsprechenden Kontaktdaten auf dem Vordruck im Abschnitt E eintragen.
Bei Verordnung einer geriatrischen Reha-Maßnahme entfällt die Überprüfung der medizinischen Notwendigkeit durch die Krankenkasse immer dann, wenn
- der Patient 70 Jahre oder älter und
- mindestens eine rehabegründende Funktionsdiagnose vorliegt und
- mindestens zwei geriatrietypische Diagnosen vorliegen.
Merke: Aufgrund der Verknüpfung müssen somit alle drei Voraussetzungen für die Verordnung einer geriatrischen Reha-Maßnahme erfüllt sein.
Was sind geriatrietypische Diagnosen?
Um den Erfolg der Verordnung nicht wegen einer falschen Diagnose zu gefährden und eine Ablehnung zu riskieren, sollten die geriatrietypischen Diagnosen (mindestens zwei!) auch korrekt auf dem Teil B I A des Verordnungsvordrucks eingetragen werden.
Dazu gehören neben der Demenz, Sturzneigung auch chronische Schmerzen u.v.a. Eine Auflistung der in Frage kommenden Diagnosen findet sich in den tragenden Gründen zum Beschluss des G-BA.
Funktionstests
Eine für den Arzt entscheidende Neuerung ist die zwingende Notwendigkeit, dass die Schädigungen und Funktionseinbußen, die die Verordnung der Reha-Maßnahme begründen, durch dokumentierte Funktionstests nachgewiesen werden müssen. Hierfür müssen entsprechend dem Hinweis auf dem Vordruck mindestens zwei Tests angekreuzt werden, die die Funktionsstörung am besten abbilden.
Das Ergebnis der Tests soll dabei nicht älter als sechs Wochen sein. Zur Auswahl sind dafür insgesamt fünf Schädigungsbereiche mit den entsprechenden Testmöglichkeiten vorgegeben (s. Bild).
Eine Übersicht der einzelnen Funktionstest samt der Links zu den Dokumentationsbögen finden Sie in der Anlage I der Vordruckvereinbarung zum Reha-Formular.
Gezielte Zuweisung zur geriatrischen Reha
Neu ist ebenfalls die Möglichkeit, im Teil D unter Punkt VI B eine gezielte Zuweisungsempfehlung zu einer geriatrischen Reha-Maßnahme auszusprechen. Damit wird automatisch, wie oben beschrieben, eine Überprüfung der medizinischen Notwendigkeit durch die Krankenkasse ausgeschlossen.
Konsequenzen für Hausärzte
Ab dem 1. Juli 2022 darf nur noch das neue Formular benutzt werden. Die bisherigen Vordrucke sind dann nicht mehr gültig. Tipp: Bei Blanko-Formulardruck sollte frühzeitig geprüft werden, ob der Vordruck ins System implementiert ist.
Bei Verordnung einer geriatrischen Reha kann man dem Patienten versichern, dass die Krankenkasse keine medizinische Überprüfung der Notwendigkeit mehr vornimmt und damit die Maßnahme höchstwahrscheinlich durchgeführt wird.
Auf den Hausarzt kommt mit der Änderung deutlich mehr Arbeit hinzu, nicht allein durch die Erbringung der Funktionstests, sondern auch durch eine erhöhten Erklärungsbedarf, beispielsweise bei der Zustimmungsproblematik.
Nicht geklärt ist bisher die Vergütungsregelung, die dem Mehraufwand zwingend angepasst werden sollte. Es ist nicht nachvollziehbar, dass sechs Monate nach Beschluss der geänderten Reha-Richtlinie der Bewertungsausschuss immer noch keine Entscheidung getroffen hat.
Quellen:
- https://www.g-ba.de/downloads/40-268-8119/2021-12-16_Re-RL_Anpassung-IPReG_TrG.pdf
- https://www.kbv.de/html/1150_58484.php
- https://www.kbv.de/media/sp/Muster_61_7_2022.pdf
- https://www.kbv.de/media/sp/Muster_61_VE.pdf