MFA, VERAH, NäPA oder PCM müssen nicht nur viel wissen, in den heutigen Zeiten müssen sie auch viel aushalten. Denn der Ton mancher Patientinnen und Patienten ist rauer geworden. Praxisteams berichten von aggressiven und bedrohlichen Situationen.
Um die Angestellten zu unterstützen, hat ein Arzt in seiner Praxis ein Plakat ins Wartezimmer gehängt mit der Aufschrift: “Es ist leichter, neue Patienten zu finden als neues Praxispersonal. Bitte gehen Sie gut mit meinen Mitarbeiterinnen um!”
Auch Dr. Axel Bullerkotte, Facharzt für Allgemeinmedizin im niedersächsischen Pattensen, hat bereits Plakate zur Wertschätzung des Personals ausgehängt. Er bezeichnet sie als “Heldinnen des Alltags”, das können Patientinnen und Patienten auch auf Karten in der Praxis nachlesen.
Dass Patientinnen und Patienten sich gegenüber dem Praxispersonal unverschämt verhalten, lässt Dr. Mohammad Ahmadi, Facharzt für Allgemeinmedizin und niedergelassen im bayerischen Mainstockheim, grundsätzlich nicht zu.
© m+m Dr. Axel Bullerkotte, Facharzt für Allgemeinmedizin in Pattensen
“Ich versuche auch immer, das Personal zu schulen, dass sie in Konfliktsituationen mich immer an ihrer Seite haben und mich jederzeit in solchen Situationen − auch aus der Sprechstunde heraus − kontaktieren können, damit sie aus der Schusslinie kommen”, sagt er.
Ausflüge fördern Familiengefühl
Dr. Matthias Hempel, Facharzt für Allgemeinmedizin und niedergelassen im nordrhein-westfälischen Detmold, sieht das genauso: “Selbstverständlich stellen wir uns schützend vor unser Personal.
Wenn sich beispielsweise eine Mitarbeiterin angegriffen fühlt, wird der Patient der Praxis verwiesen und die hausärztliche Betreuung nicht weiter fortgeführt.” Notfallpatienten werden natürlich immer behandelt.
Regelmäßige Teamtreffen und Events sind in den Praxen gang und gäbe. Dank der häufigen Treffen und Veranstaltungen auch im privaten Umfeld gebe es schon so etwas wie ein Familiengefühl, sagt Ahmadi.
Einmal im Jahr spendiert er für sein Team zusätzlich einen Ausflug, der immer von Freitag bis Sonntag stattfindet. Weihnachtsfeiern und jedes Jahr auch ein Sommer-Event sind in Hempels Praxis ebenfalls üblich.
© BHV Dr. Mohammad Ahmadi, Hausarzt in Mainstockheim (Bayern), aktiv im BHV
Zudem werden regelmäßig interne oder externe Fortbildungen angeboten. “Auch einzelne MFA-Fortbildungen wie zum Beispiel die Kosten für die Ausbildung zur Digi-Managerin der KVWL oder auch zur VERAH übernehmen wir”, sagt Hempel.
In privaten, finanziellen Notlagen – zum Beispiel nach einer Scheidung – gewähren die Ärztinnen und Ärzte in Hempels Praxis der betroffenen Mitarbeiterin oder dem Mitarbeiter “schnell und unbürokratisch” einen zinslosen Kredit.
Besonderes Engagement zahlt sich in den Praxen aus. Nicht nur in Ahmadis Praxis winken Boni: Hempel bietet seinen Mitarbeitenden am Quartalsende eine fünfzigprozentige Beteiligung an der Abrechnung für Gesundheitsuntersuchungen an, die sie herausgesucht und terminiert haben.
“Ähnliche finanzielle Anreize bieten wir durch Beteiligung an speziellen Sonderaktionen, so zum Beispiel Impfwochenenden oder Impfnächte, die wir durchführen, wo die MFA dann entsprechend großzügige Zusatzvergütungen für ihren Einsatz bekommen”, sagt Hempel.
© Haleo Dr. Matthias Hempel, hausärztlicher Internist, Detmold
Freuen dürfen sich die Mitarbeitenden auch über Gutscheine oder Erholungsbeihilfen, sagt Bullerkotte.
Begehrt: Parkplatz in der City
Hempel bietet seinem Personal Business Bikes auf Kosten der Praxis an. Anderen Angestellten, die mit dem Auto zur Praxis fahren müssen, steht ein kostenloser Parkplatz zur Verfügung.
Der wird auch gerne privat genutzt, wenn etwa ein Abendessen, ein Einkauf oder ähnliches in der Innenstadt von Detmold, wo es mit der Parkplatzsituation nicht zum Besten steht, geplant ist.
Wasser, Tee und Kaffee stehen dem Team kostenlos zur Verfügung. Ein weiteres Goodie in Hempels Praxis: “Alle Mitarbeiter sind im Rahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements vollwertiges Mitglied in einer ortsansässigen Fitnessstudiokette und können 24/7 das Fitnessstudio auf Kosten der Praxis benutzen.”
Mögliche Maßnahmen zur Personalbindung
Finanzielle Maßnahmen
Leistungsgerechte Bezahlung über Tarifniveau oder mit regelmäßigen Gehaltsanpassungen
Bonusmodelle (z. B. für Zielerreichung, geringe Krankheitsquote, besondere Leistungen)
Zuschüsse zu Fahrtkosten, Kinderbetreuung oder Essensgutscheine
Betriebliche Altersvorsorge oder zusätzliche Kranken- / Unfallversicherung
Fortbildungsbudgets (z. B. Kostenübernahme für Seminare, Fachkongresse, Zertifikate)
Sachleistungen wie Tankgutscheine, Jobticket, Jobrad oder Mitarbeiter-Rabatte
Organisatorische Maßnahmen
Flexible Arbeitszeitmodelle (Teilzeit, Gleitzeit, 4-Tage-Woche, Homeoffice für Verwaltung)
Gerechte Dienst- und Urlaubsplanung, die private Bedürfnisse berücksichtigt
Moderne Praxisorganisation: digitale Tools, klare Prozesse, Vermeidung unnötiger Bürokratie
Transparente Kommunikation (regelmäßige Teambesprechungen, klar definierte Zuständigkeiten)
Verlässliche Vertretungsregelungen bei Krankheit oder Urlaub
Ruhe- und Erholungsräume für Pausen
Personelle / Zwischenmenschliche Maßnahmen
Wertschätzende Führungskultur: Lob, Feedback und Anerkennung im Alltag
Einbindung in Entscheidungen (z. B. bei Anschaffungen, Praxisabläufen, Dienstplan)
Teamförderung: Teamevents, Betriebsausflüge, gemeinsame Fortbildungen
Mentoring und Entwicklungschancen für jüngere Mitarbeitende
Offene Fehlerkultur – keine Schuldzuweisungen, sondern gemeinsame Lösungen
Förderung von Eigenverantwortung und Übertragung sinnvoller Aufgaben
Persönlichkeits- und Karriereentwicklung
Gezielte Weiterbildungsmöglichkeiten (medizinisch, organisatorisch, kommunikativ)
Karriereperspektiven in der Praxis (z. B. PCM-Studium oder Funktionsstellen wie Praxismanagerin, Hygienebeauftragte)
Förderung individueller Stärken (z. B. Spezialisierung auf bestimmte Fachbereiche)
Unterstützung bei Prüfungen und Qualifikationen (z. B. VERAH-Weiterbildung)
Arbeitsplatz- und gesundheitsbezogene Maßnahmen
Ergonomische Arbeitsplätze (höhenverstellbare Tische, gutes Licht, moderne Stühle)
Gesundheitsförderung (Rückenschule, Fitnesszuschüsse, Massagen, Obstkorb)
Psychische Entlastung durch klare Strukturen, gute Organisation und wertschätzende Kommunikation
Sicherheitsgefühl durch langfristige Arbeitsverträge und klare Perspektiven
Neben der Fortbildung ist auch eine gute Ausbildung in den Praxen ein großes Thema. Ahmadi zum Beispiel bildet gerne selbst aus. Nach dem Abschluss bleiben diese Kräfte gerne im Team.
Auch der Arbeitsplatz an sich ist für die Praxischefs etwas, an dem gefeilt werden kann. Hempel ermöglicht seinem Personal soweit es geht auch das Arbeiten im Homeoffice – etwa bei Verwaltungsarbeiten oder der Abrechnung. Dafür wurde in die nötige Hardware investiert.
© Hausärztliche Praxis Umfrage: Das ist wichtig für das Praxispersonal
Möglichst wenige Überstunden
Das Stresslevel in Praxen ist in der Regel hoch. Deshalb sollten Überstunden vermieden werden, findet Hempel. Um das Thema aktiv anzugehen und die Überstunden in Grenzen zu halten, setzt der Hausarzt ein KI-basiertes Dienstplanprogramm ein. Damit wird automatisch ein gerechtes und korrektes “Einspringen” von Mitarbeitenden verteilt und überwacht.
So werden auch nicht vermeidbare Überstunden dokumentiert, die später in Freizeit ausgeglichen werden. Mitunter wird die Praxis an einem Brückentag auch mal geschlossen, ohne dass die Mitarbeitenden dafür ihren Urlaub hergeben müssen.
Ein weiteres Angebot in Hempels Praxis: “Selbstverständlich untersuchen wir unsere Mitarbeiter auch medizinisch kostenfrei, auch mit komplexen hochpreisigen Individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL).” Dank der Angebote, so die positiven Erfahrungen der Ärzte, hält sich die Personalfluktuation sehr in Grenzen.
“MFA sind der Goldstaub unserer Praxen”
Kommentar von Prof. Nicola Buhlinger-Göpfarth
Sie sind unsere rechte Hand, halten unsere Praxen zwischen Telefon, Impfungen und Organisation am Laufen – und begleiten gleichzeitig ganz nah und menschlich unsere Patientinnen und Patienten: unsere Medizinischen Fachangestellten (MFA).
Keine Frage: Im Alltag bildet das Team das Rückgrat der Praxis. MFA sind unendlich wertvoll und in Zeiten des Fachkräftemangels so selten geworden, dass man sie kaum noch findet. Eine Kollegin hat es unlängst so formuliert: ,,MFA sind Goldstaub.”
Jede Praxis, die diesen “Goldstaub” über längere Zeit halten kann, darf sich reich und glücklich schätzen. Wir Hausärztinnen und Hausärzte werden dafür mitunter kreativ. Das reicht jedoch bei Weitem nicht aus: Es ist wichtig, dass wir als Gesellschaft endlich die Wertschätzung zeigen, die dieser Beruf verdient.
Das beinhaltet auch und vor allem angemessene Bezahlung. Für die braucht der ambulante Sektor passende politische Rahmenbedingungen, um mit der staatlichen Querfinanzierung im Stationären konkurrieren zu können. Wertschätzung bedeutet auch verstärkte Weiterbildungschancen – hier hat sich bereits einiges getan.
Und das ist dringend nötig. Denn wenn wir es nicht schaffen, MFA zu halten und zu fördern, gefährden wir die Basis unserer hausärztlichen Versorgung.
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