Karlsruhe. Wer in Deutschland Medizin studieren will, braucht in der Regel vor allem eins: einen sehr guten Abi-Notendurchschnitt. Reicht der am Ende nicht für einen der begehrten Plätze, wählen einige angehende Medizinerinnen und Mediziner den Weg übers Auslandsstudium. Unterstützt werden sie dabei teils von professionellen Vermittlungsfirmen. Die beraten bei der Auswahl der Universität, helfen bei der Bewerbung und betreuen die Studierenden vor Ort.
Mit der Vergütung dieser Studienvermittler hat sich auch der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe beschäftigt. Das Gericht entschied in einem Rechtsstreit zwischen einer Agentur und einem Studienbewerber, dass der Auftraggeber das ausgemachte Erfolgshonorar nicht zahlen muss, wenn er mit Hilfe der Vermittler zwar einen Studienplatz ergattert, ihn dann aber nicht annimmt.
35.000 Bewerbungen auf 10.000 Plätze
Der Fall rückt ein spezielles Geschäftsmodell in den Fokus. Studienplätze für Medizin sind in Deutschland begehrt und begrenzt. Nach Zahlen des Statistischen Bundesamts bewarben sich in den Wintersemestern der vergangenen Jahre je rund 35.000 Menschen auf das Studium. Angefangen haben pro Wintersemester aber nur etwa 10.000 – also nicht mal ein Drittel.
Hinzu kommt, dass der ein oder andere Interessent vermutlich schon wegen des bekanntlich hohen notenabhängigen Zugangshürde Numerus Clausus (NC) von einer Bewerbung absieht. Wer den Traum vom Arztberuf trotzdem nicht aufgeben will, der kann sich stattdessen an einer Universität im Ausland bewerben. Die setzen bei der Auswahl oft auf spezielle Aufnahmetests statt auf den NC.
Vor allem aus EU-Ländern wird der Studienabschluss nachher auch in Deutschland anerkannt. Und wer will – und es sich leisten kann – kann sich bei der Bewerbung und im Auslandsstudium von speziellen Agenturen betreuen lassen.
In den meisten Fällen wende sich die ganze Familie ans Unternehmen, erklärt Hendrik Loll, Geschäftsführer eines solchen Anbieters namens StudiMed. Die Agentur berate die Abiturienten zum passenden Studienort, kümmere sich um Bewerbungsunterlagen, bereite die Bewerber auf die naturwissenschaftlichen Aufnahmetests vor und betreue sie auch später vor Ort – etwa bei der Wohnungssuche und der Behördenanmeldung.
Für diese Leistungen berechnet das Unternehmen ein Honorar in Höhe einer Jahres-Studiengebühr der jeweiligen Uni. In der Regel liegt die laut StudiMed bei 8.000 bis 15.000 Euro. Der Betrag wird fällig, sobald der Bewerber oder die Bewerberin einen Platz an der gewünschten Universität erhält.
Wer trägt das Risiko?
Ungefähr so sollte es auch im Fall eines jungen Mannes aus der Nähe von München ablaufen. Mit einem Abi-Schnitt von 3,0 war ihm ein Medizinstudium in Deutschland nur mit voraussichtlich sehr langer Wartezeit möglich. Er beauftragte StudiMed mit der Vermittlung eines Studienplatzes an einer Universität in Bosnien – und bekam den Platz. Das Unternehmen stellte ihm dafür fast 11.200 Euro in Rechnung.
Doch der Abiturient wollte den Platz nicht annehmen und daher auch nicht das ausgemachte Honorar zahlen. Jedes Jahr gebe es etwa eine Handvoll Kunden, die nicht zahlen wollen, erklärt StudiMed-Chef Loll. Vor Gericht hätten die Oberlandesgerichte (OLG) bisher aber immer die Auffassung der Vermittler gestützt, dass die Agentur nicht das Risiko dafür trage, ob der Studienplatz am Ende angenommen wird oder nicht.
Doch im aktuellen Verfahren sah das OLG München das anders. Es handele sich um einen Maklervertrag, so das Gericht. Als Makler trage StudiMed auch das Risiko dafür, dass es sich der Bewerber am Ende anders überlegt. Gegen diese Entscheidung wollte sich das Unternehmen am BGH wehren – hatte damit aber nun keinen Erfolg.
Makler- versus Dienstvertrag
Bei der Vereinbarung zwischen der Agentur und dem Bewerber handele es sich schwerpunktmäßig um einen Maklervertrag, entschied auch der erste Zivilsenat am Donnerstag. Grundgedanke eines Maklervertrags sei, dass der Lohn erst gezahlt werden muss, wenn der vermittelte Vertrag zustande kommt – der Bewerber den Studienplatz also auch annimmt und es zu einem Studienvertrag mit der Uni kommt.
Daher sei die Klausel in dem Vermittlungsvertrag von StudiMed, nach der schon bei einer Studienplatzzusage durch die Uni das volle Erfolgshonorar fällig wird, unwirksam. Der Bewerber werde durch die Regelung unangemessen benachteiligt. Er dürfe sich nicht zur Annahme des angebotenen Studienplatzes gedrängt fühlen (Az. I ZR 160/24).
Neben dem eigenen Unternehmen gebe es in Deutschland noch mindestens drei weitere Agenturen, die Studienplätze im Ausland vermitteln, so Loll. Die Vergütung laufe dort nach einem ähnlichen Prinzip, ebenfalls über ein Erfolgshonorar. Das BGH-Urteil hat daher wohl Auswirkungen auf die ganze Branche.
Deutsche Medizinstudenten fordern Reform
Die Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland (bvmd) kann nach eigener Aussage gut nachvollziehen, dass der Erhalt eines Studienplatzes eine der größten Hürden auf dem Weg zum Arztberuf ist. Das Geschäftsmodell der Studienvermittler sehe man aber kritisch. Denn dadurch würden Bewerber benachteiligt, die sich das Unterstützungsangebot nicht leisten können.
“Die eigene finanzielle Situation sowie der Geldbeutel der Eltern sollte dabei die Chance auf einen Studienplatz nicht beeinflussen”, meinen die Studierenden. Nach Ansicht der bvmd braucht das Zulassungsverfahren zum Medizinstudium in Deutschland aber eine Reform. Die Abiturnote werde derzeit deutlich zu hoch gewichtet.
Die Nachwuchsärztinnen und -ärzte fordern, dass der Notenschnitt immer um andere Faktoren wie einen Eignungstest, abgeschlossene Berufsausbildungen oder Freiwilligendienste ergänzt werden sollte. “So kann vermieden werden, dass Studierende zum Studium im Ausland faktisch gezwungen werden, weil sie im aktuellen, zu stark auf die Abiturnote fokussierten Zulassungsverfahren keine Chance auf einen Studienplatz haben.”
Quelle: dpa