Aus hausärztlicher Sicht können sich die Vertreterversammlungen der Kassenärztlichen Vereinigungen (KV), die mit Jahresbeginn ihre neue Amtszeit angetreten haben, durchaus sehen lassen: In acht der insgesamt 17 KV-Regionen konnten die darin vertretenen Hausärztinnen und Hausärzte ihre Präsenz ausbauen, in drei weiteren ihre Position halten.
Als Folge dessen sind Hausärztinnen und Hausärzte in sechs Regionen – Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Rheinland-Pfalz, Sachsen- Anhalt sowie Westfalen-Lippe gleichauf mit den Fachärzten – seit diesem Jahr stärkste Kraft im regionalen “Ärzteparlament”.
Das zeigt eine Auswertung von “Der Hausarzt”, basierend auf den öffentlichen Bekanntmachungen der jeweiligen Wahlleiter. Die neue Amtsperiode begann am 1. Januar 2023 und dauert sechs Jahre.
Engagement der Hausärzteverbände
“Die Wahlergebnisse spiegeln nicht nur die Bedeutung von uns Hausärztinnen und Hausärzten in der ambulanten Versorgung wider. Sie zeigen auch, wie engagiert unsere Kolleginnen und Kollegen sind”, lobt Dr. Markus Beier, Bundesvorsitzender des Deutschen Hausärzteverbandes.
Die prominentesten Hausarztlisten bei der KV-Wahl werden traditionell von den Hausärzteverbänden gestellt. Sie wurden im zurückliegenden Jahr in “Der Hausarzt” vorgestellt. Darüber hinaus finden sich – je nach Region – auch gemeinsame Haus- und Facharztlisten oder hausärztliche Kandidaten mit eigener Liste.
Wie wichtig die Präsenz der Hausärzte in den Parlamenten ist, unterstreicht Dr. Ulf Zitterbart, Zweiter stellvertretender Bundesvorsitzender und Landesvorsitzender in Thüringen: “Mitglied im höchsten Organ der KV zu sein, bedeutet, hausärztliche Interessen auch dort aktiv vertreten zu können”, sagt er. In der Vergangenheit habe sich schon häufig gezeigt, dass diese Mitsprache in der Vertreterversammlung (VV) Gewicht hat.
Wichtig dafür sind jedoch – wie in jedem Parlament – die auf die Wahl folgenden Koalitionsverhandlungen. So sind die gewonnenen Sitze Ausgangspunkt für die lokalen Fraktionsbildungen, bei denen die hausärztlichen Interessen mit möglichst viel Nachdruck vertreten werden können. Diese waren bei Redaktionsschluss noch nicht in allen KVen abgeschlossen.
Sowohl für die Wahl des VV-Vorstands, die im Großteil der KVen in einer konstituierenden Sitzung im Januar erfolgt, als auch für die weitere Zusammenarbeit spielen die politischen Gegebenheiten vor Ort mitunter eine bedeutende Rolle.
Positiv-Trend: Frauenanteil steigt
Die Wahlergebnisse zeigen unterdessen eine Tendenz, die sich auch innerhalb des Deutschen Hausärzteverbandes seit Jahren beobachten lässt: Der Anteil der Hausärztinnen nimmt zu, und auch in der Berufspolitik werden Frauen immer sichtbarer. Lag der Frauenanteil in den VVen bei der zurückliegenden KV-Wahl vor sechs Jahren teils noch im einstelligen Bereich, knacken sie mittlerweile in vielen Regionen die 20-Prozent-Marke.
Einer der Spitzenreiter ist Baden-Württemberg: Hier konnte der Frauenanteil in der VV von 20 auf 30 Prozent gesteigert werden. “Das ist auch mit ein Erfolg des Hausärzteverbandes”, unterstreicht Prof. Nicola Buhlinger-Göpfarth, Erste stellvertretende Bundesvorsitzende und Landesvorsitzende in Baden-Württemberg. Fünf der elf Gewählten sind Frauen.
Dies ist sicher ein positiver Trend, der Bewegung in den Gremien zeigt, jedoch ist noch deutlich Luft nach oben: So spiegelt ein Frauenanteil von 20 Prozent keinesfalls die Realität in Praxen und Medizinstudium wider.
Auch der Bundesvorstand des Deutschen Hausärzteverbandes ist im September paritätisch aufgestellt angetreten: Fünf Frauen und vier Männer stellen seither das Vorstandsteam. In sechs Landesverbänden steht zudem eine Frau an der Spitze.
“Das ist einerseits eine Frage der Haltung: Wir alle wollen den Verband paritätisch und gemeinsam führen”, erklärt Bundesvorsitzender Dr. Markus Beier. “Darüber hinaus ist es aber auch eine Frage der Repräsentanz: Wir wollen unsere Mitglieder repräsentieren, Männer und Frauen, ältere und jüngere Jahrgänge, Angestellte und Niedergelassene, hausärztlich tätige Internisten und Allgemeinmediziner. Wir wollen nicht nur davon reden, sondern diese Mischung leben.”
Dass sich das mit den starken Ergebnissen der Hausarztlisten zunehmend auch in den KV-Vertreterversammlungen zeigt, sei ein “Riesenerfolg”.
Negativ-Trend: Beteiligung sinkt
Bei aller Freude gibt es bei den KV-Wahlen jedoch auch einen Wermutstropfen: die weiter sinkende Wahlbeteiligung, die aber immer noch deutlich höher als bei politischen Wahlen oder Sozialwahlen liegt.
Flächendeckend lag die Beteiligung an den KV-Wahlen 2022 deutlich unter jener bei der letzten KV-Wahl 2016, teils sind Prozentpunkte im zweistelligen Bereich verlorengegangen (siehe Tabelle unten). Ärztinnen und Ärzte machen dabei seltener von ihrem Wahlrecht Gebrauch als ihre psychotherapeutischen Kollegen.
Doch zum Vergleich: Bei den letzten Sozialwahlen, mit denen alle sechs Jahre die Selbstverwaltungsorgane der gesetzlichen Sozialversicherungsträger gewählt werden, machten 2017 bundesweit nur rund 30 Prozent der Berechtigten von ihrem Wahlrecht Gebrauch. Bei der Bundestagswahl 2021 wählten 76,6 Prozent, bei der Europawahl 2019 61,4 Prozent, Landtags- und Kommunalwahlen bleiben häufig unter der 50-Prozent-Marke.
Interessant ist eine Auswertung der KV Brandenburg, die die Wahlbeteiligung nach dem Alter aufgeschlüsselt und dies als einzige KV publik gemacht hat. Demnach scheinen gerade die Jüngeren die Bedeutung der Wahl zu verkennen (siehe Abbildung unten).
Ihre nächste Chance, auf diesem Weg aktiv Einfluss auf die Berufspolitik zu nehmen, werden sie 2028 haben.