Positionen zum Thema Studium / Ausbildung
Wir begrüßen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Reform des Zulassungsverfahrens für Bewerber im Fach Humanmedizin. Abgesehen von der Schulnote wird ab 2020 zumindest ein weiteres Kriterium über die Studienplatzvergabe entscheiden. Wir sprechen uns dafür aus, dass neben der Schulnote und fachspezifischem Studierfähigkeitstest insbesondere berufspraktische Vorerfahrungen sowie Testverfahren zu Kommunikationsfähigkeit und Empathie im Zulassungsverfahren herangezogen werden, um für den hausärztlichen Beruf geeignete Studienbewerber zu fördern.
2017 haben Kultus- und Gesundheitsminister von Bund und Ländern den „Masterplan 2020″ beschlossen. Folgende darin enthaltene Punkte unterstützen wir besonders:
- Patienten im Fokus
- Arzt-Patienten-Kommunikation, Arzt-Patienten-Beziehung als wichtiger Schwerpunkt innerhalb der Ausbildung
- Vermittlung eines gesamtheitlichen Versorgungskonzepts mittels interdisziplinärer Veranstaltungen – Ziel der patientenorientierten Koordination zwischen den Disziplinen sowie zwischen ambulantem und stationärem Sektor
- Praxis im Fokus
- kompetenzorientierte, praxisnahe Ausbildung
- Allgemeinmedizin muss im Studium den Stellenwert erhalten, der ihr auch in der Versorgung zukommt
- Studierende müssen Aufgaben und Rahmenbedingungen der hausärztlichen Tätigkeit über den gesamten Zeitraum des Medizinstudiums in regelmäßig wiederkehrenden Hospitationen in allgemeinmedizinischen Praxen verinnerlichen
- Allgemeinmedizin an den Universitäten
- Einrichtung und adäquate finanzielle und personelle Ausstattung von allgemeinmedizinischen Lehrstühlen an allen medizinischen Fakultäten
- Longitudinaler Aufbau der allgemeinmedizinischen Lehrveranstaltungen über das gesamte Curriculum hinweg
- Ausbau der allgemeinmedizinischen Forschung durch eine nachhaltige Netzwerkstruktur von Forschungspraxen
- Patientenversorgung und ärztliches Handeln sind von den strukturellen Gegebenheiten des Gesundheitssystems mitbestimmt. Daher sind die Themen Betriebswirtschaft und Gesundheitsökonomie im Curriculum stärker zu integrieren.
Obwohl die Digitalisierung tiefgreifende Veränderungen in der Versorgung und in der ärztlichen Arbeitsweise mit sich bringen wird, taucht dieses Thema bisher im Medizinstudium nicht auf. Das Thema Digitale Revolution ist im Curriculum zu verankern.
Positionen zum Thema Weiterbildung
Zentrale Anlaufstelle Kompetenzzentrum Weiterbildung (KW) und Koordinierungsstelle (Kosta)In den KW und in den Kostas sehen wir großes Potenzial. Wir betrachten diese als zentrale Anlaufstelle für Weiterzubildende und Weiterbilder. Deren Angebote sollten selbstverständlicher Teil der Weiterbildung sein – daher sollten Weiterzubildende an den entsprechenden Stellen registriert sein und für die Teilnahme an den Seminartagen der KW freigestellt werden. Denkbar wäre, die Auszahlung der Fördergelder an Registrierung (von Seiten der Weiterzubildenden) und Freistellung (von Seiten der Weiterbilder) zu koppeln.
Für die Seminarangebote der KW sind bereits bestehende industrieunabhängige ambulante Fortbildungsformate zu nutzen. Wir sprechen uns für verpflichtende Train-the-Trainer Programme für Weiterbilder an den KW sowie für eine systematische Evaluation der Weiterbildungspraxen aus. Verbundweiterbildungen sind flächendeckend zu implementieren.
Neue Musterweiterbildungsordnung (MWBO)Die Bundesärztekammer plant, auf dem nächsten Ärztetag eine novellierte, kompetenzbasierte MWBO für die Fachrichtung Allgemeinmedizin zur Abstimmung vorzulegen. Wir begrüßen den Beschluss, 24 Monate Weiterbildungszeit in der allgemeinmedizinischen Praxis in das Zentrum der allgemeinmedizinischen Facharztweiterbildung zu stellen.
Wir fordern alle Landesärztekammern dazu auf, die auf dem 121. Ärztetag zu verabschiedende MWBO unverändert zu übernehmen und so eine bundeseinheitliche Weiterbildungsordnung zu schaffen. Auch der Quereinstieg anderer Fachärzte sollte bundeseinheitlich geregelt werden. Weiterhin ist Weiterbildung in Teilzeit (bis zu 25 % in zeitlicher Begrenzung) in der neuen MWBO zu ermöglichen.
Einige Vorschläge der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin (DEGAM) zur neuen MWBO fanden nicht ihren Eingang in den zum 121. Ärztetag abzustimmenden Entwurf, was wir bedauern. Hierzu gehören insbesondere die Gebietsbezeichnung „Facharzt für Allgemeinmedizin und Familienmedizin” sowie die Anerkennung von sechs Monaten akademischer Tätigkeit an einem Institut für Allgemeinmedizin als Weiterbildungszeit.
FörderungGemäß der auf dem nächsten Ärztetag zu beschließenden novellierten MWBO umfasst die allgemeinmedizinische Weiterbildung bis zu 4 Jahre im ambulanten Bereich. Wir fordern, dass dementsprechend auch 4 Jahre ambulante Weiterbildung bundeseinheitlich von allen Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) gefördert werden. Grundlage für die KV-Förderung soll kein Darlehensvertrag, sondern eine Absichtserklärung zum Abschluss des Facharztes Allgemeinmedizin sein.
QuereinstiegMindestanforderung für den Quereinstieg in die Allgemeinmedizin ist aus unserer Sicht:
- 24 Monate in der allgemeinmedizinischen Praxis
- begleitendes strukturiertes Curriculum am KW
- 80 Stunden psychosomatische Grundversorgung
Der Quereinstieg soll jedem Facharzt der patientennahen Versorgung offenstehen. In diesem Sinne sollte unserer Überzeugung nach auch Fachärzten für Innere, die ihre bisherige Weiterbildung am Krankenhaus absolviert haben, die Option zum Quereinstieg in die Allgemeinmedizin mit entsprechender Förderung offenstehen.
Positionen zum Thema Niederlassung in der Hausarztpraxis
Hausärztliche Kassensitze für die HausarztmedizinHäufig kommt es zu einer Zweckentfremdung hausärztlicher Kassensitze, die nicht mehr für die primärärztliche Tätigkeit genutzt werden. Die Zulassungsordnung ist anzupassen, um sicherzustellen, dass hausärztliche Kassensitze auch für die Hausarztmedizin genutzt werden.
Stärkung der Hausärztinnen und Hausärzte in der Rolle des PrimärversorgersWir sprechen uns gegen eine Ausgliederung von Kompetenzen, wie Palliativmedizin und geriatrischer Versorgung, aus, die selbstverständlich integraler Bestandteil der hausärztlichen Tätigkeit sind. Hausärztinnen und -ärzte sind in ihrer Rolle des Primärversorgers zu stärken.
Für eine paritätische SelbstverwaltungIn der letzten Legislaturperiode ist eine Stimmenparität von Hausärzten und Fachärzten in der Kassenärztlichen Bundesvereinigung durchgesetzt worden. Wir fordern eine solche paritätische Zusammensetzung auch für die Kassenärztlichen Vereinigungen der Länder, um den hausärztlichen Interessen innerhalb der ärztlichen Selbstverwaltung ausreichend Raum zu verschaffen.
Für eine Vereinfachung der PraxisorganisationAls wesentlichen hemmenden Faktor im Entschluss zur Niederlassung benennen Kollegen oftmals die Sorge vor Regress und finanziellem Haftungsrisiko. Wesentliche Grundlage dieser Bedenken ist die zunehmende Komplexität der diversen gesetzlichen Vorgaben sowie die vielgestaltige Abrechnung nicht nur in Bezug auf Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM), Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) und Hausarztzentrierte Versorgung (HZV) grundsätzlich, sondern auch in Bezug auf die diversen Sonderregelungen der Krankenversicherungen. Hinzu kommen häufige Änderungen und Anpassungen, die stetig in die Praxisabläufe eingearbeitet werden müssen. Dies vermittelt dem Nachwuchs den Eindruck, niemals die Kontrolle über das Geschehen in der eigenen Praxis erlangen zu können, aber gleichzeitig die Verantwortung tragen zu müssen.
Wir fordern Politik und Selbstverwaltung daher auf, Rahmenbedingungen für eine transparentere und einfachere Praxisorganisation zu schaffen.
Für eine ambulante Versorgung in ärztlicher HandDie adäquate Praxisführung muss selbstständig Niedergelassenen neben der eigentlichen ärztlichen Tätigkeit möglich bleiben. Ansonsten ist von einer flächendeckenden Übernahme betriebswirtschaftlicher und organisatorischer Aufgaben durch übergeordnete Strukturen auszugehen, so wie es den stationären Sektor bereits betrifft. Hausärztinnen und -ärzte würden hierbei nicht nur einen Teil ihrer professionellen Rolle einbüßen – auch das Vertrauensverhältnis in der Arzt-Patienten-Beziehung würde beschädigt. Wir wollen als Hausärzte nicht Anteilseignern verpflichtet sein, sondern unseren Patienten.
Hausarztpraxis der Zukunft
1. Digitalisierung in der HausarztpraxisDie Digitale Revolution wird eine tiefgreifende Veränderung der Patientenversorgung und der ärztlichen Arbeitsweise mit sich bringen. Wir wollen diese Entwicklung aktiv mitgestalten.
Chancen sehen wir insbesondere im Bereich der Patientenversorgung durch die Möglichkeit, über die elektronische Patientenakte auf Informationen (Diagnosen, Medikamentenplan, Allergien, Vorbefunde) zuzugreifen, in der Dokumentation und Kommunikation (AU, Rezept, Überweisung, Arztbriefe und -berichte digital) sowie in der vermehrten Mobilität und Flexibilität des ärztlichen Arbeitsplatzes (digitale Sprechstunde).
Um die Digitale Revolution zum Vorteil für die breite Bevölkerung zu gestalten, muss insbesondere auch in Gesundheitsfragen die informierte Teilhabe der Patienten an der Datensteuerung erfolgen. In unseren Augen ist die Hausarztpraxis der Kristallisationspunkt dieses Vorgangs.Die Allgemeinmedizin mit ihrer integrierenden, priorisierenden und koordinierenden Sicht auf den ganzen Menschen muss sich der Herausforderung stellen, diese Prinzipien innerhalb der soziokultu-rellen Veränderungen durch Digitaltechnik zu verwirklichen. Der Hausarzt als Primärversorger wäre in dieser Hinsicht nicht nur Lotse innerhalb des Gesundheitssystems, sondern auch Lotse innerhalb des Stroms gesundheitsbezogener Daten.
Große Datenmengen bedeuten nicht automatisch mehr Information. Die im Masterplan 2020 beschlossene Förderung einer nachhaltigen Netzwerkstruktur von allgemeinmedizinischen Forschungspraxen sehen wir als wichtige Grundlage, Datenerhebung auf eine für die Bevölkerung gewinnbringende Art und Weise in die Versorgungslandschaft zu integrieren mit dem Ziel, aus den Daten sinnvolle Erkenntnisse zu gewinnen. Der Patientennutzen darf nicht aus den Augen verloren werden. Wir fordern eine Nutzen-Risiko-Kosten-Analyse der Digitalisierung im Gesundheitswesen.
2. Selbstständigkeit vs. AnstellungDer Wunsch vieler junger Allgemeinmediziner nach einer Angestelltentätigkeit ist zu berücksichtigen.Insgesamt sprechen wir uns jedoch für einen hohen Anteil (>70%) von selbstständigen Praxisinhabern unter den hausärztlich tätigen Kollegen aus.
Unserer Überzeugung nach gehört die Praxisorganisation in ärztliche und direkt am Patienten tätige Hand. Ansonsten ist die im stationären Sektor bereits viel beklagte Entprofessionalisierung des Arztberufs durch fachfremde administrative Vorgaben zu befürchten. Das Zulassungsrecht ist anzupassen, damit verhindert wird, dass Kassenarztsitze von Krankenhauskonzernen aufgekauft werden.
Ärztliche Anstellung im ambulanten Bereich sollte bei einem ärztlich tätigen Kollegen erfolgen. Ansonsten präferieren wir das Modell, dass Kommunen Ärzte für die vertragsärztliche Versorgung in einem MVZ anstellen – mit der Option, dass die angestellten Kollegen die Praxisführung im Verlauf übernehmen.
Wir fordern eine bessere Unterstützung von Selbstständigen in eigener Praxis durch die Vereinfachung der Rahmenbedingungen für die Praxisorganisation sowie flexiblere Vertretungsregelungen in Mutterschutz, Elternzeit, bei Pflege von Angehörigen und im Krankheitsfall.