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GynäkologieAdipositas: Risikofaktor für gynäkologische Krebserkrankungen

Adipositas führt zu einer signifikanten Steigerung der Inzidenz und Mortalität diverser Malignome, besonders von Endometrium- und Mammakarzinomen. Hausärztinnen und Hausärzte spielen eine entscheidende Rolle bei der Prävention, Früherkennung und Behandlung von Adipositas – aber auch bei der Beratung der Frauen hinsichtlich ihrer individuellen Krebsrisiken.

Laut der Deutschen Adipositas Gesellschaft sind etwa 23 Prozent der Erwachsenen in Deutschland adipös.

Adipositas ist ein wachsendes Gesundheitsproblem in Deutschland, aber auch weltweit. Laut der Deutschen Adipositas Gesellschaft sind etwa 23 Prozent der Erwachsenen in Deutschland adipös (Body-Mass-Index (BMI) > 30 kg/m2). Weltweit liegt der Anteil bei nahezu 39 Prozent.

Diese Zahl ist in den letzten Jahrzehnten stetig gestiegen, was auf eine Kombination von genetischen, umweltbedingten sowie verhaltensbedingten Faktoren zurückzuführen ist.

Die Ursachen für Adipositas sind vielfältig. Zu den häufigsten Ursachen gehören ungesunde Ernährungsgewohnheiten wie der Verzehr von kalorienreichen, stark verarbeiteten Lebensmitteln, zucker- oder alkoholhaltige Getränke, Bewegungsmangel durch heutzutage häufig sitzende Tätigkeiten, genetische Prädispositionen und psychosoziale Faktoren (Stress, Schlafmangel und Depressionen). Auch metabolische Faktoren, wie die Insulinresistenz und das Polyzystische Ovarialsyndrom (PCOS) tragen dazu bei [1,2].

Adipositas ist aber nicht nur ein kosmetisches Problem, sondern auch ein bedeutender Risikofaktor für zahlreiche chronische Erkrankungen, darunter kardiovaskuläre Erkrankungen, Diabetes mellitus Typ 2 und verschiedene Krebsarten.

Hierzu zählen das Endometrium-Karzinom (das Risiko für ein Endometrium-Karzinom erhöht sich bei Vorliegen einer Adipositas um 49 Prozent im Vergleich zu Frauen ohne Adipositas; Hazard Ratio (HR): 1,49), Nieren-Karzinom (HR 1,16), Gallenblasen-Karzinom (HR 1,10), Multiples Myelom (HR 1,09), Schilddrüsen-Karzinom (HR 1,09), Leu-kämie (HR 1,07), Hodgkin-Lymphom (HR 1,06), kolorektales Karzinom (HR 1,06), postmenopausales Mamma-Karzinom (HR 1,07), Kopf- und ZNS-Malignome (HR 1,05), non-Hodgkin-Lymphom (HR 1,04) und Zervix-Karzinom (HR 1,01) [3].

Pathophysiologisch beeinflusst Adipositas die Malignomentstehung durch verschiedene Mechanismen, insbesondere durch chronische Inflammation – bedingt durch erhöhte Insulin- und Östrogenspiegel -, sowie eine Imbalance in der Adipokinsekretion. Dies führt wiederum zur vermehrten Ausschüttung von Wachstumshormonen, zu Zellteilung und Mutationsentstehung.

Bedeutend ist hier auch die Dauer des Bestehens einer Adipositas: je länger diese besteht und je älter die Person, desto höher ist das Malignomrisiko [4]. Insbesondere Frauen sind mit gynäkologischen Krebserkrankungen wie Endometrium-Karzinom, Ovarial-Karzinom und Mamma-Karzinom häufiger betroffen als Männer.

Hausärztinnen und Hausärzte spielen neben allen anderen fachärztlichen Abteilungen eine entscheidende Rolle in der Prävention, Früherkennung und Behandlung von Adipositas sowie in der Beratung der Frauen hinsichtlich ihrer individuellen Krebsrisiken.

Adipositas und Endometrium-Karzinom

Das Endometrium-Karzinom ist das zweithäufigste gynäkologische Malignom und das fünfthäufigste Malignom der Frau in Deutschland. Es gibt pro Jahr 11.200 Erstdiagnosen, wobei die Tendenz steigt. Dies entspricht einer von 50 Frauen, die im Laufe des Lebens am Endometrium-Karzinom erkrankt (Lebenszeitrisiko zwei Prozent). Eine von 200 Frauen verstirbt daran (Lebenszeitrisiko 0,5 Prozent). Symptomatisch werden die Frauen am ehesten mit unregelmäßigen Blutungen oder postmenopausalen Blutungen [6].

Adipositas, und zwar vor allem im Erwachsenenalter, und der Postmenopausenstatus gelten als stärkste Risikofaktoren. Frauen mit Adipositas Grad III (BMI > 40 kg/m2) haben ein 10-fach erhöhtes Risiko im Vergleich zu normalgewichtigen Frauen (BMI 18,5 – 24,9 kg/m2). Auch die Mortalität ist um das 6,25-Fache erhöht [7,8].

Der Pathomechanismus basiert auf der vermehrten Östrogenproduktion im Fettgewebe. Postmenopausal, wenn die Eierstöcke keine Hormone mehr produzieren, ist das Fettgewebe die Hauptquelle für Östrogene. Da Progesteron als Gegenspieler des Östrogens fehlt, kommt es zu einer unkontrollierten Zellvermehrung in der Gebärmutterschleimhaut, was die Krebsentstehung begünstigt [9]. Zusätzlich nimmt der Anteil an Sexualhormon-bindendem Globulin (SHBG) bei Adipositas ab, sodass das ungebundene Östrogen ansteigt.

Studien belegen, dass eine Gewichtsreduktion sowie regelmäßige körperliche Aktivität das Risiko des Endometrium-Karzinoms erheblich senken [10]. Lifestyle- Änderungen bewirken allerdings aufgrund komplexer biologischer Mechanismen keine langfristige Gewichtsreduktion, sodass zusätzlich medikamentös (Semaglutid, Liraglutid) oder operativ therapiert werden sollte.

Eine aktuelle Studie untersucht derzeit die Effektivität der zeitgleichen Durchführung einer bariatrischen Operation mit Hysterektomie bei Endometrium-Karzinom im Frühstadium FIGO I. Diese Patientinnen erfahren eher Komplikationen durch ihre Adipositas als durch das Endometrium-Karzinom im Frühstadium. Eine zeitgleiche bariatrische Operation ist zunächst kosteneffizienter und bewirkt eine langfristige Gewichtssenkung.

Außerdem liegt die 30-Tages-Mortalität niedriger als bei einer laparoskopischen Appendektomie oder Cholezystektomie [11]. Auch eine antihormonelle Therapie kann durch das Absenken der Östrogenspiegel bei adipösen Patientinnen das Risiko für ein Endometrium-Karzinom senken [12].

Adipositas und Mamma-Karzinom

Das Mamma-Karzinom ist die häufigste Krebserkrankung bei Frauen in Deutschland. Jährlich erkranken etwa 70.000 Frauen an Brustkrebs. Zu den Risikofaktoren zählen genetische Prädispositionen bei fünf bis zehn Prozent der Fälle (z.B. BRCA1- und BRCA2-Mutationen), frühe Menarche, späte Menopause, Nulliparität und auch Adipositas.

Studien zeigen, dass adipöse Frauen in der Postmenopause ein 30 Prozent höheres Brustkrebs-Risiko haben als normalgewichtige Frauen [13]. Eine Gewichtsreduktion zwischen dem 18. und 30. Lebensjahr kann eine signifikante Risikoreduktion (34 Prozent) für das Auftreten von Brustkrebs im Zusammenhang mit BRCA ergeben [14].

Bei prämenopausalen Frauen ist Adipositas hingegen eher negativ korrelierend mit dem Auftreten von Mamma-Karzinomen (Risikoreduktion von 12-23 Prozent je 5 kg/m2), wobei die Hintergründe nicht eindeutig geklärt sind [15]. Außerdem sprechen adipöse Patientinnen, die mit einer Docetaxel-basierten adjuvanten Chemotherapie behandelt werden, schlechter auf die Therapie an und haben eine schlechtere Prognose als normalgewichtige Patientinnen [16].

Zur Früherkennung werden regelmäßige Mammographien ab dem empfohlenen Alter (je nach nationalen Leitlinien), sowie die Selbstuntersuchung der Brust einmal monatlich empfohlen. Eine Gewichtsreduktion kann das Brustkrebsrisiko senken [17].

Adipositas und Ovarial-Karzinom

Ein Ovarial-Karzinom wird wegen der unspezifischen Symptomatik oft erst in fortgeschrittenen Stadien diagnostiziert. Regelrechte Screening-Verfahren gibt es bisher nicht. Adipositas ist als moderater Risikofaktor angesehen, insbesondere in Kombination mit Insulinresistenz und chronischer Entzündung.

Ansonsten trägt die genetische Veranlagung (z.B. BRCA-Mutationen) maßgeblich zum Risiko bei, sodass diese Patientinnen engmaschig überwacht werden sollten [18,19].

Empfehlungen und Prävention

Das Adipositas-Screening sollte anhand der Ermittlung des BMIs und des Taillenumfangs (Frauen: >88 cm, Männer >102 cm) erfolgen. Falls eine Adipositas vorliegt, ist ein Gespräch über eine Lebensstiländerung und Umstellung der Ernährungsgewohnheiten nach Empfehlungen der “European association for the study of obesity” EASO empfehlenswert (mehr dazu: www.hausarzt.link/MRQEs); insbesondere die mediterrane Ernährung, sowie ein hoher Verzehr von Ballaststoffen, Obst, Gemüse, Hülsenfrüchten und Vollkorngetreide können zur Krebsprävention beitragen.

Außerdem sind ein minimaler Konsum von Alkohol und verarbeitetem Fleisch sowie ein vollständiger Verzicht auf zuckergesüßte Getränke von entscheidender Bedeutung. Die ketogene Diät und das intermittierende Fasten finden ihren Einsatz weniger zur Krebsprävention, sondern eher bei der adjuvanten Krebstherapie. Eindeutige Empfehlungen gibt es hier allerdings noch nicht. Auf die ausreichende Substitution von Mikronährstoffen ist hierbei zu achten [20].

Auch medikamentöse und operative Therapieoptionen sollten ab einem BMI > 40 kg/m2 angesprochen werden. Das Durchführen einer bariatrischen Operation führt zu einer signifikanten Reduzierung der Krebsinzidenz, vor allem beim Endometrium-Karzinom. Allerdings sollten die Risiken bezüglich einer Refluxösophagitis vor allem bei der Sleeve-Gastrektomie oder auch des Umgehens des Magens bei einem Roux-Y-Magenbypass bedacht werden [21].

Literatur:

1. Centers for Disease Control and Prevention (CDC): “Adult Obesity Causes & Consequences

2. World Health Organisation (WHO): „Obesity and overweight

3. doi 10.1186/s12916-020-01877-3

4. doi 10.1371/journal.pmed.1002081

5. Deutsche Adipositas-Gesellschaft: Leitlinien zur Prävention und Behandlung der Adipositas

6. doi 10.1016/j.ygyno.2021.01.036

7. doi 10.1056/NEJMra1514010

8. doi 10.1146/annurev-med-051613-012328

9. doi 10.1200/JCO.2016.69.4638

10. S3-Leitlinie Endometriumkarzinom 2022

11. doi 10.1016/j.ijgc.2024.100033

12. doi 10.1007/s10654-015-0017-6

13. doi 10.1136/bmj.39367.495995.AE

14. doi 10.1111/obr.13969

15. doi 10.1001/jamaoncol.2018.1771

16. doi 10.1200/JCO.19.01771

17. doi 10.1001/jamaoncol.2015.1546

18. doi 10.1016/j.ejca.2006.11.010

19. doi 10.7314/apjcp.2014.15.18.7665

20. doi: 10.1159/000542155

21. doi 10.1590/0102-6720202400044e1838

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