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Serie KompressionEffektive Kompressionstherapie – an Polyneuropathie denken!

Diabetes mellitus ist die häufigste Ursache der Polyneuropathie. Das Schmerzempfinden der Betroffenen ist allerdings unterschiedlich, von quälendem Schmerz bis zu keinen Symptomen. Das Vorliegen einer Polyneuropathie mit all ihren Auswirkungen (sensibel, motorisch, autonom) muss daher aktiv untersucht werden.

Durch Anästhesie fehlen bei Menschen mit Polyneuropathie die Warnsymptome des Schmerzes.

Menschen mit Polyneuropathie (PNP) leiden manchmal unter quälenden Symptomen wie Parästhesien, Hyperpathien, Allästhesien u.v.m. Die meisten Patienten zeigen aber überhaupt keine Symptome. Sie sind anästhetisch. Der Schmerz (z. B. durch Ischämie) fehlt.

Da diese Patienten keine Beschwerden äußern, wird die Diagnose der PNP häufig übersehen. Die anthropologischen Konsequenzen der PNP (Änderung der leiblichen Ökonomie: (Leibesinselschwund” [6]) werden in der organmedizinischen Fachliteratur nicht behandelt.

Folgen der Polyneuropathie

Motorisch: Ausbildung von Fußdeformitäten mit pathologischen Druckmaxima, Ulzera an typischen Stellen (“Markerläsionen” durch Plantarisierung [4]).

Sensibel: Fehlen der Warnfunktion des Schmerzes (“Loss of protective Sensation”, LOPS; “Loss of protective Pain”, LOPP) bei Ischämie oder Verletzungen.

Autonom: Eröffnung aller arterio-venösen Shunts und Fehlen der Konstriktion im aufrechten Stand; angioneuropathisches Ödem; Fehlen der Schweißsekretion mit Rhagaden und Fissuren.

Das Indikationsspektrum der Kompressionstherapie typischerweise mit chronischer venöser Insuffizienz (CVI) bis hin zum Ulcus cruris venosum (UCV) u.v.m. (Eder et al. Tab.1 links) sollte daher auch um das “angioneuropathische Ödem” erweitert werden (Tab.1).

Auch ohne eine relevante CVI kommt es bei Betroffenen durch die Eröffnung aller arterio-venösen Shunts durch Fehlen der posturalen Konstriktion zu Druckerhöhung in der unteren Extremität mit Flüssigkeitsaustritt in das Gewebe und somit zu Ödemen.

Wichtig ist, zu beachten, dass die Patienten keine Symptome einer peripheren, arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK) (Claudicatio intermittens, Ruheschmerzen) äußern können. Die Diagnose einer pAVK erfolgt aber nach diesen Kriterien (Fontaine-Klassifikation).

Die PNP als wesentlicher Risikofaktor findet z.B. im Positionspapier der Fachgesellschaften DDG, DGA und DGG [1] nur mit einem einzigen Satz Beachtung, obwohl sie die notwendige und zugleich zureichende Bedingung für das diabetische Fußsyndrom (DFS) ist. Zudem muss beachtet werden, dass die Patienten bei zu starken Kompressionsdrücken keine Ischämie-Schmerzen äußern können (Anästhesie).

In der AWMF-Leitlinie zur Kompressionstherapie werden in Empfehlung 34: “Missempfindungen” und “zunehmende Schmerzen” als Kriterien zur Beendigung der Kompression genannt. Gerade diese Symptome fehlen aber bei Patienten mit PNP [5]. Die oft berechtigte Kompressionstherapie auch bei pAVK bedarf im Falle einer gleichzeitig vorliegenden PNP also besonderer Vorsichtsmaßnahmen.

Vorsichtsmaßnahmen bei PNP

  1. VOR der Kompressionstherapie ist der Status der PNP festzulegen: Besteht Schmerzlosigkeit? (Verlust der Warnfunktion des Schmerzes: LOPS “Loss of protective Sensation”). Neben der Erhebung des Pulsstatus sollte also jeweils die neurologische Untersuchung erfolgen: Stimmgabelversuch + Weinstein-filament als Mindestkriterium. Zeichen der autonomen Neuropathie (Verlust der Schweißsekretion) sind zu beachten.
  2. Realisation, dass die üblichen Warnzeichen kritischer Kompression fehlen.
  3. Im Zweifelsfall sollte die Kompressionstherapie entfernt werden.

Ohne Berücksichtigung der PNP kommt es ggf. zu Katastrophen, wie in den klinischen Beispielen dargestellt (s. Fall 1 und 2 unten).

Fazit

  • Kompressionstherapie ist sinnvoll (siehe Tabelle 1; [3])
  • Diabetes-begleitend sind Ödeme verschiedener Ätiopathogenese häufig.
  • Eine solitäre pAVK bei Diabetes mellitus und Diabetischem Fußsyndrom ist selten.
  • Ohne PNP ist die Behandlung mit einer Kompressionstherapie (meistens) regelhaft.
  • Die PNP ist die einzige notwendige und zugleich ausreichende Bedingung für das Diabetische Fußsyndrom.
  • Durch Anästhesie fehlen bei PNP die Warnsymptome des Schmerzes (LOPS).
  • Angiologische Klassifikationen beruhen auf klinischer Symptomatik: eine bestehende Ischämie wird daher unterschätzt: (“Polyneuropathie-Neglect”).
  • Fehlende Kenntnis der PNP kann zu therapeutischen Katastrophen führen.
  • Durch vorlaufende Diagnose der PNP, die hinreichende Berücksichtigung der impliziten Gefahren und Verständnis für die anthropologischen Besonderheiten bei diesen Patienten, können die Katastrophen verhindert werden.

Interessenskonflikte:

  • Dr. Stephan Eder: Urgo und Hartmann.
  • Prof. Dr. Joachim Dissemond: 3M, Curea, medi, Juzo, Lohmann& Rauscher, Smith & Nephew, Thuasne und Urgo.
  • PD Dr. Severin Läuchli: Kerecis und Urgo.
  • Kerstin Protz: Bauerfeind, Curea, Juzo, medi, Lohmann & Rauscher, Hartmann und Urgo.
  • Dr. Jürg Traber: Urgo, PIOMIC.
  • Dr. Alexander Risse: Urgo.

Korrespondierender Autor: Dr. Alexander Risse

Co-Autoren: Dr. Stephan Eder, Prof. Dr. Joachim Dissemond, PD Dr. Severin Läuchli, Kerstin Protz, Dr. Jürg Traber

Literatur:

  1. Balletshofer B, Böckler D, Diener D, Heckenkamp J, Wulf W, Katoh W, Lawall H, Malyar N, Oberländer Y, Reimer P, Rittig K, Zähringer M: Positionspapier zur Diagnostik und Therapie der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK) bei Menschen mit Diabetes mellitus. Gemeinsame Stellungnahme der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG), der Deutschen Gesellschaft für Angiologie (DGA), der Deutschen Gesellschaft für Interventionelle Radiologie und minimal-invasive Therapie (DeGIR) sowie der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin (DGG). Diabetologie 2021; 16 (Suppl. 2): S351–S361; DOI 10.1055/a-1515-9190.
  2. Dissemond J; Protz K; J. Hug J; Reich-Schupke S; Kröger K: Kompressionstherapie des chronischen Ulcus cruris: Praxsrelevante Aspekte; Z Gerontol Geriat 2018; 51: 799–806; DOI 10.1007/s00391-017-1191-9.
  3. Eder S, Dissemond J, Stücker M, Läuchli S, Protz K, Traber J: Effektive Kompressionstherapie – keine Angst vor AVK; (Hausärztliche Praxis 6-2025); zitierte Tabelle aus: Rabe E, Földi E, Gerlach H et al. 2018.
  4. Hochlenert D, Engels G, Morbach S, Schliwa S, Game FL Hrsg. Über die Entität zur Therapie; 2. Auflg. Springer 2022.
  5. Rabe E, Földi E, Gerlach H, Jünger M, Lulay G, Miller A, Protz K, Reich-Schupke S, Schwarz T, Stücker M, Valesky E, Pannier F: Medizinische Kompressionstherapie der Extremitäten mit Medizinischem Kompressionsstrumpf (MKS), Phlebologischem Kompressionsverband (PKV) und Medizinischen adaptiven Kompressionssystemen (MAK). AWMF-Leitlinie 2019; S2k-Leitlinie Stand 12/2018, AWMF-Registernummer: 037/005.
  6. Risse A: Philosophische Bemerkungen zu DFS, Polyneuropathie und LOPS; in: Dirk Hochlenert D, Engels G, Morbach S, Schliwa S, Game FL, Hrsg. Über die Entität zur Therapie; 2. Auflg. Springer 2022; pp 93-103.
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