© Jakob Nicklbauer Prof. Martin Trepel, Universitätsklinikum Augsburg, Direktor des Comprehensive Cancer Centers Augsburg
Ja, je nach Tumorart und Dauer der Diabeteserkrankung ist das Risiko im Schnitt bis zu zweifach erhöht. Das hängt mit der Stoffwechsellage bei Typ-2-Diabetes zusammen: Wachstumsfördernde Botenstoffe, mehr Insulin und entzündliche Vorgänge führen dazu, dass Krebserkrankungen leichter entstehen können.
Besonders deutlich zeigt sich ein solcher Zusammenhang etwa beim Darm-, Lungen-, Speiseröhren-, Brust-, Gebärmutter- oder Schilddrüsenkrebs. Hingegen spielt eine Diabeteserkrankung bei Leukämien und Lymphomen wahrscheinlich keine große Rolle.
Und Prostatakrebs tritt bei Menschen mit Typ-2-Diabetes sogar seltener auf. Der Grund ist vermutlich die antidiabetische Therapie: Es gibt einige Hinweise dafür, dass Metformin die Prostatakrebsrate senkt.
Welche Rolle spielt die Dauer der Diabeteserkrankung?
In den ersten zehn Jahren, nachdem die Krankheit manifest geworden ist, ist das Krebsrisiko am höchsten. Dann sinkt es langsam wieder ab und befindet sich ungefähr 20 Jahre nach Erkrankungsbeginn wieder auf dem ursprünglichen Niveau.
Im Anschluss ist die Rate der Neuerkrankungen eine Zeit lang sogar etwas geringer. Das liegt wahrscheinlich daran, dass die diabetische Stoffwechsellage Krebserkrankungen nicht nur auslöst, sondern auch den Wachstumsprozess bereits vorhandener Krebsvorstufen beschleunigt. Ein Teil der Patienten bekommt eine Krebserkrankung also einfach früher, als es ohne Diabeteserkrankung der Fall gewesen wäre.
Was bedeuten diese Erkenntnisse für Hausärztinnen und Hausärzte?
Zunächst sind sie ein Grund mehr, den Typ-2-Diabetes gar nicht erst manifest werden zu lassen: Patienten mit Risikofaktoren sollten zu Lebensstiländerungen angeregt und ihre Stoffwechsellage im Blick behalten werden. Bei manifestem Diabetes kommt es darauf an, früh und gut zu behandeln, um die anfänglich vermehrte Insulinausschüttung zu verhindern.
Weitere Krebsrisikofaktoren wie Rauchen sollten besonders konsequent vermieden werden. Außerdem sind gerade diese Patienten unbedingt dazu zu ermuntern, Vorsorge- bzw. Früherkennungsuntersuchungen wahrzunehmen.
Eine Ausnahme ist die Prostatakrebsvorsorge: Bei Patienten mit Typ-2-Diabetes ist das Erkrankungsrisiko ja geringer, deshalb sollte man da aus meiner Sicht überlegen, bei welchen Patienten die Vorsorge auch wirklich nötig ist – zumal sie in der unkritisch durchgeführten Indikationsstellung ohnehin umstritten ist.
Und welche Besonderheiten gilt es zu beachten, wenn Patienten mit Diabetes bereits an Krebs erkrankt sind?
Problematisch ist, dass diese Patienten die onkologischen Therapien weniger gut vertragen: Ihre Wundheilung ist schlechter, sie bekommen häufiger Infekte usw. Daher ist es auch bei Krebspatienten mit Diabetes wichtig, die Blutzuckereinstellung nicht zu vernachlässigen, auch wenn die Patienten gerade andere Sorgen haben.
Die Betroffenen sollten dafür sensibilisiert werden, ihren Blutzucker während der onkologischen Therapie gut zu überwachen bzw. evtl. öfter zu kontrollieren. Und was bei Krebserkrankungen generell hilfreich, beim Krebspatienten mit Diabetes aber doppelt sinnvoll ist, ist Sport: Dieser kann sich in Kombination mit einer optimierten Ernährung gerade bei Patienten mit Diabetes günstig auf den Verlauf der Krebserkrankung und die Verträglichkeit der Therapie auswirken.
Prof. Martin Trepel erklärt, dass bei ihm in Bezug auf dieses Interview keine Interessenkonflikte bestehen.
© Jakob Nicklbauer Prof. Martin Trepel, Universitätsklinikum Augsburg, Direktor des Comprehensive Cancer Centers Augsburg