Würzburg. Telemedizin kann Ärzte entlasten, sie aber nicht ersetzen. Das betonte Verbandsvorsitzender Dr. Dieter Geis beim Bayerischen Hausärztetag am 28. April in Würzburg. Technik könne keine Versorgungsprobleme lösen, dafür brauche es Manpower. Kritisch betrachtet der Bayerische Hausärzteverband daher besonders Projekte, hinter denen Kapitalinteressen stehen. Der Verband sieht aber auch einige Chancen: Moderne Technik könne genutzt werden, um Prozesse zu verschlanken und Ärzte von Bürokratie zu entlasten.
Auch könne Telemedizin den Einsatz der VERAH aufwerten, wurde in Würzburg deutlich. Schon jetzt kann die VERAH für den Hausarzt Hausbesuche übernehmen. Künftig soll sie dabei mit einem Tablet an die Arztpraxis angebunden sein, bei Fragen kann sie dann direkt per Video den Hausarzt kontaktieren. Mit einem speziell ausgerüsteten Rucksack kann sie Vitaldaten des Patienten erheben und gesichert via Tablet in die Praxis schicken.
Dieses Projekt „TeleArzt” wurde vom nordrheinischen Hausarzt Dr. Thomas Assmann entwickelt, nun soll es auch in Bayern starten. „Wir wollen den TeleArzt flächendeckend einführen”, sagte Geis. Man spreche bereits mit den Krankenkassen, um den TeleArzt bis Ende 2018 in die Hausarztverträge aufzunehmen.
„Die VERAH erhält mehr Sicherheit beim Hausbesuch, sie ist eng an die Praxis angebunden. Der Arzt kann von Hausbesuchen entlastet werden”, so Geis, „und unsere Patienten haben das Gefühl, als wären sie von zuhause aus bei uns in der Sprechstunde”.
Auch Studenten seien begeistert, berichtete Assmann den Verbandsmitgliedern in Würzburg, denn viele trauten einer Hausarztpraxis moderne Technik nicht zu. Darauf kontert Assmann: „Wo der Hausarzt oder Landarzt ist, da ist vorne.” Das Leasing für Tablet und Rucksack beinhalte bereits die Mobilverbindung, sodass das Tablet sich immer das beste verfügbare Netz heraussucht. „Es funktioniert also gerade auf dem Land”, betonte Assmann. Sollte man wirklich einmal im Funkloch sein, speichere das Tablet die erhobenen Daten und übertrage diese später in die Praxis.
TI gleich „totaler Irrsinn”
Ein Ärgernis für die Praxen sei hingegen momentan die Anbindung an die Telematik-Infrastruktur (TI), sagte Dr. Petra Reis-Berkowicz, Schriftführerin im Hausärzteverband, die auch Vorsitzende der Vertreterversammlung von Kassenärztlicher Vereinigung Bayern (KVB) und Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV) ist. Für ihn stehe TI seit Kurzem für „totaler Irrsinn”, ergänzte Verbands-Vize Dr. Markus Beier.
Die Ärzte sind gesetzlich verpflichtet, sich anzubinden, dafür sollen ihnen die Kosten erstattet werden. Die Finanzierungsvereinbarung von GKV-Spitzenverband und KBV sieht bisher aber vor, dass die Erstattung mit der Zeit sinkt, da man von sinkenden Preisen der Anbieter ausgegangen war. Ab dem dritten Quartal müssen Ärzte daher mit einer Lücke von 1.000 Euro rechnen. Gleichzeitig bestünden aber Lieferschwierigkeiten, sodass sich Ärzte gar nicht früher anbinden könnten, erklärte Reis-Berkowicz.
„Dieses Risiko darf nicht auf die Ärzte abgewälzt werden”, forderte sie.Darüber hinaus fürchtet sie, könnten Ärzte und Patienten langfristig „gläsern” werden. Der Konnektor sauge einseitig Daten aus der Praxis ab, Ärzte könnten nicht kontrollieren welche Daten sie wohin übermittelten.
Die KBV hat bereits angekündigt, die Finanzierung der TI-Anbindung nachzuverhandeln. Die Krankenkassen sähen dafür aber keinen Bedarf, so Reis-Berkowicz, weshalb die KBV bereits das Bundesschiedsamt angerufen habe. “Wer cool ist, wartet ab, bis die Finanzierung geklärt ist”, rät Dr. Markus Beier. “Wer sich absichern will, nutzt unser Formular, um sich bestätigen zu lassen, dass der Anschluss für ihn erst zu einem bestimmten Zeitpunkt möglich war.” Auf seiner Website stellt der Bayerische Hausärzteverband im Mitgliederbereich ein entsprechendes Formular-Muster zur Verfügung.
Der Hausärzteverband kann sich aber auch Vorteile durch die Telematik-Infrastruktur vorstellen, machte Reis-Berkowicz deutlich. Positiv sei, wenn Hausärzte mit der TI beispielsweise Impfdaten abgleichen könnten. “Von höheren Impfquoten hätten alle etwas – vor allem die Patienten – und nicht nur die Krankenkassen”, sagte sie. Kürzlich hatte auch der Deutsche Hausärzteverband für einen digitalen Impfpass plädiert.