Bonn. Kratom wird aus den Blättern des südostasiatischen Kratombaums gewonnen und kann in Deutschland über das Internet als pflanzliches Mittel gegen gegen Schmerzen, Entzündungen, Husten, Angst, Depressionen und andere Erkrankungen erworben werden. Kratom ist in Deutschland jedoch nicht als Arzneimittel zugelassen.
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) warnt aktuell vor dem Mittel, denn Sicherheit und Wirksamkeit seien bisher nicht ausreichend geprüft. Tier- und Humanstudien deuteten zudem darauf hin, dass Kratom möglicherweise zu schädlichen neurologischen Wirkungen, einschließlich Abhängigkeit und Entzugssyndrom führen und insbesondere Leber und Niere schädigen könnte. Im vergangenen Jahr berichtete ein Team um den Rechtsmediziner Dr. Tobias Huter vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf von einem Todesfall in Deutschland in Zusammenhang mit Kratom [1].
Kasuistik: Todesfall nach Kratom-Monointoxikation
“Ein unter 30-jähriger Mann wurde morgens leblos in seinem Bett in seinem Zuhause aufgefunden; am Vorabend sei nichts Auffälliges passiert”, heißt es in der Publikation. Von einer hinzugezogenen Notärztin sei ohne Reanimationsmaßnahmen der Tod festgestellt worden. Nach Angaben aus dem Umfeld seien eine Depression und ein früherer Cannabiskonsum bekannt, zudem habe der Mann in der Vergangenheit in unregelmäßigen Abständen Krampfanfälle erlitten, die teilweise ohne (rettungs-)medizinische Maßnahmen zu Hause behandelt worden seien. Seit etwa einem Jahr konsumiere er keine Drogen mehr, treibe regelmäßig Sport und achte streng auf seine Ernährung mithilfe von “Nahrungsergänzungsmitteln”.
Von der Polizei wurden im Zimmer diverse Nahrungsergänzungsmittel (konkret ausschließlich Kratom), Sahnekapseln, Luftballons, sogenannte Kapsler, Nutzhanfblüten, unterschiedliche Medikamente (Biotin-Kapseln, Hoggar®-Night-Tabletten, Paracetamol) sowie eine Feinwaage und ein Proteinshaker aufgefunden. Aus medizinischen Unterlagen sei zudem hervorgegangen, dass der Mann früher Betäubungsmittel (Kokain, Amphetamine und Cannabis) konsumiert haben soll. Zusätzlich seien der regelmäßige Gebrauch des Nahrungsergänzungsmittels „Kratom“ und eine damit verbundene Krankenhauseinweisung aufgrund eines Krampfanfalls bei Überdosierung ca. 18 Monate vor dem Versterben dokumentiert. Eigenanamnestisch soll in diesem Zusammenhang eine regelmäßige Einnahme von Kratom angegeben worden sein.
Bei der Obduktion seien keine wesentlichen Organvorschädigungen oder eine autoptisch fassbare Todesursache festzustellen gewesen, berichtet das Team. Es bestand der Verdacht auf eine Intoxikation (unspezifische Hinweise wie Hirnödem, hämorrhagisches Lungenödem, weitgestellte Harnblase und flüssiges Leichenblut).
Bei umfangreichen chemisch-toxikologischen Untersuchungen wurden unter anderem im Urin und im Venenblut verschiedene Mitragyninmetabolite (Mitragynin ist das relevanteste Alkaloid des Kratombaums, s. Kasten oben) nachgewiesen. Relevante Einflüsse anderer zentral wirksamer Substanzen wurden nicht festgestellt. In der Diskussion resümiert das Team daher: “Als Todesursache ist in Zusammenschau der Obduktionsbefunde und Ergebnisse der toxikologisch-chemischen Untersuchungen eine Monointoxikation mit Kratom festzustellen.” Der vorgestellte Fall unterstreiche die Gefährlichkeit der Substanz und damit die Notwendigkeit der öffentlichen und behördlichen Sensibilisierung.
Arznei- oder Lebensmittel?
Auch das BfArM weist in seiner Mitteilung auf Berichte über Todesfälle im Zusammenhang mit Kratom hin, die genauen Ursachen und Zusammenhänge würden noch wissenschaftlich untersucht. Das Institut berichtet, dass sich das BfARM aktuell auch in der Gemeinsamen Expertenkommission zur Einstufung von Stoffen mit der Frage beschäftigt, ob kratomhaltige Produkte als Arzneimittel oder als Lebensmittel angesehen werden.
Das BfArM stehe in engem Austausch mit den Landesbehörden, die in Deutschland für die Überwachung des Arzneimittelverkehrs zuständig sind. Die Landesbehörden entscheiden über die Einstufung einzelner Produkte als zulassungspflichtiges Arzneimittel. Stuft eine Landesbehörde ein Produkt als zulassungspflichtiges Arzneimittel ein, darf es ohne eine Zulassung nicht mehr in Verkehr gebracht werden. Das BfArM könne über die Einstufung eines Produktes als Arzneimittel nur dann entscheiden, wenn eine Landesbehörde beim BfArM eine Entscheidung über die Zulassungspflicht als Arzneimittel beantrage. Nach Kenntnis des BfArM haben einzelne Landesbehörden mit Blick auf die Patientensicherheit bereits eigenverantwortliche Maßnahmen umgesetzt bzw. planen weitere Maßnahmen.
bae
Quelle: Mitteilung des BfArM vom 1. Juli
Weitere Quellen: 1. doi 10.1007/s00194-024-00685-w